Geo - 11.2019

(Ann) #1

162


Weltbürger
Einer von 7,733 Milliarden

Unseren Fragebogen beantwortet Manuel Monteiro, 41,
Korrektor, Autor und Dozent aus Lissabon. In seinen
Büchern setzt er sich für den ordentlichen Gebrauch der
portugiesischen Sprache ein, die er studiert und liebt

Was erfüllt Sie mit Hoffnung?
Dass die junge Generation bewusster
mit unserem Planeten umgeht. Dank
ihr nehmen auch Rassismus, Sexismus
und Homophobie stetig ab.
Welche Hoffnung haben Sie
aufgegeben?
Dass die Welt weniger schnelllebig
werden kann. Dass wieder mehr Zeitung
gelesen wird. Dass Fakten ordentlich
recherchiert werden.
Was bezeichnen Sie als Heimat?
Heimat ist dort, wo mich Menschen
umgeben, die ich mag. Aber ich träume
davon, einmal in der Wildnis zu leben,
in Montana, USA.
Was braucht Ihre Nachbarschaft?
Menschliche Interaktion. Lissabon
ist kaltherzig, anders als das restliche
Portugal. Ich kenne nicht eimnal meine
Nachbarn, obwohl ich schon seit zehn
Jahren in meiner Wohnung lebe.
Was haben Sie zuletzt geschenkt
bekommen?
Ein Werbegeschenk eines Freundes,
der ein Geschäft eröffnet hat: eine Dose
Fisch, dabei bin ich Vegetarier.
Und wenn Sie mir hier undjetzt
etwas schenken wollten: Was
würden Sie mir geben?
Etwas, das die Kultur Portugals sym­
bolisiert, ein Buch unseres größten Li­
teraten: "Sämtliche Gedichte" von Luis
de Camöes.
Wessen Urteil fü rchten Sie mehr,
das eines Freundes oder das eines
Feindes?
Ich habe Feinde, und ich denke, es ist
gut, welche zu haben. We nn man über
ein kleines bisschen Macht und Verant­
wortung verfügt und keine Feinde hat,

"Ich habe Feinde, und
ich denke, es ist gut,
welche zu habencc

Portugal

dann hat man irgendetwas falsch ge­
macht. Dennoch fü rchte ich das Urteil
eines Freundes mehr.
Gibt es ein Tier, das Ihnen etwas
bedeutet?
Die einzigen Tiere, zu denen ich je
eine echte Beziehung hatte, waren die
Fische in meinem Aquarium. Man glaubt,
dass sie Menschen nicht unterscheiden
können, aber das stimmt nicht. Jedes
Mal, wenn ich am Aquarium vorbeiging,
bewegten sie sich mit. Das taten sie bei
sonst niemandem.

Wenn Sie einem Kind nur einen ein­
zigen Ratschlag für das Leben geben
könnten: Welcher würde das sein?
In unserer heutigen Welt? Es gibt
ein Leben außerhalb der Technologie.
Haben Sie eine liebste Erinnerung?
Ich lebe nach einem Aphorismus des
portugiesisch-brasilianischen Autors
Jose Alberto Braga: Die größte Freude
ist immer die nächste.
Woran erkennt man echte Liebe?
Wenn man Zweifel hat, ob es echte
Liebe ist, ist sie es wahrscheinlich nicht.
Wie viel Geld möchten Sie besitzen?
Genug, um mir immer Bücher und
Zigaretten leisten zu können.
Wa ren Sie an der Macht, was würden
Sie allen Menschen befehlen?
Jeder meint, dass seine Vorstellung
von Utopie die richtige ist - auch ich.
Trotzdem würde ich sie niejemandem
aufzwingen wollen. Alles, was befohlen
werden muss, ist falsch.
Wer sagt Ihnen die Wahrheit?
Das Alter. Es lügt nicht.
Was fehlt Ihnen zum Glück?
Mehr Zeit fü r mich selbst zu haben.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ja, ich bin schon 41, und es gibt noch
so viel zu tun.
Was kommt danach?
Ich möchte glauben, dass nach dem
Tod noch etwas kommt. Den Gedanken
daran, hier zu sein, ein Leben lang zu
lernen, und urplötzlich ist alles vorbei,
finde ich befremdlich.
Wann haben Sie das letzte Mal so
richtig herzhaft gelacht?
Vor zwei Wochen, aus Schadenfreude.
Ein befreundeter Dichter und Informa­
tiker stellte mir seine neueste Geschäfts­
idee vor: eine fast leere Homepage, auf
der geschrieben steht: "Wenn Sie hier
Gedichte publizieren wollen, überwei­
sen Sie Geld aufmein Konto." Darunter
eine Preisliste und seine Kontonummer.
Er meinte das todernst, also musste ich
den Raum verlassen, um vor Lachen zu
explodieren. Protokoll: Martin Zinggl

GEO 11 2019
Free download pdf