Süddeutsche Zeitung - 12.11.2019

(Tuis.) #1
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F


ernseher an, Chipstüte auf. So oder
ähnlich liefen die Vorbereitungen für
Fernsehabende früher. Wer heute
Filme und Serien sehen will, muss besser
vorbereitet sein: Zusätzlich zum klassi-
schen Programm wächst das Streamingan-
gebot rasant. Neben den großen Portalen
Netflix, Sky und Amazon hat vergangene
Woche auch Apple einen neuen Dienst ge-
startet, ab Dienstag mischt Disney den
Markt auf. Noch mehr Produktionen, noch
mehr Abos. Auf diese Weise ist unter den
Anbietern ein harter Konkurrenzkampf
entbrannt, mit Folgen für die Produzen-
ten, das Publikum und die Inhalte.

Der Wettkampf
um die Macht

Für die Umbrüche, die gerade in der ameri-
kanischen Unterhaltungsindustrie passie-
ren, haben US-Medien einen drastischen
Begriff gefunden: Krieg. Die „Streaming
Wars“ sind das bestimmende Thema in
Hollywood. Grund dafür ist der US-Start
des Streamingdienstes Disney Plus am


  1. November. Damit steigt das mächtigste
    Filmstudio der Welt in den Kampf um die
    Vorherrschaft auf dem Streamingmarkt
    ein. Und wer diesen Markt beherrscht, do-
    miniert künftig die Unterhaltungsindus-
    trie. Größere Konkurrenten wie Netflix
    und Amazon, aber auch kleinere Anbieter
    wie Apple, Hulu oder Youtube stecken gro-
    ße Summen in eigene Programme. Der
    Kampf um die besten Filme- und Serien-
    macher war noch nie so gnadenlos und teu-
    er wie 2019.


Der Favorit


Disney zieht als großer Favorit in die Enter-
tainmentschlacht, denn dem Konzern ge-
hören die derzeit wertvollsten Marken im
Kino- und TV-Geschäft. Das Animations-
studio Pixar, der Comic-Verlag Marvel, die
Star Wars-Schmiede Lucasfilm – alles in
Disney-Besitz. Dazu kommt das reiche Ar-
chiv an Trickfiguren von Micky über Do-
nald bis zu Arielle und Eiskönigin. Außer-
dem hat Disney schon in der Planungspha-
se seines Streamingdienstes für stolze 71
Milliarden Dollar Teile des Medienunter-
nehmens 21st Century Fox übernommen
und damit die Rechte an prestigeträchti-
gen Marken wie denSimpsonsoder der
Avatar-Filmreihe. Zum Start von Disney
Plus wirbt das Unternehmen zudem mit ex-
tra für den Streamingdienst produzierten
Programmen wie derStar Wars-SerieThe
Mandalorianund dem Realfilm-Remake
des TrickfilmklassikersSusi & Strolch.

Die Ausweitung
der Kampfzone

Natürlich möchte der Konzern mittelfris-
tig auf der ganzen Welt vertreten sein und
in den nächsten Jahren kräftig expandie-
ren. Ab Dienstag steht aber erst mal die Er-
oberung der USA auf dem Programm – mit
einer kleinen Ausnahme: Eine Betaversion
wird bereits seit einigen Wochen in den Nie-
derlanden getestet. In Westeuropa geht es
dann im Frühjahr 2020 weiter – am 31.
März startet Disney Plus auch in England,
Spanien, Frankreich, Italien und Deutsch-
land. Das Angebot wird von Land zu Land
leicht abweichen. Zum Start sollen in Euro-
pa über 500 Filme und 7500 Serienepiso-
den verfügbar sein. Die Filmothek soll laut
Disney-Chef Bob Iger bis 2025 auf 620 Fil-
me und 10 000 Serienfolgen anwachsen.

Die Kampfpreise


In den USA vorerst 6,99 Dollar, 6,99 Euro
in den Niederlanden. Zum Vergleich: Ein

neues Netflix-Abo kostet 8,99 Dollar bzw.
Euro. Der günstige Preis von Disney Plus
könnte sich noch ändern, zunächst einmal
soll es sich um einen Einführungspreis han-
deln, sagt Disney-Finanzchefin Christine
McCarthy. Die Gebühren für Deutschland
sind noch nicht bekannt gegeben.

Revolution in Hollywood


Lange gab es in Hollywood nur eine Hand-
voll entscheidende Unternehmen in der En-
tertainmentwelt, die sogenannten Major
Studios: Disney/Fox, Warner, Universal, So-
ny und Paramount. Ihr Geld verdienten sie
mit Kinofilmen und TV-Sendungen, die sie
selbst vermarkteten oder verkauften. Ein
System, das fast ein Jahrhundert lang Be-
stand hatte. Zunächst hatten darauf auch
Streamingdienste wenig Einfluss. Aber als
die Newcomer anfingen, selbst zu produ-
zieren, verwandelten Netflix und Amazon
sich von Kunden in Konkurrenten. Wäh-
rend etwa Netflix 2013 mit nur einer selbst-
produzierten Serie startete, sind es 2019
schon 144. Deshalb beschlossen einige der
großen Hollywood-Studios, eigene Strea-
mingportale zu gründen. Neben Disney
wird zum Beispiel Warner im Mai 2020
HBO Max auf den Markt bringen, eine
Streaming-Erweiterung des hauseigenen
Pay-TV-Senders HBO, der mit Serien wie
Game of Thronesviel Erfolg hat. Auch die
Tech-Firma Apple ist bereits Anfang No-
vember mit Apple TV und einer Handvoll
Eigenproduktionen wieThe Morning Show
mit Reese Witherspoon und Jennifer Anis-
ton an den Start gegangen. Hinzu kommen
noch diverse kleinere und größere Online-
Portale von Youtube über Hulu bis Mubi,
die sich ebenfalls an einem Mix aus Filmar-
chiv und Eigenproduktionen versuchen.

Disney vs. Netflix


Um beurteilen zu können, wer sich in die-
sem unübersichtlichen Kampf durchset-
zen wird, muss man sich die unterschiedli-
chen Zielsetzungen der Unternehmen anse-
hen. Die wichtigste Kampflinie verläuft de-
finitiv zwischen Disney und Netflix, weil
beide in erster Linie mit Entertainment ihr
Geld verdienen. Disney hat den Vorteil,
dass fast alle Filme und Serien auch als
Merchandising-Produkte erfolgreich sind.
Dafür produziert Netflix, im Gegensatz zu
Disney, auch Filme ohne Fabelwesen in Su-
perheldencapes und hat deshalb einen klei-
nen Vorteil bei der Akquise berühmter Re-
gisseure. Große Namen wie Steven Soder-
bergh, Martin Scorsese und Alfonso Cua-
rón haben mittlerweile Schwierigkeiten,
im normalen Studiobetrieb Filme finan-
ziert zu bekommen, wollen aber auch nicht
nur Kinderunterhaltung machen. Deshalb
zieht es sie zu Netflix. Und wer Filmema-
cher wie Scorsese unter Vertrag hat, der
liegt in der Regel auch bei den Oscars vorn.
Eine der spannendsten Fragen lautet nun
also, ob Disney und Netflix einander Abon-
nenten wegnehmen werden, oder ob beide
koexistieren können. Netflix hat sich mit
nach eigenen Angaben 158 Millionen Mit-
gliedern in 190 Ländern freilich schon ei-
nen kräftigen Vorsprung verschafft.

Amazon vs. Apple


Etwas anders verhält es sich mit Amazon
und Apple. Beide Unternehmen verkaufen
nicht originär Unterhaltung, sondern wol-
len eigenproduzierte Filme und Serien als
Werbung nutzen, um andere Produkte wie
Bücher oder Handys zu verkaufen. Bei
Apple macht sich das nicht zuletzt dadurch
bemerkbar, dass der Stream von Apple TV
auf Apple-Geräten besser läuft als auf
Fremdprodukten. Und über die Geräte hat

Apple auch direkten Zugang zu Millionen
Nutzern – einfach, weil iPhone- und iPad-
Besitzern die Apple-TV-App ungefragt
aufs Handy gesetzt wird. Amazon rechnet
den Erfolg seiner Eigenproduktionen
nicht in Zuschauerzahlen, sondern in Pri-
me-Abos, die eine Sendung generiert. Eine
Serie oder ein Film ist also erfolgreich,
wenn sie oder er viele Prime-Kunden gene-
riert, die nach dem Anschauen noch Bü-
cher und Klopapier bestellen. Besonders of-
fensichtlich wird diese Strategie bei einer
für 2020 angekündigten Modeshow mit
Heidi Klum: Da können die Klamotten aus
der Sendung direkt gekauft werden. Über
Amazon natürlich.

Das Milliarden-Wettrüsten


Streaming ist ein gigantischer Wirtschafts-
zweig geworden. Netflix nimmt für Eigen-
produktionen und Filmeinkäufe am meis-
ten Geld in die Hand. Die Ausgaben für Fil-
me und Serien sollen allein für 2019 laut
Schätzungen desObserverbei unglaubli-
chen 15 Milliarden Dollar liegen. Amazon
und Apple investieren beide ungefähr
sechs Milliarden. Bei Disney sollen es laut
Observer nur etwa 2,5 Milliarden Dollar
sein; was aber daran liegt, dass in diesem
Budget die Kinofilme, die ebenfalls auf Dis-
ney Plus landen werden, nicht mitgerech-
net sind – und all die Milliarden, die Dis-
ney bereits für Pixar, Marvel, Fox und Co.
bezahlt hat, natürlich auch nicht.

Fluch und Segen für
die Zuschauer

Freuen können sich über die aktuelle Ent-
wicklung vor allem die Filmemacher, denn
Regisseure, Kameraleute, Beleuchter ha-
ben derzeit so viele Jobmöglichkeiten wie
nie. Freuen können sich auf den ersten
Blick auch die Verbraucher, weil es mehr
Auswahlmöglichkeiten gibt denn je. Ge-
nau dieser Segen könnte sich aber auch als
Fluch entpuppen, für Anbieter und Abon-

nenten gleichermaßen. Es ist ja jetzt schon
unmöglich, alle Sendungen zu verfolgen,
weil es viel zu viele sind, verteilt auf mehre-
re Anbieter. Deshalb stellt sich die Frage,
wie viel Geld Kunden künftig für Strea-
mingdienste auszugeben bereit sein wer-
den und wann eine Grenze erreicht ist. Und
selbst den Zuschauern, die nicht aufs Geld
schauen, könnte es bald auf die Nerven ge-
hen, mit vier, fünf, sechs verschiedenen
Passwörtern zwischen den Anbietern hin
und her zu wechseln. Weshalb langfristig
jemand auf die Idee kommen könnte, ei-
nen Metadienst zum Paketpreis anzubie-
ten, auf dem man alle wichtigen Dienste
findet. Ob sich die Konkurrenten darauf ei-
nigen können, ist bislang fraglich.

Die deutschen Player


Immer wieder hieß es von deutschen An-
bietern, sie seien angetreten, um Netflix
und Amazon Konkurrenz zu machen, von
den Mediatheken der Öffentlich-Rechtli-
chen bis zu Streamingdiensten der priva-
ten Sender wie Maxdome. Geht das über-
haupt? Maxdome jedenfalls wird es in sei-
ner bisherigen Form bald nicht mehr ge-
ben: Der Dienst geht in der größeren Platt-
form Joyn auf. Die wird von Pro Sieben
Sat 1 betrieben und ist bislang werbefinan-
ziert. Ein Bezahlangebot soll folgen, darin
werden dann auch Maxdome und Euro-
sport Player integriert. Es soll in den kom-
menden Wochen starten, ein Termin ist
noch nicht bekannt. Bislang sind bei Joyn
Livestreams von 50 TV-Sendern zu sehen


  • und ein paar wenige Serien-Eigenpro-
    duktionen wieCheck Check(mit Klaas Heu-
    fer-Umlauf) undFrau Jordan stellt gleich
    (mit Katrin Bauerfeind). Das Lokalkolorit
    sei der große Vorteil, sagte Geschäftsführe-
    rin Katja Hofem zum Start. Joyn-Produkti-
    onen sollen also gar nicht unbedingt inter-
    national funktionieren – Hauptsache, für
    den deutschen Markt stimmt’s. Magenta
    TV, der Streamingdienst der Telekom, wur-
    de vielen durch einen Scoop bekannt: Der
    Anbieter sicherte sich die Übertragungs-
    rechte für die Fußball-EM 2024. Derzeit
    wird verhandelt, wo und wie die Spiele im
    Fernsehen zu sehen sein werden. Was die
    internationalen Streamingportale angeht,
    sieht man sich bei Magenta nicht so sehr in
    Konkurrenz, sondern setzt eher auf Koope-
    ration. Mit Netflix hat die Telekom ein
    Kombipaket ausgehandelt, wer Magenta
    TV kauft, kann Netflix günstiger dazube-
    kommen. Dafür verpflichten sich Kunden
    allerdings für eine Laufzeit von zwei Jah-
    ren. Ähnliche Kooperationen würde man
    sich bei der Telekom künftig auch mit
    Apple und Disney wünschen, sagt ein Spre-
    cher auf SZ-Anfrage. Und dann ist da noch
    ein dritter Player: Sky Deutschland. Inter-
    essant für dessen Streamingdienst dürfte
    vor allem der Start von Warners HBO Max
    sein. Bislang ist bei Sky nämlich (neben we-
    nigen Eigenproduktionen wie Der Pass
    undBabylon Berlin) viel HBO-Material zu
    sehen, auch der VerkaufsschlagerGame of
    Thrones– das könnte dann wegfallen.


Geld für Deutschland


Es war ein jahrelanges Ringen, mit dem Er-
gebnis, dass Netflix sich an deutsche Geset-
ze hält: Wie Anfang dieses Jahres bekannt
wurde, zahlt das Unternehmen künftig in
die deutsche Filmförderung ein. Alle Fir-
men, die in Deutschland mit der kommerzi-
ellen Auswertung von Filmen netto mehr
als 500 000 Euro im Jahr verdienen, sind
dazu verpflichtet. Also auch die anderen
Streaminganbieter? Ja, sagt Jens Stein-
brenner von der deutschen Filmförde-
rungsanstalt (FFA). Amazon und alle weite-
ren auf dem deutschen Markt aktiven

Dienste bezahlten bereits. Für wen wie viel
fällig wird, bemisst sich daran, wie hoch
der Anteil der Kinofilme am Umsatz ist.
Die neuen Player auf dem Markt hat man
genau im Blick. Und Disney beginnt ja be-
reits mit einem „mörderischen Portfolio“,
wie Jens Steinbrenner sagt. Sobald der
Start in Deutschland näher rückt, werde
man sehen, ob auch Disney Plus die Filmab-
gabe zahlen müsse.

Kino vs. Streaming


Die wichtigste Eigenproduktion zum Start
von Disney Plus ist dieStar Wars-SerieThe
Mandalorian. Einer der Stars darin ist die
deutsche Kinolegende Werner Herzog. Der
77-jährige Regisseur, früher ein Mann des
Kinos durch und durch, sieht die Zukunft
im Streaming, wie er kürzlich bei einem
Treffen in München erzählte: „Diese ganze
Verschiebung ist unaufhaltbar und muss
auch nicht bejammert werden.“ Ganz so eu-
phorisch sind freilich nicht alle. Kinobetrei-
ber und Filmfestivals streiten sich seit Jah-
ren vor allem mit Netflix. Denn der Strea-
mingdienst hat in letzter Zeit für teures
Geld viele Kinoregisseure angeheuert, ak-
tuell zum Beispiel den Oscarpreisträger
Martin Scorsese, dem Netflix 160 Millio-
nen Dollar bewilligte, um den ThrillerThe
Irishmanzu drehen. Der Film startet am


  1. November weltweit online; zuvor be-
    kommt er eine kleine Kinoauswertung,
    auch in Deutschland wird er ab dem 14. No-
    vember laut Netflix in 42 Kinos laufen. Vie-
    le Kinobetreiber wehren sich aber gegen
    diese Verwertungstaktik und wollen den
    Film nicht spielen. Der Grund: Das Zeit-
    fenster zwischen Kino- und Heimauswer-
    tung sei viel zu kurz, als dass genug Zu-
    schauer sich fürs Kino entscheiden wür-
    den, so könne man kein vernünftiges Geld
    verdienen. Aus Netflix-Perspektive ist die-
    se Filmpolitik aber logisch, weil die Firma
    nicht Kinobetreiber, sondern Abonnenten
    zufriedenstellen möchte.


Disney zwischen den Lagern


Disney-Chef Bob Iger sieht seinen Strea-
mingdienst (noch) nicht als Grund, die ehr-
geizigen Kinoambitionen seiner Firma auf-
zugeben. Noch verdient das Unternehmen
im Kino viel zu viel Geld, um an diesem
Standbein zu sägen. Die Disney-Produkti-
onAvengers: Endgamewurde dieses Jahr
mit einem Einspielergebnis von gut 2,8 Mil-
liarden Dollar zum erfolgreichsten Kino-
film aller Zeiten. Insgesamt finden sich in
den Top Ten der erfolgreichsten Filme al-
ler Zeiten, weltweit wohlgemerkt, mittler-
weile acht Filme in Disney-Besitz.

Die Disneyfizierung
des Programms

Egal, wo Disney-Filme künftig hauptsäch-
lich laufen werden, ob im Kino oder online


  • die Firma produziert vor allem Sequels
    und Remakes, Superhelden und Trickfigu-
    ren. So manchen passionierten Kinogän-
    ger hat deshalb schon die „Franchise-Fa-
    tigue“ gepackt, die große Fortsetzungsmü-
    digkeit. Weil Disney auf Filme setzt, mit de-
    nen sich nebenbei noch viel Plastikspiel-
    zeug verkaufen lässt, hat es sich auf eine
    sehr familientaugliche Form der Kunst spe-
    zialisiert, und weil Disney die Vorherr-
    schaft in Hollywood hat, werden dort,
    wenn man mal ehrlich ist, immer weniger
    Filme für Erwachsene gedreht. Sollte Dis-
    ney Plus die „Streaming Wars“ gewinnen,
    wird sich dieser Trend verschärfen, weil
    der Dienst erst recht auf die Familienvoll-
    versammlung vor dem Fernseher setzt.


 Der Artikel in der Multimedia-Version
unter sz.de/streamingwars.

Wenn US-Präsident Donald Trump von
derNew York Timesspricht, dann benutzt
er oft das Adjektiv „failing“, was sich mit
versagend, scheiternd, erfolglos überset-
zen lässt. Wie so manches, was Trump
sagt, hat das mit der Realität nicht viel zu
tun: DerNew York Timesgeht es blendend.
Gerade vermeldet das Blatt mal wieder
eine neue Rekordzahl an Abonnenten.
Der Zusammenhang lässt sich nicht
direkt beweisen, aber es gilt in der Branche
als sicher, dass Trump einiges mit diesem
Erfolg zu tun hat. Seit er 2016 zum Präsi-
denten gewählt wurde, steigen die Leser-
zahlen des Blattes rasant. Fast scheint es,
dass jede neue Tirade des polarisierenden
Mannes im Weißen Haus derTimesneue
und vor allem zahlende Leser zutreibt.
Allein im dritten Quartal 2019 hat die
Times nach eigenen Angaben 273 000
neue Online-Abonnenten hinzugewon-
nen. Davon zahlen 209 000 für das Haupt-
produkt, die Zeitung, während der Rest die
Rezeptseite oder die Kreuzworträtsel abon-
niert hat. Die Gesamtzahl der Abonnenten
für die gedruckte und die digitale Ausgabe
beträgt derzeit 4,9 Millionen. Als mittelfris-
tiges Ziel hat das Blatt zehn Millionen Abon-
nenten ausgegeben, von denen zwei Millio-
nen von außerhalb der USA kommen sol-
len. Die Zahl von zehn Millionen soll be-
reits im Jahr 2025 erreicht werden. Ange-
sichts der aktuellen Steigerungsraten gilt
das nicht als unwahrscheinlich.
Je nachdem, für welches Paket man sich
entscheidet, kosten Abonnements zwi-
schen 15 und 35 Dollar im Monat. Seit Au-
gust 2018 hat dieTimesallerdings auch
Abos für lediglich einen Dollar pro Woche
in alle Welt verkauft. Diese werden nun
nach und nach teurer. Die Zahl der Leser,
die ihr Abo auch nach der Preissteigerung
behielten, sei „einigermaßen positiv“, teilt
das Blatt mit. Gesunken sind derweil die
Werbeeinnahmen. Das ist im Fall der
Printausgabe nicht verwunderlich, deren
Auflage kontinuierlich sinkt. Derzeit
druckt dieTimesim Schnitt noch gut
500000 Exemplare am Tag, halb so viele
wie noch im Jahr 2005. Überraschend kom-
men jedoch die gesunkenen Werbeeinah-
men auf der so stark wachsenden digitalen
Seite. Gut fünf Prozent weniger als im Ver-
gleichsquartal im Vorjahr nahm dieTimes
ein, für das vierte Quartal werden nun
noch stärkere Einbrüche erwartet.
Dank der hohen Zahl an Abonnenten
schreibt das Blatt dennoch satte Gewinne,
allein im abgelaufenen Quartal waren es
44 Millionen Dollar. Die Cash-Reserven
belaufen sich auf fast 900 Millionen Dol-
lar, was dieTimesin die Lage versetzt, ihr
Stammhaus zurückzukaufen. 2009 hatte
das Blatt Teile des 2007 fertigstellten
Times-Gebäudes in Midtown Manhattan
an eine Investmentfirma verkauft und zu-
rückgeleast, um Schulden bezahlen zu kön-
nen. Vereinbart wurde damals ein Rück-
kaufsrecht für 2019. Die dazu nötigen 245
Millionen Dollar kann dieTimesnun beina-
he mühelos aufbringen und ist damit künf-
tig wieder Herrin im eigenen Haus. Der
Rückkauf soll im Dezember abgewickelt
werden. christian zaschke

FOTOS: NETFLIX, HBO (3), HBO/DPA, DISNEY, DISNEY PLUS, DISNEY/PIXAR, DISNEY/LUCASFILM, DISNEY MARVEL, AMAZON; COLLAGE: SZ

Es ist ein billiges Klischee, dass Frauen am
liebsten Geld ausgeben, teure Handta-
schen und Klamotten kaufen, während
Männer das Geld verdienen und es clever
anlegen. Das stimmt natürlich nicht, denn
auch viele Frauen interessieren sich für
Geld-Anlage. Insofern ist es prinzipiell ei-
ne gute Idee der Redaktion des Anlegerma-
gazinsFocus Money, eine Ausgabe zur Ab-
wechslung einmal so zu gestalten, dass es
vor allem Leserinnen anspricht. Wie dem
Intro des Magazins zu entnehmen ist, soll-
te es ein Heft sein, dass sich „mehr an der
Realität arbeitender Frauen orientiert und
nicht „besserwisserisch mit Fachbegrif-
fen“ um sich wirft – gestaltet und gelayou-
tet in Zusammenarbeit mitInstyle-Chefre-
dakteurin Kerstin Weng, mit dem Ziel,
auch etwas mehr „Glamour in die Wirt-
schaft“ zu bringen. „Reich ohne Arbeit“ lau-
tet der Titel – „Wie Sie völlig stressfrei ein
Vermögen aufbauen“.
An den Ansprüchen und der Lebensreali-
tät der meisten Frauen, allen voran jener,
die auch noch Kinder haben, geht das Heft
zum Preis von 4 Euro allerdings völlig vor-
bei. Nur im Einstieg streifen die Macher
des Magazins kurz ein paar Themen, die
für Frauen relevant sind, zum Beispiel, wel-
che staatlichen Leistungen Familien bean-
tragen können und welche Berufe Zukunft
haben könnten. Auch das Interview mit ei-
ner Chefanlagestrategin der US-Invest-
mentbank JP Morgan ist durchaus interes-
sant. Dann aber folgen viele Seiten imFo-
cus-Money-Stil, es geht um den „Glamour-
Effekt im Depot“, Dividendenstrategien,
Tipps für den Kauf von Bitcoins und Dis-
count-Zertfikaten.
Welche berufstätige Frau, noch dazu
mit Familie, hat aber ernsthaft Zeit dafür,
sich mit Einzelaktien-Strategien zu befas-
sen, geschweige denn, sich mit Zertifika-
ten oder Kryptowährungen herumzuschla-
gen? Frauen brauchen schnell umsetzbare
Tipps, wie man sich auch ohne Bankbera-
ter einen Akteinsparplan zulegt, welche De-
tailprobleme ein Riester-Rente birgt oder
was beim Hauskauf zu beachten ist. Auch
die Themen Unterhaltsrecht und Ehever-
trag bergen reichlich Stoff, nicht nur für
ein Sonderheft „Frauen und Geldanlage“,
sondern sogar für eine regelmäßige Publi-
kation. meike schreiber

Kampf der


Giganten


So viele Abos,


so wenig Zeit:


Mit Disney Plus mischt


noch ein Player


den Streaming-Markt auf.


Was das für Publikum


und Programm bedeutet


von elisa britzelmeier,
theresa hein
und david steinitz

Trump sei Dank


Die „New York Times“ steht wegen
steigender Abozahlen glänzend da

Glamour


im Depot


Das Anlegermagazin „Focus
Money“ will Frauen begeistern

DEFGH Nr. 261, Dienstag, 12. November 2019 (^) MEDIEN 27
Disney (rechts) setzt dem
Konkurrenzprogramm (links)
einiges entgegen: Neues von

Star Wars und der Eiskönigin ist
fürs Kino geplant. Klassiker wie
König
der Löwen , Avengers und Toy Story
sollen online zu sehen sein.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München

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