Der Stern - 30.10.2019

(やまだぃちぅ) #1
Wer wie ich in den Siebzigern aufgewachsen ist,
bekam von Mutter, Großmutter und (so bei mir)
Urgroßmutter immer wieder gesagt: Trink ein
Glas Milch. Die Milch macht’s!
Es gab ständig Milch: zum Frühstück und zum
Abendbrot, in der Schule, als Süppchen mit
Haferflocken (heute: Porridge), auf Cornflakes,
Smacks und Müsli. Sie war in Plastikfolie verpackt,
die man nie richtig zu fassen bekam und zu
Hause aufschnitt, um die Milch im Krug aufzu-
bewahren.
Damals standen, so meine Erinnerung, überall
schwarz-weiß gescheckte Holstein-Kühe herum.
Hinterm Haus auf der Weide und entlang jeder
Landstraße. Das mag damit zusammenhängen, dass
ich an der Ostsee geboren bin. Milch war Grund-
nahrungsmittel, so wie Brot, Kartoffeln und Eier.
Als ich zum ersten Mal hörte, dass Chinesen und
Japaner so gut wie keine Milch trinken und auch
nicht vertragen können, war ich überrascht.
Aufgrund ihrer genetischen Disposition verfügen
sie nicht oder kaum über das Verdauungsenzym
Laktase, sodass sie den Milchzucker (Laktose)
nicht abbauen können.
Ein nicht geringer Teil der Menschheit kommt
also ohne Milch aus? Und das offensichtlich gar
nicht mal so schlecht?
Diese Laktose-Intoleranz kommt auch bei uns
vor. Seit etwa 2012 drängen daher immer mehr

W


laktosefreie Milchprodukte auf den Markt, schrei-
ben meine Kollegen Nicole Heißmann und Chris-
toph Koch in unserer Titelgeschichte (ab Seite 26).
Und mit dem Wissen über die Unverträglichkeit
keimen seitdem weitere Zweifel an anderen In-
haltsstoffen der Milch: artfremde Proteine? Gar
Hormone? Was macht das mit uns? Allergien? Dia-
betes? Krebs?
Wir Verbraucher jedenfalls wurden skeptisch.
Hinzu kam, dass Kühen über die Verdauung Treib-
hausgas entweicht, das für die Erderwärmung
mitverantwortlich ist. Und so macht die Milch
heute vielen vor allem eins: keinen Spaß mehr.
Doch die meisten der gesundheitlichen Sorgen
sind unbegründet, schreiben Heißmann und
Koch. Seit Tausenden Jahren melkt der Mensch
Kühe und trinkt und verarbeitet Milch, vor allem
in Nordeuropa. Problematisch ist jedoch die mo-
derne industrielle Massentierhaltung, in der die
Tiere zu Milchreaktoren gezüchtet werden, die
nach fünf Jahren ausgelaugt sind. Hier würden
wieder mehr Kühe auf der Weide am Landstra-
ßenrand guttun.
Danke, dass Sie den stern lesen!

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30.10.2019 5

Florian Gless, Chefredakteur

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