Der Tagesspiegel - 09.11.2019

(Darren Dugan) #1
WIRTSCHAFT & BÖRSEN ........... 9–
Der Dax hat seinen
Höhenflug der letzten
Wochen gestoppt.
Der Leitindex schloss
bei 13228 Punkten.

Wer bezahlt’s? Angehörige von Pflegebedürftigen werden entlastet – Seite 2


WETTER ............................................ 2
Das Wochenende beginnt
grau in grau mit viel Regen.
Der lässt später nach,
die Sonne hat aber kaum Chancen.
Der Sonntag und der Wochenbeginn
werden sonniger und etwas kühler.

SPORT ....................................... 22 – 24
TAGESTIPPS ..................................... 30
MEDIEN/TV-PROGRAMM .................. 31
IMPRESSUM & ADRESSEN ................. 4
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Dax

D


asoffizielle Motto der Feierlichkei-
ten zum 30. Jahrestag des Mauer-
falls ist insofern vielsagend, als es
nichts weiter als die dürren Fakten bietet.
„30 Jahre Friedliche Revolution – Mauer-
fall“. Nur das, nichts weiter. Keine Deu-
tung, keine These, kein Appell.
Das passt stimmungsmäßig sicher zu
dem Jahr, in das dieses Jubiläum fällt, mit
drei AfD-Boom-Landtagswahlen im Os-
ten, der Treuhanddebatte, der neu-alten
Bürger-zweiter-Klasse-Rhetorik. Was
soll man da Umarm-Pathos plakatieren?
Die Einheitsfeier vor fünf Wochen
hatte ein Motto: „Mut verbindet“. Hätte
das nicht besser zur Mauerfall-Feier als
zumdrögen Verwaltungsakt von 1990ge-
passt? Einerseits ja. Andererseits ist es
auch gut, dass es so nicht gekommen ist.
Denn„Mutverbindet“ klingtzwar gut. Ist
aber vermutlich falsch.
Mut verbindet nicht, vor allem trennt
er. Er trennt die Mutigen von den Nicht-
Mutigen, die in der Regel einen Schritt
zurücktreten – ob aus Ehrfurcht, aus Ver-
blüffung oder aus Neid. In diesem Jahr
kam die Debatteauf,werdamals die Revo-
lution getragen habe. Die DDR-Bürger in
ihrer Masse oder nur ein paar und später
ein paar mehr, während die Mehrheit ab-
gewartet hat und erst losrannte und
„Wahnsinn!“ rief, als die heiklen Situatio-
nen entschieden waren? Die Antwort
könnte fies zwicken. Die Mutfrage stellt
sich aber nicht nur im Osten quer. Sie
klafft auch zwischen Ost und West. Bun-
deskanzlerin Angela Merkel hat im „Spie-
gel“ darauf hingewiesen, dass die West-
deutschen auch nicht alles „Mutbolzen“
gewesen seien. Manche hätten schon ge-
kniffen, wenn sie ein Buch in den Osten
hätten schmuggeln sollen.
Jedes Mal also, wenn der Mut der Ost-
deutschen, die damals die Situation her-
beiführten, die im Mauerfall endete, er-
wähnt, gewürdigt, bewundert wird, kön-
nen sich auch die Westler an das erinnert
fühlen, was sie sich nicht getraut haben,
als die Mauer noch stand, was sie nicht
riskieren mussten, als sie vor 30 Jahren
die Geschehnisse vom Fernsehsessel aus
verfolgt haben. Ostdeutsche flüchteten
damals nach Ungarn. Demonstrierten.
Begehrten auf. Taten etwas. Und riskier-
ten einiges. Das mag nicht allen, die da-
mals daran beteiligt waren, mutig vorge-
kommen sein – aber das war es.
Der Mut der einen ist zum Fragezei-
chen der anderen geworden: Wo war
mein Mut, hätte ich mich getraut? Man
kann davon ausgehen, dass es in Ost und
West viele persönliche Mut-Niederlagen
gibt: peinliche Momente, die man gern
vergessen würde, und die einen jedes
Mal leise beschämen, wenn von Mut die
Rede ist. Aber so muss das nicht bleiben.
Die Wissenschaft weiß heute, dass es zur
Tugend Mut messbare Veranlagungen
gibt.Es ist kein Charakterfehler, nichtmu-
tigzu sein. Esist kein Grund,sich zu schä-
men,und auchkein Grund,sich denMuti-
gen unterlegen zu fühlen.
Man kann den Mut der Anderen besser
anerkennen und feiern, wenn man seine
eigene Haltung dazu geklärt hat. Wenn
man sagen kann: Ich glaube, ich hätte das
nicht gekonnt, umso mehr danke ich
euch, dass ihr euch getraut habt.
Inden vielen Redenzum Mauerfalljubi-
läumstagwird inErinnerung an diewahr-
haft historischen Stunden vor inzwi-
schen 30 Jahren von Mut vermutlich wie-
der oft die Rede sein. Wäre doch schön,
wenn das Zwicken, dass das Wort bei den
anderenauslöst, ab heutestattzum verun-
sicherten Schritt zurück zum selbstbe-
wussten Schritt aufeinander zu führte.

ISSN 1865-

CDINDEX


Grüße aus dem Jenseits:


Leonard Cohen trifft im Kino


seine große Liebe – Seite 25


Nur


Mut


Berlin- Der Brandenburger AfD-Landes-
chef Andreas Kalbitz soll Mitglied in ei-
ner der einflussreichsten Neonazi-Orga-
nisationen gewesen sein. Wie der „Spie-
gel“ berichtet soll Kalbitz in seiner Zeit
als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr
im Jahr 2001 mehrmals vom Militäri-
schen Abschirmdienst wegen extremisti-
scher Bestrebungen überprüft worden
sein. Dabei soll er auch seine jahrelange
Mitgliedschaft bei der „Jungen Landes-
mannschaft Ostpreußen“ (JLO) zugege-
ben haben, die damals vom Verfassungs-
schutzbeobachtetwurde.In seiner Perso-
nalakte soll auch ein MAD-Vermerk ge-
landet sein. Dennoch durfte er seinen
Dienst 2005 regulär beenden. Kalbitz,
der auch im Bundesvorstand der AfD
sitzt, hat stets bestritten, eine rechtsex-
treme Biografie zu haben. axf

— Seite 20

Uli Hoeneß tritt ab:


Was heißt das für


den FC Bayern? –Seite 3


30 Jahre nach dem Mauerfall
fragt der Tagesspiegel
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30 Jahre Mauerfall


Berlin-Der ehemalige Erste Bürgermeis-
ter in Hamburg, Ole von Beust (CDU),
willder BerlinerCDU helfen,hauptstadt-
tauglich zu werden. Die Hauptstadtunion
habe ein „schwieriges Image“, sagte von
BeustimInterviewmitdemTagesspiegel.
Die CDU müsse Themen aufgreifen, die
ihr die Menschen nicht zutrauen würden:
„Beispielsweise, bei aller Fixierung auf
den Autoverkehr, in einigen Bereichen
eineautofreieStadteinzurichten.“DieZei-
ten, in denen die CDU „Autofahrer-Par-
tei“seinsollte,seienvorbei.VonBeustbe-
rätdieBerlinerCDUehrenamtlichbeider
Gestaltung ihres nächsten Wahlpro-
gramms. Dafür will er mit der CDU-Lan-
desspitze gemeinsam ein eigenes Leitbild
fürdieStadtentwerfen.EineSpitzenkandi-
datur zur Abgeordnetenhauswahl 2021
schloss vonBeust fürsich aus. rori


— Seite 14

Bremen- Nur neun Tage nach der illega-
len Wiedereinreise des im Juli abgescho-
benen Bremer Clan-Mitglieds Ibrahim
MirihatdasBundesamtfürMigrationund
Flüchtlinge (Bamf) seinen Asylantrag am
Freitag als „offensichtlich unbegründet“
abgelehnt.DasteiltenBundesinnenminis-
terHorstSeehofer(CSU)inBerlinundMi-
ris Anwalt Albert Timmer in Bremen mit.
Timmer kündigte an, gegen die Entschei-
dung zu klagen. Das Bamf drohte dem
46-Jährigen die neuerliche Abschiebung
an. Seehofer sagte, die schnelle und rich-
tige Entscheidung zeige, dass der Rechts-
staat handlungsfähig sei: „Wir werden
auchinder Zukunftallestun, damitunser
Asylsystem nicht von Kriminellen miss-
brauchtwerden kann.“
Der mehrfach vorbestrafte Ibrahim
Miri, der zu einem teilweise kriminell ge-
wordenen kurdisch-libanesischen Clan
gehört,warimJuliausBremenindenLiba-
nonabgeschobenworden,aberam30.Ok-
toberillegalzurückgekehrt,umAsylzube-

antragen. Sein Anwalt erklärte, im Liba-
nonseierausKreisenderHisbollah-Mili-
zen wegen eines alten „Blutrachekon-
flikts“ mit dem Tod bedroht worden. Die
geplante Klage gegen die Ablehnung hat
bei einem „offensichtlich unbegründe-
ten“AsylantragkeineaufschiebendeWir-
kung. Deshalb versucht Timmer zusätz-
lich, per Eilantrag beim Verwaltungsge-
richt zu verhindern, dass Miri vor einem
Asylurteilabgeschoben wird.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer
(SPD) regte an, über eine Einschränkung
desAsylrechtsnachzudenken.FürStraftä-
terdiesesKaliberssollteesnichtmehrer-
laubtsein,nach einer Ausweisungund ei-
ner illegalen Rückkehr ein Asylverfahren
zu durchlaufen. Dass Miri sich inzwi-
schen gebessert haben soll, „kann ich
kaum nachvollziehen“, sagte der Senator.
ErstamDonnerstagseieninderWohnung
des derzeitigen Abschiebehäftlings und
seiner Mutter etliche Patronen des Kali-
bers 45Magnum gefunden worden. stg

Abgashauptstadt mit


Klimakonferenz: Madrid


plant den Gipfel –Seite 10


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Berlin- 30 Jahre nach dem Mauerfall hat
US-Außenminister Mike Pompeo vor
der Gefahr eines neuen Kalten Krieges
gewarnt. „Russland – angeführt von ei-
nem ehemaligen KGB-Offizier – mar-
schiert in seine Nachbarländer ein und
erschlägt seine politischen Gegner“,
sagte Pompeo in einer Rede bei der
Körber-Stiftung in Berlin. China warf er
vor, eine „neue Vision des Autoritaris-
mus“zu verwirklichen.
Bundespräsident Frank-Walter Stein-
meier rief angesichts der überall wach-
senden Polarisierung zu einem neuen
demokratischen Aufbruch in Deutsch-
land auf. Er erwarte „von der schwei-
genden Mehrheit (...) endlich laut zu
werden und Position zu beziehen“,
sagte er dem Tagesspiegel.


Pompeo verglich bei seinem Besuch in
Deutschland dieSituationfür dieOpposi-
tion in Russland und China mit jener in
der ehemaligen DDR. Er bekräftigte die
Kritik am Festhalten der Bundesregie-
rung an der Ostsee-Gaspipeline Nord
Stream II. „Wir wollen nicht, dass die eu-
ropäische Energieversorgung von Putins
Willkür abhängt.“ Der US-Außenminis-
ter wandte sich gegen eine Beteiligung
des chinesischen Huawei-Konzerns am
Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland.
Selbst der Chef des Bundesnachrichten-
dienstes,BrunoKahl, habevordem Tech-
nologiekonzern gewarnt, sagte er.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist
trotz der Warnungen vor einer Beteili-
gung von Huawei am Aufbau des neuen
deutschen Hochleistungs-Datennetzes
gegen einen Ausschluss des chinesischen
Telekom-Ausrüsters. Für die Bundesre-

gierung seien die Anforderungen an die
beteiligten Unternehmen sowie deren
Überprüfbarkeit wichtig, sagte Merkel
nach einem Treffen mit der künftigen
EU-Kommissionschefin Ursula von der
Leyen. Klar sei aber, „dass wir jetzt für
den 5G-Ausbau die Sicherheitsanforde-
rungen noch einmal deutlich verschärfen
müssen“, betonte die Kanzlerin.
Pompeo hatte Deutschland zuvor auf-
gerufen, sich zusammen mit den USA ge-
gen autoritäre Systeme wie Russland und
Chinazu stellen. Huawei steht bei US-Be-
hörden unter Verdacht, seine Tätigkeit
zur Spionage für China zu nutzen Die
US-Regierung hat Huawei auf eine
schwarze Liste gesetzt.
Berlin gedenkt mit zahlreichen Veran-
staltungen des Mauerfalls am 9. Novem-
ber1989. Merkel,Steinmeierund die Prä-
sidenten Polens, der Slowakei, Tsche-

chiens und Ungarns werden an der Ge-
denkstätte Berliner Mauer am Samstag-
morgen an die Öffnung der Mauer und
den Beitrag der ost- und mitteleuropäi-
schen Länder bei der friedlichen Revolu-
tion in der DDR erinnern. Steinmeier rief
dazu auf, wieder mehr konstruktiv zu

streiten und das Gespräch zu suchen:
„Ich habe selbst oft erlebt, dass sich,
wenn Menschen einander Auge in Auge
gegenübersitzen,dieKommunikation ver-
ändert und die Bereitschaft zum Zuhören
entsteht“, sagte er dem Tagesspiegel.

„Was die Runden Tische der friedlichen
Revolution so besonders gemacht hat,
war das pragmatische, auf Verständigung
ausgerichtete Ringen um die gemein-
sameZukunft.“ Zugleichwarnte ervor ei-
ner zunehmenden DDR-Nostalgie bei
der jungen Generation. Er rief zu schar-
fen Grenzziehungen gegen die Feinde
der Demokratie auf. „Es macht mich
fassungslos, nach Verbrechen wie der
Ermordung von Walter Lübcke oder
dem Anschlag in Halle, bei einigen
klammheimliche Freude zu sehen.“ Wer
für Mord und Gewalt auch nur einen
Funken von Verständnis aufbringe, „der
macht sich mitschuldig.“ Kritik, er
dringe in Zeiten von Lautsprechern wie
Donald Trump zu wenig durch, wies er
zurück: „Die Welt wird nicht besser,
wenn jetzt alle auf demselben Kanal
zum Lautsprecher werden.“

Von Ariane Bemmer

HEUTE: Mit
Immobilienma
und rkt
Stellen-
angeboten

Kalbitz war


offenbar Mitglied


in Neonazi-Verein


Foto: imago

8/

Foto: akg-images

Wovon


träumst Du?


Von Georg Ismar und Ingrid Müller

Pompeo beschwört Pakt gegen Russland und China


US-Außenminister sieht neue Frontstellung – Bundespräsident fordert zum Mauerfall-Jubiläum mehr Streit und gelebte Demokratie


Beust rät Berliner


CDU: Nicht auf


Autofahrer fixieren


Libanesisches Clan-Mitglied


soll wieder abgeschoben werden


„Die Europäische
Energieversorgung darf nicht
von Putins Willkür abhängen“

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