Die Welt - 09.11.2019

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  1. November 1989: Die SED öffnet quasi aus Versehen einen Spalt in der Mauer, beherzte
    DDR-Bürger nutzen die Chance und reißen sie ein. Am 30. Jahrestag des Mauerfalls doku-
    mentiert WELT die dramatischen Ereignisse in einem Stundenprotokoll. Lesen Sie auch: Alt-
    bundespräsident Joachim Gauck über die Gefahren der Intoleranz gegenüber Intoleranten –
    Seite 2. Wetten aufs epochale Weltgeschehen – Seite 4. Ein Brite, der von Ost-Berlin aus
    Propaganda für den Sozialismus machte – Seite 7. Die Geschichte dreier NVA-Soldatinnen,


die sich plötzlich in der Bundeswehr fanden – Seite 8. Spitzenverdiener und Reichtum in
Ostdeutschland – Seite 10.Wo die Poliklinik weiterlebt – Seite 16. Der nur kurze Jubel der
Börse 1989/90 – Seite 17. Was war noch mal Westdeutschland? Eine kulturgeschichtliche Re-
konstruktion – Seite 21. Die dramatische Sitzung des SED-Zentralkomitees am Abend des 9.
November – Seite 23. Die Nacht, als ich rüberging. Eine Reportage von Wolfgang Büscher –
Seite 24. Freiheit: Ideen, Vorschläge, Ansätze, Möglichkeiten, Utopien – Literarische Welt

3 0 Jahre nach dem Mauerfall: Eine besondere WELT


DRAGAN DENDA

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09.11.19 Samstag, 9. November 2019DWBE-HP


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A


nnegret Kramp-Karrenbauer ist extrem beliebt, allerdings nur in ihrer eigenen Familie.
Der Rest der Bevölkerung schätzt die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende
nicht so sehr. Nur 19 Prozent würden sie gerne als Kanzlerkandidatin sehen. Und man
weiß nicht, wie viele von diesen AKK-Befürwortern sie wirklich wählen würden oder die Saar-
länderin am Ende nur leiden sehen wollen. AKK-Bashing gilt als neuer Volkssport. Es ist aber
auch zu lustig, wenn sie sich für irgendeine Ungeschicklichkeit mit umständlichen Bandwurm-
sätzen rechtfertigt, an deren Ende niemand weiß, was sie eigentlich gesagt hat. Davon können
die Bürger und Heiko Maas anscheinend nicht genug bekommen, und deshalb bewerten sie
Frau Kramp-Karrenbauer immer schlechter und treiben sie damit schnurstracks in die nächste
Fehlleistung. Mit Schrecken denkt man in der Union an die nächste Karnevalssaison, die am
Montag beginnt. Denn nicht einmal ihre eigene Familie weiß, welches Kostüm AKK diesmal
anziehen und welche Minderheit sie diesmal liebevoll verunglimpfen wird.

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schafft die Kommunistische Partei eine
neue Version des Autoritarismus. Sie ver-
wendet Taktiken und Methoden, um ihr
VVVolk zu unterdrücken, die den Ostdeut-olk zu unterdrücken, die den Ostdeut-
schen entsetzlich bekannt vorkommen
dürften.“ Die freie Welt könne diese He-
rausforderungen nur vereint bestehen,
sagte der US-Außenminister. „Wir haben
eine Pflicht, unsere Freiheiten zu verteidi-
gen. Gemeinsam. Alleine ist das unmög-
lich“, sagte Pompeo. „Wir müssen aner-
kennen, dass man für die Freiheit kämp-
fffen muss. Sie passiert nicht einfach so.“en muss. Sie passiert nicht einfach so.“
Auch wenn Pompeo vor seinem Tref-
fen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) die Zusammenarbeit mit
Deutschland lobte und Merkel als „große
Freundin der Vereinigten Staaten“ be-
zeichnete, folgte ein deutlicher Appell an
die Bundesregierung, endlich ihren
Bündnisverpflichtungen nachzukom-
men. Washington macht keinen Hehl aus
der Frustration darüber, dass Berlin
nicht wie versprochen zwei Prozent der
deutschen Wirtschaftsleistung für Ver-
teidigung ausgibt. Und so wiederholte
der Außenminister bei seinen politischen
Gesprächen, was auch US-Präsident Do-
nald Trump zuletzt immer vehementer
eingefordert hatte. Ohne höhere Beiträge
der Mitgliedstaaten drohe die Nato „inef-
fizient und überflüssig“ zu werden, warn-
te Pompeo in seiner Rede.

W


irbefinden uns wie-
der in einem Kampf
um die Freiheit in
der Welt – mit dieser
Botschaft kam US-
Außenminister Mike Pompeo nach Ber-
lin, um 30 Jahre Mauerfall zu feiern.
„Gemeinsam haben wir den Kalten
Krieg gewonnen, die USA und Deutsch-
land zusammen“, sagte Pompeo in einer
Rede, die er unweit des Brandenburger
Tors hielt und in der er die Ostdeut-
schen als die „wahren Helden“ dieser
Befreiung würdigte.

VON SILKE MÜLHERR UND CLEMENS WERGIN

Die Hoffnungen nach dem Mauerfall
hätten sich aber nicht erfüllt, sagte Pom-
peo weiter. Man habe sich geirrt, als man
vor 30 Jahren glaubte, nach dem Ende des
Kalten Krieges seien die freien Demokra-
tien überall auf dem Vormarsch. Manche
hätten gar vom Ende der Geschichte ge-
schrieben. Jedoch: „Freiheit ist niemals
garantiert“, sagte Pompeo. „Der Autorita-
rismus kommt wieder zurück. Er war nie
weg.“ Pompeo warnte in diesem Zusam-
menhang eindringlich vor Russland und
China. „Russland – regiert von einem frü-
her in Dresden stationierten KGB-Offizier


  • überfällt seine Nachbarn und vernichtet
    seine Kritiker“, sagte Pompeo. „In China


Am Freitagmorgen hatte sich der ame-
rikanische Chefdiplomat mit Bundesver-
teidigungsministerin Annegret Kramp-
Karrenbauer (CDU) getroffen. Deren An-
kündigung, den Wehretat bis spätestens
2 031 auf das Zwei-Prozent-Ziel steigern zu
wollen, wird in den USA wohlwollend auf-
genommen. Man sei „angenehm über-
rascht“ vom Engagement der Verteidi-

gggungsministerin, sagte ein hoher amerika-ungsministerin, sagte ein hoher amerika-
nischer Regierungsbeamter WELT. Und er
fffügte hinzu: „Natürlich wissen wir um dieügte hinzu: „Natürlich wissen wir um die
Widerstände in der Regierungskoalition,
aaaber allein das Nachdenken über einen ak-ber allein das Nachdenken über einen ak-
tiven Beitrag aus Deutschland empfinden
wir als erfrischend.“ Kramp-Karrenbauers
Einlassungen stünden jedenfalls in „deut-

lichem Kontrast“ zu dem, was der US-Au-
ßenminister am Vortag von seinem deut-
schen Amtskollegen Heiko Maas (SPD) ge-
hört habe. An dessen Position zu Fragen
der internationalen Krisenbewältigung
habe sich in den vergangenen Monaten
„offensichtlich wenig verändert“.
ZZZweifel an der Verlässlichkeit eines Na-weifel an der Verlässlichkeit eines Na-
to-Partners hatte am Donnerstag auch
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
geäußert. Doch Macron meinte dabei vor
allem die USA. Es sei fraglich, ob Europa
sich noch auf den Schutz der Amerikaner
verlassen könne. Die Nato selbst bezeich-
nete Macron als „hirntot“, ebenfalls eine
deutliche Kritik an der Führungsnation
Amerika. Pompeo trat dem in Berlin ent-
schieden entgegen und verwies auf das
verstärkte US-Engagement in Europa. Zu-
gleich forderte er die Europäer auf, sich
ebenfalls in Syrien einzubringen. Die Ver-
bündeten müssten ihren Bevölkerungen
erklären, warum eine Stabilisierung Sy-
riens auch für sie wichtig sei. Anderenfalls
drohe Europa eine neue Flüchtlingswelle.
Der US-Außenminister sprach sich er-
neut gegen die Gaspipeline Nord Stream 2
durch die Ostsee aus. Europa dürfe nicht
aaabhängig vom Willen des russischen Prä-bhängig vom Willen des russischen Prä-
sidenten Wladimir Putin werden. Pompeo
plädierte zudem dafür, den chinesischen
Netzwerkausrüster Huawei nicht am Auf-
bau der 5G-Netzwerke zu beteiligen.

WWWas Pompeo da am Pariser Platz inas Pompeo da am Pariser Platz in
Steinwurfnähe zum Brandenburger Tor
aaablieferte, klang in Passagen wie einblieferte, klang in Passagen wie ein
WWWeckruf. Der Westen sehe sich erneut he-eckruf. Der Westen sehe sich erneut he-
rausgefordert, so der Tenor. Die Freiheit
sei in Gefahr, weil die Feinde der Freiheit
wiedererstarkt seien. Dennoch scheint
nach Pompeos Worte in Berlin fraglich, ob
der US-Außenminister mit solchen Über-
zeugungen nicht eigentlich in der falschen
Regierung arbeitet. Schließlich ist sein
Chef, Präsident Donald Trump, bisher
nicht aufgefallen als Verteidiger der Frei-
heit in der Welt.
Trump scheint engere Beziehungen zu
vielen Autokraten zu pflegen als zu wich-
tigen demokratischen Alliierten. Der Prä-
sident macht auch keinen Hehl daraus,
dass er US-Truppen lieber nach Hause
zurückholen möchte, als Weltordnungs-
politik zu betreiben. Und auch die Einig-
keit des Westens, die Pompeo in Berlin so
wortreich beschwor, wird ausgerechnet
von seinem Chef selbst immer wieder
untergraben – wie zuletzt beim überra-
schenden Rückzug aus Syrien, den
Trump mit keinem seiner Nato-Partner
abgestimmt hatte.
So wurde Pompeos Rede in Berlin zwar
mit freundlichem Beifall bedacht. Doch
ob er wirklich für den amerikanische Prä-
sidenten sprach, bezweifelten manche
Zuhörer.

US-Außenminister Mike Pompeo:


„Autoritarismus kommt wieder zurück“


Washingtons oberster Diplomat plädiert in Berlin für den Kampf gegen Unfreiheit. Und bekennt sich zur Nato – unter Bedingungen


US-Außenminister Mike Pompeo und
Bundeskanzlerin Angela Merkel

AFP

/ HANNIBAL HANSCHKE

D


eutsch ist es, ein Wunder der
Weltgeschichte eher heulsu-
sig und debattenmelancho-
lisch so lange durch einen Ost-West-
Filter zu schubsen, bis auch das letz-
te euphorisch heitere Gefühl der
Dankbarkeit verdampft. Vor 30 Jah-
ren fiel wie in einem Hegel-Comic
durch die List der Geschichte ein
Symbol der Trennung, das exempla-
risch den Antihumanismus eines Un-
rechtsstaates materialisierte. Die
DDR erschoss ihre Bürger, wenn sie
neugierig waren und weltoffen – und
wissen wollten, was wirklich hinter
dem gemauerten Horizont zu entde-
cken war. Der real existierende So-
zialismus war Sozialismus in seiner
reinen Form, weil er das Individuum
verachtete und das Kollektiv über-
höhte – aber nur, wenn die Kollektive
ganz dem goldenen (oder roten)
Staatskalb dienten.
Dass Ministerpräsidenten aus
dem Osten ernsthaft trotz Stasi-
Knästen und Schießbefehl über den
Begriff „Unrechtsstaat“ diskutieren,
ist ebenso grotesk wie Gregor Gysis
Rede am Freitag im Bundestag, in
der er die Außengrenzen der EU mit
der Mauer in (wenn auch weite) ge-
dankliche Beziehung setzte. Wie bei
vielen Linken, auch in seiner Partei,
wird die Frage nach dem grundsätzli-
chen Hang sozialistischer Beglü-
ckungsbestrebungen hin zum Totali-
tarismus nicht gestellt. Dass real
existierender Sozialismus in Nord-
korea, China oder Venezuela Leid
und Unfreiheit bringt, bleibt als Leh-
re an diesem Tag unreflektiert.
Getoppt wurde das traurige Ge-
denken noch durch die Aneinander-
reihung von Geschmacklosigkeiten
durch Parlamentarier der sogenann-
ten AfD, die unser freiheitliches Land
mit der DDR vergleichen. Die im
Bundestag formulierte Äquidistanz
zu Moskau und Washington gefällt
wohl auch linken Wählern. Noch bi-
zarrer wird die AfD, wenn die wirt-
schaftliche Modernisierungsleistung,
die auch dank Treuhand gelungen ist,
als „Raubzug“ bezeichnet wird. Diese
Protestpartei wird am Ende auch ei-
nen völkischen Sozialismus ausspie-
len, wenn es der Eskalation von De-
batten dient. Die ruchlosen, auch in-
tellektuell dürftigsten Angriffe auf
die Kanzlerin zeigen, dass dieser Kra-
wallformation jede Form von Würde
und Staatsform abgeht. Es sind radi-
kal Unbürgerliche. Staatsstreichler.
Der Fall der Mauer war ein Ge-
schenk. Er war ein für Deutsche selte-
ner Akt friedlichen Freiheitstaumels
und demokratischer Selbstermächti-
gung. In Zeiten verlorenen Maßes
und gefährdeter Mitte sollte dieses
Datum daran erinnern, dass wir nur
dann erfolgreich Geschichte machen
können, wenn die Lehre aus Weimar
und den beiden Diktaturen auf deut-
schem Boden im Sinne einer liberalen
Aufgeklärtheit erfolgt. Davon ist im
Augenblick zu wenig zu spüren.

KOMMENTAR

Ein deutsches


WWWunderunder


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ULF POSCHARDT

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