Die Welt - 09.11.2019

(ff) #1

0 7:


Über Berlin geht die Sonne auf. Vorausgesagt ist ein trü-
ber November-Donnerstag mit vier bis zehn Grad Celsi-
us und Nebel.

0 9:


Im Innenministerium der DDR treffen sich zwei Stasi-
Offiziere und zwei Ministerialbeamte, um eine neue Re-
gelung für ständige Ausreisen zu erarbeiten. Das SED-
Politbüro will den innenpolitischen Druck reduzieren,
indem das dauerhafte Verlassen der DDR über eigene
Grenzkontrollstellen ermöglicht wird. An eine grund-
sätzliche Öffnung der Mauer ist nicht gedacht.

1 0:


Das Zentralkomitee der SED setzt seine am Vorabend
unterbrochene dreitägige Sitzung fort. Fast die ganze
Staatsführung versammelt sich in der Parteizentrale am
Werderschen Markt.

CHRONIK DES MAUERFALLS – 07:17 - 10:


Nichts deutet am Morgen des



  1. November 1989 darauf hin,


dass an diesem Tag


Weltgeschichte geschrieben


werden wird, sodass Fotos aus


Berlin an diesem Tag fortan zu


den wichtigsten Bildikonen der


Zeitgeschichte gehören


werden. Denn durch eine ganz
unwahrscheinliche Verkettung

von Umständen, durch ein


folgenschweres


Missverständnis, durch gut


gemeinte Falschmeldungen


und vor allem durch den Mut


Zehntausender DDR-Bürger


wird die Berliner Mauer und


damit die innerdeutsche


Grenze am Abend dieses Tages


gestürzt. Eine Chronologie


der wichtigsten Ereignisse


in Berlin:


AM GEBÄUDE DES ZENTRALKOMITEES DER SED
AM WERDERSCHEN MARKT IN BERLIN-MITTE HÄNGT
1 989 STOLZ DAS SYMBOL DER DDR-STAATSPARTEI

PICTURE ALLIANCE / AKG-IMAGES

2


09.11.19 Samstag, 9. November 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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S


eit zweieinhalb Jahren tritt
Joachim Gauck als Privatier
auf und nicht mehr als Bun-
despräsident. Er schreibt
Bücher, hält Reden, nimmt
Preise entgegen. Im WELT-Interview
spricht er über den Herbst 1989 und die
Regierungsfähigkeit der Linken.

VON CLAUS CHRISTIAN MALZAHN

WELT: Herr Gauck, die großen The-
men der Friedlichen Revolution 1989
waren Freiheit und Einheit. Rückbli-
ckend stellt sich die Frage, ob es da-
mals zu einem Missverständnis ge-
kommen ist. Die Betonung lag auf
deutscherEinheit. Aber was bedeutete
das? Schon damals lebten im Westen
Millionen von Einwanderern. Die ka-
men in dieser Erzählung eigentlich
nicht vor.
JOACHIM GAUCK: Da mögen Sie recht
haben. Zu Beginn der Friedlichen Revo-
lution ging es um Freiheit und Demokra-
tie: Es ging um einen Dialog zwischen
Ohnmächtigen und Machthabern. Der
WWWunsch nach deutscher Einheit hat sichunsch nach deutscher Einheit hat sich
erst danach entwickelt, weil Teile der
Protestbewegung glaubten, Freiheit,
Menschenrechte und Demokratie seien
so am sichersten zu erreichen. Dass ein
Gesamtdeutschland ethnisch längst
nicht mehr homogen deutsch sein würde


  • darüber haben wir 1989 gar nicht nach-
    gedacht, weil uns die veränderte Situati-
    on in Westdeutschland gar nicht so be-
    wwwusst war.usst war.


Aber die Frage der deutschen Einheit
war durchaus umstritten in der Bür-
gerbewegung.
Das stimmt. Manche schrieben Manifes-
te, am 4. November gab es die große De-
monstration „Für unser Land“, bei der
aaauch der ehemalige Chef der Stasi-Aus-uch der ehemalige Chef der Stasi-Aus-
landsabteilung, Markus Wolf, und Gre-
gor Gysi auftraten. Es war der Versuch,
eine DDR-patriotische Demokratiebewe-
gggung zu begründen. Das ist damals miss-ung zu begründen. Das ist damals miss-
lungen. Viele Linke, im Osten wie auch
im Westen, haben das bedauert. Sie hat-
ten teilweise sehr romantische Vorstel-
lungen von der DDR.

Sie nicht, nehme ich an.
Nein. Ich habe die Härte der Diktatur ja
persönlich erlebt. Für eine reformierte
DDR gab es weder einen ökonomischen
noch einen politischen Spielraum. Ich
war damals Sprecher des Neuen Forums
in Rostock. Uns wurde schnell klar, dass
die Volksmassen keine Lust auf reform-
sozialistische Experimente in der DDR
hatten. Die überwältigende Mehrheit der
Bürger in der DDR hat in der Bundesre-
publik ein taugliches, handfestes Anti-
modell erkannt. Sie wollten keine Debat-
ten über einen dritten Weg, sondern
wendeten sich der rheinischen Demo-

kratie und dem rheinischen Kapitalis-
mus zu. Viele Intellektuelle, auch Freun-
de von mir, haben diese Einstellung
missdeutet und deren Anhänger als Re-
aaaktionäre denunziert.ktionäre denunziert.

Noch heute behaupten manche, es sei
damals alles zu schnell gegangen.
Es ging alles sehr schnell, aber die Be-
schleuniger saßen nicht in Bonn, die
Mehrheit der Ostdeutschen wollte die
möglichst schnelle Einheit. Aber die
These, man sei dem Westgeld hinterher-
gelaufen und habe sich damit einem ed-
leren, beschwerlicheren Pfad verweigert,
fffinde ich arrogant. Dieser wirklichkeits-inde ich arrogant. Dieser wirklichkeits-
ffferne linke Vorbehalt gegen die deutscheerne linke Vorbehalt gegen die deutsche
Einheit existiert heute noch bei einigen.

Meine Eingangsfrage zielte auch auf
die Tatsache, dass Westdeutschland
1989 längst eine Einwanderungsge-
sellschaft gewesen ist. In Köln, Ham-
burg und München gab es türkische
Nachbarn. In Dresden, Leipzig und
Erfurt lebten die vietnamesischen
Vertragsarbeiter wesentlich rechtlo-
ser und isolierter.
Die Ostdeutschen haben sich nach et-
was gesehnt, was ihnen nicht vertraut
war. Dass in Westdeutschland seit Jahr-
zehnten Einwanderer lebten, die diese
Gesellschaft längst mitgeprägt hatten,
ist damit auch gemeint. Das Problem ist
aber nicht allein die Fremdheit gegen-
über dem Fremden – obwohl auch die
Gewöhnung an die Fremden Zeit
braucht. Ostdeutsche haben aber weit
darüber hinaus die Fremdheit gegen-
über einer Moderne zu überwinden, die
von mir plötzlich ein völlig anderes Le-
ben verlangt als das, was ich als „Unter-
tan“, als Staatsinsasse, als unfreier Bür-
ger gelebt habe. Plötzlich soll ich Bürger
werden, Citoyen, Akteur. Es gibt keine
Anleitung mehr in dieser neuen Frei-

heit, die ich mir gewünscht habe. Die
Menschen in Ostdeutschland haben
zwölf plus 44 Jahre in unterschiedlicher
Art von Unfreiheit gelebt, das sind drei
Generationen. Und diese Tatsache ist
tatsächlich unzureichend besprochen
und berücksichtigt worden.

Die Folgen dieser Erbschaft spüren
wir heute auch bei den Wahlergebnis-
sen. Es gibt eine Sehnsucht nach au-
toritärer Ordnung.
Es gibt deutlich sichtbar eine Strömung,
die Furcht vor der Moderne hat. Es ist ei-
ne Furcht, in ein eigenverantwortliches
Leben gerufen zu werden. Aber das ist
nicht nur bei uns so. Wir erleben das in
vielen Ländern, etwa in Ungarn. Wie le-
be ich in einer Welt, in der ich nicht auf-
gewachsen bin? Wie spreche ich eine
Sprache, die ich nicht erlernt habe? Das
ist alles anstrengend. Und dann sagen ei-
nige: „Ihr müsst euch nicht anstrengen.
Das ist alles übertrieben, westlich, deka-
dent.“ Diesen Populismus gibt es in ei-
ner linken und einer völkischen Variante.

Und was setzen Sie diesen Populisten
entgegen?
Hoffentlich mehr Argumente, angstfreie
Offenheit und weniger vorschnelle mo-
ralische Verurteilung. Und – wichtig zu
erkennen: Der europäische Osten lebt in
Transformationsgesellschaften. Es gibt
dort auch einen verklärten Blick zurück
aaauf einen Zustand, in dem es mehr Auto-uf einen Zustand, in dem es mehr Auto-
rität und wenig offenen Streit gab. Dass
diese regressiven Wünsche vorhanden
sind, konnte ich Anfang der Neunziger
noch nicht deuten. Über den Erfolg der
PDS habe ich mich nur gewundert. Spä-
ter habe ich erkannt, dass das Wahlver-
halten weniger von der Ideologie be-
stimmt war, sondern von der Mentalität.
Und Mentalitätswandel ist ein sehr lang-
wieriger Prozess.

Aber die SED-Nachfolger wurden ge-
wählt. Hat sich die PDS im demokra-
tischen Betrieb verändert?
Ja, sicher. Ihre Vertreter bekamen durch
demokratische Wahlen ja auch eine Wür-
de. In ihren Reihen gibt es ernstzuneh-
mende Akteure, Bürgermeister, Unter-
nehmer, Abgeordnete. Die Linke ist heu-
te nicht mehr die alte SED. Es hat starke
VVVeränderungsprozesse gegeben. Abereränderungsprozesse gegeben. Aber
dieser Prozess ist nicht abgeschlossen.
Es gibt da immer noch verwirrte Kom-
munisten und welche, die ich als rote Re-
aaaktionäre bezeichnen würde. Sie sind imktionäre bezeichnen würde. Sie sind im
AAAlten befangen, können sich von derlten befangen, können sich von der
Diktatur nicht ehrlich und entschlossen
verabschieden.

In Thüringen hat die Linke fünf Jahre
regiert. Sozialistische Experimente
habe ich da nicht registriert.
Es gibt Linke, die die Demokratie voran-
bringen und den Rechtsstaat achten. Der
WWWeg in den Parlamentarismus war eineg in den Parlamentarismus war ein
heilsamer Weg.

Das klingt fast versöhnlich. Sie waren
immer ein scharfer Kritiker der Lin-
ken.
Ja, sympathisch ist mir diese Partei bis
heute nicht, und wesentliche politische
Zielvorstellungen lehne ich ab. Aber ich
muss doch differenzieren, sehe Unter-
schiede, und ich bin imstande, diese Un-
terschiede zu benennen. Was die Refor-
mer in der Linken geschafft haben, ist
mit dem zu vergleichen, was konservati-
ven Parteien nach dem Krieg im Westen
mit Altnazis gelungen ist. Es ging darum,
die Autoritären einzustimmen auf die
Demokratie. Zu Teilen ist das gelungen,
das muss man dann auch respektieren.
Der Leninismus lehrte, die Macht nie-
mals aus der Hand zu geben. Wenn Lin-
ke heute respektieren, dass Macht nur
demokratisch legitimiert und auf Zeit
vom Volk verliehen ist, zeigt das, dass
diese Leute eine Umkehr vollzogen ha-
ben. Dann sind sie als Demokraten er-
kennbar.

Die Linke wurde in den vergangenen
30 Jahren also durch den Parlamenta-
rismus sozialdemokratisiert?
Selbstverständlich gibt es dort heute So-
zialdemokraten. Ich werde sie nicht na-
mentlich nennen. Ich will ihnen ja nicht
schaden.

Die Sozialdemokratie befindet sich
im freien Fall, nicht nur in Deutsch-
land. Die Volksparteien insgesamt
stecken in einer schweren Krise. Be-
sorgt Sie das?
Ja. Die SPD hat nicht in erster Linie ein
Personalproblem. Die Linke weltweit
fffragt sich, für wen sie kämpfen soll, wenragt sich, für wen sie kämpfen soll, wen
sie repräsentiert. Die Arbeiterklasse?
Einzelne Gruppen, Minderheiten? Für
wen sind wir zuständig? Manche sehnen

sich zurück nach alten, vertrauten Re-
zepten, nach Klassenkampf. Ich bezweif-
le, dass das funktionieren wird und
mehrheitsfähig ist.

Diese Sehnsucht nach Beheimatung
und einfachen Lösungen existiert of-
fenbar auch auf der rechten Seite des
Spektrums.
Ja, da treffen zwei Arten von politischer
Heimatlosigkeit aufeinander. Das macht
die Lage natürlich noch unübersichtli-
cher. Daraus berechenbare Politik zu
machen ist nicht leicht.

Die AfD bezieht sich in ihren politi-
schen Kampagnen in Ostdeutschland
sehr erfolgreich auf 1989. „Vollende
die Wende“, heißt es da. Auf welche
Heimat zielt das denn?
TTTja, was genau will die AfD da vollenden?ja, was genau will die AfD da vollenden?
Mehr Demokratie, mehr Recht, mehr
Europa, mehr Wohlstand, mehr Mei-
nungsfreiheit? Das haben wir 1989 gefor-
dert. Bei der AfD kann ich das alles nicht
erkennen. Die Übernahme des Slogans
„„„Wir sind das Volk“ ist lächerlich. WirWir sind das Volk“ ist lächerlich. Wir
haben diesen Slogan gerufen, weil die
SED nicht legitimiert war von uns Bür-

gern. Die Regierungen heute, ob im Bund
oder in den Ländern, sind von der Mehr-
heit des Volkes gewählt worden, haben
also ein demokratisches Mandat. Außer-
dem: Die AfD hat nirgendwo eine Regie-
rungsmehrheit. Sie behaupten trotzdem,
aaaus der Minderheit heraus einen Volks-us der Minderheit heraus einen Volks-
willen zu vertreten. Diese Anmaßung
muss man zurückweisen.
Mit diesem Komplex haben Sie sich
aaauch in Ihrem neuen Buch beschäftigt.uch in Ihrem neuen Buch beschäftigt.
Der Titel lautet „Toleranz – einfach
schwer“. Sie werben darin um mehr
gegenseitiges Verständnis, auch nach
rechts.
Bei der Arbeit am Buch bin ich auf seriö-
se Studien gestoßen, die zu dem Ergeb-
nis kommen, dass etwa ein Drittel der
Bevölkerung Europas eine autoritäre
Disposition hat. Damit ist eine konserva-
tive Grundeinstellung gemeint, die
meint: Sicherheit ist wichtiger als Frei-

heit, Tradition ist wichtiger als Innovati-
on, das Festhalten an alten Ordnungen
und Hierarchien hat Vorrang vor dem
AAAufbruch in ein unbekanntes Neues. Inufbruch in ein unbekanntes Neues. In
den USA sind das sogar 44 Prozent. Die-
ses politisch-psychologische Profil ist
kein dem Menschen innewohnendes
Übel, was unbedingt aberzogen werden
muss. Das ist zunächst einfach etwas
grundsätzlich Konservatives – der
WWWunsch, dass ich mein Leben in vertrau-unsch, dass ich mein Leben in vertrau-
ten, sicheren Bahnen leben kann. Das
darf man nicht als rechts im Sinne von
rechtsradikal denunzieren. Erst Verfas-
sungsfeinden, Menschen, die offen völki-
sche und rassistische Vorstellungen ver-
treten, muss man am Ende auch die Här-
te des Staates zeigen. Aber vor dieser In-
toleranz gegenüber den Intoleranten
kommt der Streit, die kämpferische To-
leranz. Die Wahlerfolge der AfD will ich
nicht anstaunen. Sondern mit besseren
Argumenten kontern. Das nenne ich
kämpferische Toleranz. Politische Feind-
schaft führt da in eine Sackgasse. Wenn
wir unsere Milieus nur aufrüsten wie ei-
ne Wagenburg, ist Verständigung mit
Protestwählern oder schon mit Konser-
vativen irgendwann unmöglich. Davor
warne ich.

Die politische Polarisierung der ver-
gangenen Jahre in Deutschland hat
auch mit der Masseneinwanderung
von 2015 zu tun. Sie waren damals als
Bundespräsident im Amt. Blicken Sie
heute anders auf die Ereignisse dieses
Herbstes als vor vier Jahren?
Nein. Ich hatte und habe Verständnis da-
fffür, dass man Österreich und Ungarn inür, dass man Österreich und Ungarn in
dieser Drucksituation helfen musste. Je-
de deutsche Regierung hätte helfen müs-
sen. Aber die Frage, wie dies von staatli-
cher Seite kommuniziert wurde und sich
staatliches Handeln anschließend dar-
stellte, konnte und kann man kritisieren.
Nicht jeder Kritiker, der der Regierung
Handlungsunfähigkeit vorgehalten hat-
te, war ein Spinner oder Reaktionär. Da-
nach wurde ja auch umgesteuert. Aber
viele dachten, alles geht in einer Weise
weiter, die die Gesellschaft überfordern
könnte.

Sie haben damals gesagt: Unser Herz
ist weit, aber unsere Möglichkeiten
sind endlich.
Das war ein Appell an die Mitte der Ge-
sellschaft, ein Appell an die Vernunft.
Zuwanderung bedeutet große Bereiche-
rung, aber man darf nicht so tun, als ob
damit nicht auch große Probleme ver-
bunden sind. Wir müssen beide Diskus-
sionen führen, und zwar in der Mitte der
Gesellschaft, und dürfen nicht auf den
Problemteil verzichten, weil wir Angst
haben, es könnte der falschen Seite in die
Hände spielen. Der Verzicht auf Debatte
behebt kein Problem, im Gegenteil. Das
gilt heute wie vor vier Jahren.

„Das nenne ich


kämpferische


TTToleranz“oleranz“


Altbundespräsident Gauck sieht in der


„Intoleranz gegen Intolerante“ Gefahren:


Verständigung mit Protestwählern werde


dadurch irgendwann unmöglich


JJJoachim Gauck in seinem Bürooachim Gauck in seinem Büro

FRÉDÉRIC SCHWILDEN

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