Berliner Zeitung - 09.11.2019

(Joyce) #1

Zeitenwende


Berliner Zeitung·Nummer 261·9./10. November 2019 (^19) ·························································································································································································································································································
ZumVergleich:Derdurchschnittliche
Deutschekauftrund60Textilienpro
Jahr.
ZVIERIEVA:Esi stjaauchsehrin-
teressant,dasswirmeistensvölligin-
takte Klamotten finden, das sind
keineSachen,dieweggeworfenwer-
den, weil sie kaputt sind, sondern
Dinge,die man wirklichverschen-
ken kann.Dassind die Produkte ei-
ner Überflussgesellschaft, die wir
finden. Wirbrauchen nicht noch
mehrOberbekleidung.Ichsammele
zumBeispielauchDinge,diekaputt
sind und reparier esie undver-
schenkesiedannweiter.Dasistauch
eine Form des Respekts gegenüber
den Menschen, die diese Kleidung
entworfenundproduzierthaben.
PAPP:Esgehtunsumbewussten
Konsum. Jeder sollte sich dieFrage
stellen, ob er eine bestimmteSache
wirklich braucht. Es geht uns nicht
umsSammelnundBesitzen.
Dasist aber zeitintensiv.Nicht alle
MenschenhabendieseZeit.
PAPP: Dasist uns klar,ein Be-
wusstseindafürzuschaffen,istaber
trotzdemwichtig.
ZVIERIEVA:ObicheineHosebei
DioroderH&Mkaufe,spieltbeider
Produktion letztlich eine unterge-
ordnete Rolle:Für JeansbeiderMar-
ken werden unabhängigvoneinan-
der mehreretausend LiterWasser
benötigt. Für ein einzigesPaar.Da
binichnatürlichmiteinerJeansaus
dem Secondhand-Laden nachhalti-
ger.Die wurde ja schon nicht extra
vondiesem Laden produziert.Das
ist natürlich noch nicht ideal, aber
unsererMeinung nach schon die
bessereVariantedesKonsums.
Herr Michalsky,was sagenSieals
Designer,alsProduzent vonKleidung
dazu?
MICHALSKY:Ichhabe michvor
vier Jahren bewusst dafür entschie-
den,keineReady-to-wear,alsokeine
Konfektionsbekleidungmehrzuma-
chen, weil ich fand, dass derAblauf
der Kollektionen viel zu schnell ge-
worden ist.Dasist ja eineBranche,
die einen immer schnellerenTakt
vorg ibt: MitzweiKollektionen im
JahrbrauchenSieesg arnichtmehr
zu versuchen.Mittlerweile sind vier
proJahrder Standard,unddareden
wirnochgarnichtvondenDiscoun-
tern, die mittlerweile ihr Sortiment
imRhythmusvonzweiWochenüber
den Haufen werfen. Undauch das
giltinzwischenschonalslangsam.
Undalldem wolltenSiesich entzie-
hen?
MICHALSKY:Wasich heute ma-
che,ist ein radikaler Gegenentwurf
zurFastFashion:HauteCouture.Ich
kannmeineIdeendamitbesserver-
wirklichenundichkannalleProduk-
tionswegeimBlickbehalten.DasEr-
gebnisistauchvonvielhöhererQua-
lität. Diese Idee zu verwirklichen,
war ein steiniger Weg, denn ich
musstemirersteinmaleinNetzwerk
vonHandwerkernaufbauen, denen
ich vertrauen kann und die die nö-
tigeQualitätbieten.Alles,wasunter
demLabel„AtelierMichalsky“läuft,
wirdinB erlinproduziert.
ZVIERIEVA:AberSiehabendoch
auch andereLinien neben Ihrer
Arbeit alsCouturier .Sie verkaufen
Sonnenbrillen,Taschen, Sofas,alles
bis hin zumDuschgel. Es ist also
nichtso ,dassSienichtvielproduzie-
renwürden. Dasist keineSlow Fa-
shion.
MICHALSKY:Ichtuedasganzbe-
wusst,dennichwill,dassmeineÄs-
thetikzueinerArtLifestylewird.Je-
derbrauchteinDuschgel,undwenn
ichmireinenPartnerfürdieProduk-
tion vonDuschgel suche,oder eine
Firmafüreine Kooperationanmich
herantritt,dannachteichsehrgenau
darauf, dass dasrenommierte Häu-
sersind,Firmen,beidenendiePro-
duktionswege transparent sind und
gutnachzuverfolgen.
PAPP: Siehaben gesagt,Siever-
kaufen Lifestyle.Was ist dieBot-
schaftdahinter?
MICHALSKY:DieBotschaft hin-
termeinemLifestyleist,dassicheine
bestimmte Ästhetik habe und einen
bestimmtenStil.
PAPP: Auch einen bestimmten
Lebensstil?
MICHALSKY:Ja,auch einen be-
stimmtenLebensstil.Deristsehrur-
ban,sehrweltoffen,deristanTrends
interessiert, aber an langlebigen,
und anQualität. Mein Lifestyle ist
jetztnicht,denLeutenhundertBril-
len zu verk aufen, sonderndie eine
richtigeLesebrille,mitderdieLeute
wirklich glücklich sind, und viel-
leichtdierichtigeSonnenbrille.
ZVIERIEVA: Es gibt heutzutage
auf Instagram viele Leute mitTau-
senden Followern,die verk aufen ei-
nen ganzen Lifestyle.Die,die ihnen
folgen, wollen so leben wie die,mit
soeinemSofa,mitsoeinerBrille.
MICHALSKY:Ichglaube,das hat
damit zu tun, dass sich unsereGe-
sellschaft soveränderthat, dass es
found_on_the_street
... ist ein Instagram-Blog zum
ThemaSlowFashion.Modealso,
diesichherkömmlichenProduk-
tionsweisenundderMassenkon-
fektionentgegenstellt.Getragen
werdendarf,wasgefällt,nur
selbst gekauft worden darf es
nicht sein–schick ist,wasman
in Berlin auf der Straße findet.
... hat 16 000Follower und wird
von KarinaPapp (l.) und Anna
Vladi betrieben; Nika Zvierieva
(r.) hat viele derFotos des Blogs
gemacht.
... setzt auf das Credo: „Mehr
neue Klamotten brauchtkein
Mensch.“KarinaPapp, 31,gebo-
renin Lettland,ist Übersetzerin
undseit 2013 in Berlin. Nika
Zvierieva wurdein Kiewgeboren,
ist Kulturwissenschaftlerinund
Modedesignerinundseit 2014 in
Berlin.
VERKAUFSOFFENER
SONNTAG
MORGEN
10.NOVEMBER
13–18UHR
Wirfeiern30Jahre Mauerfall –unter anderemmit einem
verkaufsoffenenSonntag im KaDeWe,das gewissermaßendas
Kaufhaus derBerlinerist.FreuenSie sich über ei nenVorteil
vonzehnProzent aufviele Marken.
10%
kadewe.de
Nachlässe sind nichtmit anderenVorteilsaktionen kombinierbar. Eine
Listeder nichtteilnehmenden Marken finden Sie aufkadewe.deund bei
unsimHaus. DerNachlassgiltnicht fürVerlagser zeugnisse, Restaurants,
BarsundFood,Tabakwaren, DienstleistungenundGutscheine.

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