5,4 Millionen Menschen erleiden Gift
schlangenbisse oder bekommen Gift in
die Augen gesprüht, was jährlich etwa
400 000 dauerhafte Behinderungen wie
Blindheit oder Amputationen zur Folge
hat. Zwischen 80 000 und 138 000 Be
troffene sterben. Die Weltgesundheits
organisation hat Schlangenbisse 2017
in die Liste vernachlässigter Krankhei
ten aufgenommen.
Wie groß die Gefahr ist, durch eine
Giftschlange getötet zu werden, hängt
davon ab, wo man lebt: In den USA ster
ben nur fünfvon 5000 gebissenen Men
schen an Schlangengift (0,1 Prozent), in
Indien sind es 50 000 von 2,8 Millionen
(1,8 Prozent), in Nepal1000 von 20 000
(fünf Prozent). Die Angstvor Giftschlan
gen jedoch teilen Menschen überall in
der Welt, gleichgültig, ob es dort, wo sie
leben, viele der Tiere gibt oder nicht.
Bei Schlangenphobikern kann die Angst
so ausgeprägt sein, dass sie den Anblick
der Aufnahmen von Giftfängen auf die
sen Seiten nicht ertragen könnten.
D
JE OFFENBAR angeborene
Furcht vor Schlangen lässt
sich auch bei unseren nächs
ten Verwandten, den Affen,
beobachten. Sie ist ein evo-
lutionäres Erbe von unseren
gemeinsamen Vorfahren, die über Mil
lionen von Jal1ren in permanenter Be
drohung durch giftige Schlangen leben
mussten. Einige Naturvölker tun dies
GEO 11 2019
noch heute. Bei denAchein den Regen
wäldern Paraguays sterben 14 Prozent
der erwachsenen Männer durch einen
Schlangen biss. Ohne Zweifel war es für
unsere Vorfahren von großem Vorteil,
Giftschlangen frühzeitig zu entdecken.
Deshalb diskutieren Wissenschaftler
ernsthaft, ob diese tödliche Bedrohung
geprägt hat, wie wir visuelle Reize im
Gehirn verarbeiten.
Eine andere Spekulation der Gifttier
fo rscher betrifft die Frühzeit der Säuge
tiere. Auch die Männchen des Schnabel
tiers besitzen eine sehr wirkungsvolle
chemische Waffe: zwei hohle Sporne
aus Keratin an den Hinterbeinen, die
mit Giftdrüsen im Körperinneren ver
bunden sind. Das Schnabeltier gehört
zu den Eier legenden Ursäugern. Es ist
das einzige Säugetier, das sein Gift mit
einem Stich injiziert. Da auch die ver
wandten Schnabeligel und diverse aus
gestorbene Vorfahren ähnliche Sporne
besaßen, spekulieren die Wissenschaft
ler, dass möglicherweise alle Säugetier
ahnen darüber verfügten, die einst un
ter der Fuchtel der Dinosaurier lebten.
Erst als sie sich später in die Eier legende
Verwandtschaft des Schnabeltiers auf
der einen Seite sowie in Beuteltiere und
Höhere Säuger auf der anderen Seite auf
spalteten, ging der Sporn bei Letzteren
verloren.
Trifft diese Theorie zu, dann wären
UNTER
BESCHUSS
Reibt eine amerikanische
Vogelspinne an ihrem Hinterleib,
wird es für Angreifer gefährlich:
Denn dabei schießt das Tier
seine Brennhaare ab. Forscher
vermuten, dass die Spinne je
nach Gegner unterschiedliche
Pfeile einsetzt. Auf ihnen
sitzen Widerhaken, die Haut,
Augen und Atemwege reizen
50 IJm
850:1
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass
diese Gifte dem Nahrungserwerb dien
ten. Die Sporne der Schnabeltiere kom
men vor allem bei Kämpfen unter rivali
sierenden Männchen zum Einsatz.
E
IN 57-JÄHRIGER Kriegsve
teran erfuhr 1991 in Queens
land, Australien, am eigenen
Leib, dass ein Stich des Schna
beltiers für Menschen extrem
schmerzhaft ist. Als er ein ver
meintlich krankes Tier aus dem Wasser
hob, verspürte er nach Stichen in seine
rechte Hand sofort brutale Schmerzen,
die nach einigen Stunden den ganzen
Körper erfassten und nicht einmal mit
starken Opiaten zu beseitigen waren.
Sie seien noch viel schlimmer gewesen
als das, was er nach einem Schrapnell
treffer erlitten habe, berichtete er spä
ter. Erst drei Tage nach dem Stich ließ
der Schmerz nach, doch sogar einen Mo
nat später tat ihm noch die Hand weh,
die Schwellungen an Hand und Finger
hielten länger als drei Monate an.
Der Frankfurter Toxinologe Dietrich
Mebs, einer der profiliertesten Gifttier
experten in Deutschland, aus dessen
umfangreicher Sammlung viele der auf
diesen Seiten abgebildeten Präparate
stammen, wurde als junger Mann von
einer Gila-Krustenechse gebissen. Auch
er hatte anschließend "fürchterliche
alle heute lebenden Säugetiere Nach- Schmerzen". Der Blutdruck sackte ab.
fahren von Gifttieren, auch der Mensch. Ein Herzstillstand drohte. 48 Stunden
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