Frankfurter Allgemeine Zeitung - 12.11.2019

(Michael S) #1

SEIT E 16·DIENSTAG, 12.NOVEMBER 2019·NR.263 Wir tschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


dc. BERLIN.Die Renten der mehr als 21
MillionengesetzlichversichertenRuhe-
ständlersteigen allerVoraussicht nach
auchimkommenden Jahr um mehr als
3Prozent.Das legen jüngste Hochrech-
nungen für den jährlichenRenten versi-
cherungsbericht der Regierung nahe,
die Schätzungen aus dem Spätsommer
bestätigen. AufGrundlageder derzeiti-
gen, aber immer nochvorläufigen Da-
tenzur EntwicklungvonLöhnen, Bei-
tragseinnahmen und Rentenausgaben
wäre demnachmit einer Erhöhung um
3,15 Prozent imWesten und 3,92 Pro-
zent im Osten zurechnen, wurde der

F.A.Z.amMontag in Kreisen des Sozial-
ministeriums bestätigt.Die tatsächliche
Erhöhung zum 1. Juli 2020 wirddas Mi-
nisterium wie üblichimMärzanhand
der dannvorliegenden endgültigen Jah-
resdaten für 2018 und 2019 ermitteln.
Daneben lässt der Bericht eine im
Grundsatzweiter günstigeFinanzent-
wicklung der Rentenkasse erwarten.
Eine rechnerischmögliche Senkung des
Beitragssatzesvonderzeit 18,6 auf 18,
Prozent des Bruttolohns soll nachdem
Willen derRegierung aberwegender
Mehrausgaben für die schon beschlosse-
nen Rentenpaketeausbleiben.

sibi.FRANKFURT. An diesem Dienstag
kommt inFrankfurtder Ratder Europäi-
schenZentralbank (EZB) auf Einladung
der neuen EZB-Präsidentin Christine La-
gardezueinem informellenTreffen zu-
sammen.Der Grund istdurchaus brisant:
Vorder ersten offiziellenRatssitzung un-
terLagardesFührung am Mittwochsoll
offenbar schon mal über dieUnstimmig-
keiten in dem Gremium in letzterZeit
und mögliche Verbesserungsvorschläge
gesprochenwerden.
Während sichviele Ratsmitgliedervor
demTreffennacheigenen Angaben mit
öffentlichen Forderungen zurückhalten
wollten, berichtet die Zeitung „Financial
Times“ schon über möglicheVorschläge.
EinigeRatsmitglieder hat es demnachge-
ärgert,wennder ehemaligeEZB-ChefMa-
rioDraghi seinegeldpolitischen Pläne zu-
erst öffentlichverkündethatteund dann
den Ratmit diesem DruckimRückendar-
über hat diskutieren lassen. Das hätte
man vonder neuen Präsidentin wohl
nicht sogern.Zudem gibt esVorschläge,
dassimEZB-Rat über wichtigegeldpoliti-
sche Entscheidungenkünftigformal abge-
stimmtwerden sollteund die Abstim-
mungsergebnisse anschließendveröffent-
lichtwerden –wie dasetwa vonder ameri-

kanischen Notenbank Federal Reserve
praktiziertwird.
Der neue österreichischeNotenbank-
chef RobertHolzmann sagtedazu der
F.A.Z.: „Präsidentin Lagarde besitzt be-
kanntermaßenneben sehr hoherFach-
kompetenz vorallem dieFähigkeit, Ent-
scheidungen auf breiter undkonsensualer
Basis herbeizuführen–persönlichglaube
ichdaher,dasseine transparenteGestal-
tung desAbstimmungsverhaltens imRah-
men des EZB-Rats nachFED-Vorbild
nicht nur hohenWert für die Institution
EZB an sichhätte,sondern auchdem neu-
en Führungsstil der Präsidentin entgegen-
käme.“ Ihm persönlichhabe in denVerei-
nigtenStaaten diese OffenlegungvonEnt-
scheidungsprozessen immer sehr zuge-
sagt, und er habe siestetsals überaus auf-
schlussreich empfunden.
Die EZBwolltesichauf Anfragezu
dem Bericht nicht äußern. Es istaber of-
fenbar nicht das ersteMal, dassüber sol-
cheSchrittediskutiertwird. Schon als die
regelmäßigeVeröf fentlichungvonzusam-
menfassenden Protokollen derRatssitzun-
geneingeführtwurde, hatteeseine Debat-
te darüber gegeben, ob dortAbstim-
mungsergebnisse veröffentlicht werden
sollen.MancheRatsmitglieder wie der

EZB-Direktor Benoît Cœuréhatten sich
damals dafür ausgesprochen, wie sichBe-
obachter erinnern; die Mehrheit soll aber
dagegengewesen sein. Das zentrale Argu-
mentwardie Unabhängigkeit derNoten-
bank: DieRatsmitgliederkönnten noch
stärkerunter Druckgeraten, dieStim-
mung in ihrem jeweiligen Herkunftsland
in der Bevölkerung oder in der Presse zu
berücksichtigen. Daswollteman vermei-
den –sie sollten nur nachsachlichen Er-
wägungen für dengesamten Euroraum
entscheiden, lautetedie Argumentation.
Über solcheFragen hat man in der
EZBöfternachgedacht:Inder er stenPha-
se derNotenbankhatteesbei einerAb-
stimmung malNamenskärtchen für die
verschiedenen Ratsmitglieder gegeben,
auf denen außer demNamen auchdas
Herkunftsland stand. Das schafftedas
Gremium aber schnell wieder ab, um zu
betonen, dassder Ratfür dieganze Euro-
zone entscheide und die Mitglieder nicht
vorallem den Interessen ihres jeweiligen
Herkunftslandesverpflicht et seien.
Bislang sind formale Abstimmungen
während der wichtigen geldpolitischen
Entscheidungen der EZB nicht vorge-
schrieben.Eswird wohl oftmals in der
Runde eine ArtStimmungsbild eingeholt,

und danachscheint esvorallem dem Prä-
sidenten zu obliegen, darüberzuentschei-
den, ob eineformale Abstimmung nötig
ist. Die Geschäftsordnung sieht aber auch
vor: „Der Präsident leitet eineAbstim-
mung auchauf Antrag eines Mitglieds des
EZB-Rates ein.“ Bei der letzten umstritte-
nen Entscheidung über Anleihekäufesol-
len etwazehn der 25Ratsmitglieder dage-
gengewesen sein. Einigevon ihnenfan-
den offenbar nichtrichtig, dasseskeine
formale Abstimmunggegeben hat.
Michael Schubert, Ökonom der Com-
merzbank,meint,wenn dieVorschlägege-
macht würden, um im EZB-Rat Alleingän-
ge des Präsidenten zuvermeiden, halte er
das fürrichtig: „DerVorschlag, bei jeder
geldpolitischen Entscheidung abzustim-
men, würde das Risikovon Alleingängen
vermutlichverringern.“ Das Gleichegel-
te wohl für denVorschlag, dieAbstim-
mungsergebnisse anonym zuveröffentli-
chen. DenVorschlag, namentlicheAb-
stimmungsergebnisse zuveröffentlichen,
sehe er dagegen eher skeptisch, sagte
Schubert: „JedesRatsmitglied sollteeine
Entscheidung treffen, die aus Euroraum-
Sicht und nicht unbedingt aus nationaler
Sicht Sinn ergibt.“ Ähnlichäußerte sich
Stefan Bielmeiervonder DZ Bank.

hw.BERLIN.Die Pläne des Bundesfi-
nanzministeriums,reinenMännerverei-
nen denStatus der Gemeinnützigkeit
zu entziehen,stößt auf Kritik aus der
CSU und dem Wirtschaftsflügel der
CDU.„Die Idee, einenVerein nur des-
halb steuerlichschlechter zustellen,
weil er sichallein anFrauen oder Män-
ner wendet, istabsurd“, beklagteder
Bundesvorsitzende der Mittelstands-
undWirtschaftsunion (MIT), Carsten
Linnemann, am Montag. Ein Männerge-
sangsverein solle ebenso alsgemeinnüt-
zig anerkennungsfähig bleiben wie ein
Frauenchor.BayernsFinanzminister Al-
bertFürac kernannteden Schritt „abso-
lut überzogen“ und fragte, obFrauen-
selbsthilfegruppen auchMänner auf-
nehmen sollten.
„Vereine, die grundsätzlichkeine
Frauen aufnehmen, sind aus meiner
Sicht nichtgemeinnützig“, hatteBun-

desfinanzministerOlaf Scholz (SPD)
der „Bild am Sonntag“ gesagt, „wer
Frauen ausschließt, solltekeineSteuer-
vorteile haben und Spendenquittungen
ausstellen.“ Eine Sprecherin des Minis-
teriums führte diePläne am Montag nä-
her aus. Demnachgehe es darum,Vor-
gaben derRechtsprechung umzusetzen.
Der Bundesfinanzhof hattevor zwei
Jahren entschieden, dassdie Freimau-
rerlogenicht gemeinnützig sei,weil sie
für denAusschlussvon Frauenkeine
zwingenden sachlichen Gründe anfüh-
renkonnte(Az.:VR52/15). DasFi-
nanzgericht hattegewarnt, die Ent-
scheidungkönnteauchzuLastenvon
Männergesangsvereinen wirken. Diffe-
renzierungen blieben aber möglich, „so-
weit sie zur LösungvonProblemen, die
ihrerNatur nachnur entweder bei Män-
nernoder beiFrauen auftreten können,
zwingend erforderlic hsind“.

jvb. FRANKFURT. Das gefleckt eFell ist
flauschig, die Beinenochwackelig, die
Schnauzeweich und babyrosa:Kälber ge-
ben in den ersten Wochen nachihrer Ge-
burtein hinreißend niedliches Bild ab –
sind für ihreZüchter aber offenbar in
manchenFällen nicht mehrwert als zwei
mittelgroße Cappuccini einer beliebten
Kaffeehauskette. Das zumindestlegt eine
Anfragedes grünen Bundestagsabgeord-
netenFriedrichOstendorff nahe, die auf
einenstarkenPreisverfall auf dem Markt
für Jungvieh hindeutet.Laut der Antwort
des Bundeslandwirtschaftsministeriums
(BMEL) bekamenViehzüchterimOkto-
ber für einKalb nur noch durchschnitt-
lich8,49 Euro; im Maiwarenesimmerhin
noch25Euro.
DasMinis terium beziehtsichauf Zah-
len der Agrarmarkt Informations-Gesell-
schaft(AMI).Der Branchendienstbestätig-
te dieAngabengegenüber derF.A.Z. und
nanntesogar einnochniedrigeres deut-
sche sMittel von7,89 Euro.„Wichti gist,
dass es sich hierbeiumden Preisfür weibli-
cheschwarzbunteKälber handelt“,sagte

TimKochvon AMI. Dochauch Bullenkäl-
ber warenmit imSchnitt 50 Euro zuletzt
nurnochhalbsoviel wert wie imFrühjahr.
DerZucht verband Schwarzbunt undRot-
bunt Bayern bestätigt eauf Anfrageder
F.A.Z., dassdie Preise fürKälber zuletztge-
sunken sind.AufAuktionen würden aber
immernochbis zu 260Eurofür Zuchttiere
mitguter Herkunft bezahlt. DieZahlvon 8
Eur okannsichder Verbandnicht erklären.
Für diebetroffenen Betriebe istder
PreisdruckinjedemFall einegroße Her-
ausforderung. Der Vize-Präsident des
Deutschen Bauernverbands (DBV),Kars-
tenSchmal,rechnet der F.A.Z. vor: „In
der Regelbleibt einKalb dreiWochenauf
dem Hof, auf dem esgeborenworden ist.
In dieserZeit kostet ein Kalb etwa150 bis
200 Euro.Nunsind mir 8,50 Euronoch
nicht untergekommen, aber wir haben
Kälber schon für 50 Euroverkauft. Und
selbstdas is tfinanziell schon zuwenig,
wenn dieKosten herangezogenwerden.“
Die Bundesregierung begründeteden
Preiseinbruchmit einemÜberangebotan
Kälbern.Üblicherweise werden überzähli-

ge männliche Jungtiereanausländische
Mastbetriebeverkauft. Transportzahlen
der Bundesregierung zeigen jedoch, dass
der Export zuletzt insStockengeraten ist.
Der DBVmacht dafür aucheinzelneVete-
rinärämter verantwortlich. Sie würden
keine Genehmigungenmehr fürKälber-
transporte in andereEU-Länder erteilen.
Das führedirekt und unmittelbar zu ei-
nem starkenregionalen Angebotsüber-
hang und zu dem Preisverfall, heißt es auf
Anfrageder F.A.Z. Die oftmals mehr als
19 Stunden dauerndenTransportesind
aus Gründen desTierwohls umstritten.
AMI-Experte Koch sieht indes viel-
mehr die Blauzungenkrankheit als Haupt-
ursache für den Preisverfall, die seit De-
zember 2018 erstmals seit neun Jahren
wieder in Deutschlandgrassiert. Fürden
Menschist die Seuche nichtgefährlich,
dochsie habe dazugeführt, dassder Ex-
portvon Kälberneingeschränktworden
sei. „DerVerkauf insAusland istaufgrund
der Krankheit derzeit nur mit einervorhe-
rigenBlutuntersuchung möglich. Das ist
mitunterteurer als derWert des Tieres,

und das macht dann natürlichkeiner“, sag-
te Koch.Ergeht davonaus, dassdie Seu-
chemit Hilfevon Impfungen schnell in
den Griffzubekommen ist–und die Prei-
se dann auchwiedersteigen: „Siekönnen
nicht auf diesem Niveau bleiben.“
Für Hubertus Paetow,Präsident der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft,
hat das Problem einegrößereDimension:
„DasKalb hatkeinen wirklichen Platz in
der Wertschöpfungskette,und sokommt
es am Ende dazu, dassesimPrinzipver-
schleudertwird“, sagteerder F.A.Z. Der
BedarfanMilchkühenstagniere, und die
Rinderaufzucht zur Fleischherstellung sei
in Deutschland aufgrund derstarkenKon-
kurrenz aus Südamerikanichtrentabel.
Um den Preis fürKälber langfristig zusta-
bilisieren, nanntePaetow zwei Möglich-
keiten: „Entweder wir sind freiwillig be-
reit, für Rindfleisch deutscherKälber er-
heblichmehr zu bezahlen, oder wir lassen
uns einVerfahren einfallen, das sicher-
stellt, dassder wesentlicheTeil der deut-
schenKälber auchrentabel zur Fleisch-
produktionverwendetwerdenkann.“

Soll in der EZB mehr abgestimmt werden?


Österreichs Notenbank-Chef Holzmann: MehrTransparenzkäme Führungsstil der neuen Präsidentin entgegen


D


as Schicksal derKernenergie
istinDeutschlandgeklärt: In
nur drei Jahrenwerden die letz-
tenAtomkraftwerke abgeschal-
tetund vomNetzgenommen. In vielen an-
deren Ländernbleibt derAtomkraftnoch
ein langes Leben beschert. Entwederwer-
den neue Kraftwerke projektiertund ge-
baut, wie inRussland,Frankreich,Finn-
land, China oder derTürkei, oder ihre
Laufzeiten werden verlängert, wie in
Amerika, der Schweiz oder in dem für sei-
nePolitikderKlimaneutralitätgelobten
Schweden. Eines istallerdings allenStaa-
tengemeinsam: das ungeklärte Erbe der
Stromerzeugung durch Kernkraf t–Atom-
müll.
Daran erinnertein am Montagveröf-
fentlichter BerichtvonachtUmweltgrup-
pen unter derFührung der Heinrich-Böll-
Stiftung, die den Grünen nahesteht.Alle-
samt sind bekanntermaßen so atomkri-
tischwie gut informiert. Der knapp 150
Seitenstarke „Welt-Atomabfall-Report“
isteine Fleißarbeit, in der derVersuch un-
ternommen wird, zumindesteuropaweit
einengenauenÜberblicküber das unge-
liebteErbe samt seinertechnischen, logis-
tischen undfinanziellen Risiken zuge-
ben.
Dessen Ergebnissestimmen den Leser
nichtgeradezuversichtlich. Obwohl Dut-
zende LänderKernenergie nutzen, gibt es
weltweitkein Land, das über ein funkti-
onsfähiges Endlager tief in der Erdever-
fügt.InDeutschland istder Suchprozess
gerade erst am Beginn, ernsthafterwartet
niemand, dassvor der Jahrhundertwende
ein Endlager in Betriebgehen könnte.
Die Kehrseiteder Medaille ist, dassdie
auf Zeit gebauten Zwischenlager,wie in
Deutschland, langsam an ihreKapazitäts-
grenzenstoßen. „Das Problem ist, dass

diese Zwischenlager auchunter Sicher-
heitsaspekten nicht für eine derartlang-
fristigeNutzungkonzipiertwurden“, sagt
der GeologeMarcos Buser.
Allein in Europageht es nachZählung
der Autoren um die frühereGrünen-Euro-
paabgeordnete Rebecca Harms um mehr
als 60 000Tonnen abgebrannter Brennstä-
be mit hochradioaktivemAbfall, voral-
lem aus Frankreich, Deutschland und
Großbritannien.Mengen aus Russland
und der Slowakeiseien dabei nicht einge-
rechnet.Harms nennt die abgebrannten
Brennstäbe diegrößteHerausforderung.
DerverbrauchteBrennstoff mache zwar
nur einengeringerenTeil desAtommülls
aus, sei aberwegenseiner hohen und lang-
lebigenRadioaktivität sowie der Hitzeent-
wicklung „der am schwierigstenzulösen-
de Teil des Problems“.
Hinzukommen 2,5 MillionenKubikme-
teranleicht- bis mittelradioaktivver-

strahltemAbfall. In Deutschland soll er
dereinstimSchachtKonrad bei Salzgitter
vergraben werden, auchdie Inbetriebnah-
me dieses EndlagersläuftallenZeitplä-
nen langehinterher.Mit dem beginnen-
den Abriss alterKernkraftwerke dürften
europaweit nochmals 1,4 MillionenKu-
bikmeterhinzukommen.
DerReportmacht deutlich, dassdie
Staatenkeine einheitlichen Klassifizie-
rungen für Atommüll anwenden, was
eineverlässliche Einschätzung erschwert.
Unklar seien auchdie Kosten, die die si-
chereVerwahrung derÜberbleibsel der
Atomstromerzeugung überTausende Jah-
re verursache. Im Grunde habe bisher
kein Land die Höhe seiner „Ewigkeitslas-
ten“ verlässlichgeschätzt und erklärt, wie
es die Differenz zu den unzureichenden
Rücklagenfinanzierenwolle. BenWea-
ler,ein Wirtschaftsingenieurvonder TU
Berlin, beklagt, in vielen Länderngebe es

einegroße Lüc ke zwischen den zu bewäl-
tigendenKosten und denFinanzmitteln,
die dafür eingeplant seien.Unkalkulierba-
re Risikenkönnten zugroßenKostenstei-
gerungen führen. Beispielhaftwirdauf
die Erfahrungen mit dem Endlager Asse
verwiesen,wo das Bergenunsachgemäß
gelagerterAbfälle der Atomwirtschaft
das Land nochauf Jahrebeschäftigen
wird.
WährendKernkraftinder Klima-
schutzdebatteinternational auchals
eine Möglichkeit der klimaneutralen
Stromerzeugunggepriesen wird, lehnen
die Autoren des„World NuclearWaste
Report“ diese Sichtweise ab. „Dasge-
samteuropäische Atommüllproblem
zeigt nicht zuletzt, dassdie Energiewen-
de europaweit energischvorangetrieben
werden muss“, lautetdie BilanzvonEl-
len Ueberschär aus demVorstand der
Heinrich-Böll-Stiftung.

hw.BERLIN.Die schwarz-roteKoaliti-
on hat sichauf eine Begrenzungvon
Vorstandsgehälterngeeinigt.Das teilte
deren stellvertretende Vorsitzende,
EvaHögl, am Montagnachmi ttag mit
und bestätigteeinenSprecher derUni-
onsfraktion.Demnach sollder Auf-
sichtsratkünftig dazuverpflichtet wer-
den, eine Maximalvergütung („Cap“)
für die Vorstandsmitglieder festzule-
gen. DieFrageder Vorstandsvergütung
warein anhaltenderStreitpunkt zwi-
sche nden Regierungsparteien bei der
Umsetzung der Aktionärsrechte-Richt-
linie (ARUG II).Eigentlichhätte
Deutschland die Richtlinie im Juni um-
setzen müssen.
„DieseEinigung istein großer Er-
folg“,sagte Högl. Bisher habe der
Aufsichtsrat nur auf freiwilliger Basis
nachdem DeutschenCorporateGover-
nanceCodexdie Vergütungbegrenzen
können. „Nun wirderdazu verpflich-
tet“, so Högl, „damit schaffenwir nun
die gesetzliche Grundlagefür den mit-
bestimmten AufsichtsratVorstandsver-
gütungen der Höhe nachzubegren-
zen“. Ausufernde Vorstandsgehälter
soll tendamit derVergangenheit ange-
hören, betontedie SPD-Politikerin.
Die Hauptversammlung alsVertreterin
der Aktionäreerhaltezugleichdie Mög-
lichkeit, dieseVergütung nochweiter
herabzusetzen. „Das heißt,einAbwei-

chen is tnur nachunten möglich“,stell-
te Höglklar.Die Juristin istder Auffas-
sung, dass das parlamentarischeVer-
fahren damit noch in der laufendenWo-
cheabgeschlossen werden könne.Vom
Inkrafttreten der neuenRegeln im Ak-
tienrecht hängt auch die Bekanntma-
chung des neuen,reformierten Corpo-
rate-Governance-Kodexab.
Die EU-Richtlinie soll die Aktionärs-
rechte stärken, indem sie eineverbind-
licheAbstimmungder Hauptversamm-
lung über dasVergütungssystemdes
Vorstands erlaubt.Der DeutscheGe-
werkschaftsbund hatteinder Anhö-
rung mehrgesellschaftlicheVerantwor-
tung derUnternehmen und eine Be-
grenzung derVorstandsvergütungange-
mahnt. DerRegierungsentwurfüber-
lässt hingegen die Entscheidung über
die Vergütung demAufsichtsrat.Uni-
onspolitiker hatten in der Anhörung
vonFachleuten im Bundestag danach
gefragt, ob eine Deckelung derVergü-
tung auf einen Maximalbetrag möglich
seinkönnte.Dies könntedie Hauptver-
sammlungbeschließen.Tobias Brou-
wer, BereichsleiterRechtund Steuern
beimVerband der Chemischen Indus-
trie, hattesich gegeneine Verlagerung
derVergütungskompetenz aufden Auf-
sichtsrat ausgesprochen, da dies den
Einflussinstitutioneller Anleger und
Stimmrechtsberaterstärkenwürde.
Wohin mit demAtommüll?–Niemandweiß es. Fotodapd

Gut3Prozent mehrRente


Neue Hochrechnungbestätigt Prognosen für 2020


Proteste fürMännervereine


Union kritisiert Steuerpläne desFinanzministers


Union undSPD einigen sichauf


Deckel für Managergehälter


SPD:Aufsichtsrat mussGrenzebeschließen


Warumein Kalb nurnoch 7,89kostet


Brancherätseltüber Preisverfall /Verband:Das Kalb hatkeinenwirklichen Platz in derWertschöpfungskette


Das ungeliebteErbedes Ato mst roms

hw.BERLIN.Der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) hat seine
Forderung nacheinemWeltraumbahn-
hof auf deutschem Boden bekräftigt.
Das sei „kein Witz“ gewesen, sagte
BDI-Präsident DieterKempf demRe-
daktionsnetzwerkDeutschland. Er
warb für denNutzenvonSatelliten-
und Weltraumtechniketwafür die Mo-
bilfunkversorgung, das Bekämpfenvon
Waldbränden und das autonomeFah-
ren. Esgehe ihm nicht darum, Ariane-
Raketenvon derFriedrichstraße in Ber-
lin startenzulassen, sagteKempf, son-
dernkleineStartrampen, sogenannte
Micro-Launcher.Ein kleinerWeltraum-
hafen sei daher sinnvoll. DieForderung
des BDI nacheinem deutschenWelt-
raumhafen hatteteilweise für Spottge-
sorgt. BundeswirtschaftsministerPeter
Altmaier (CDU) hattemit Zurückhal-
tungreagiertund zunächstdas ange-
kündigteWeltraumgesetzversprochen.
Der FDPgeht das alles viel zu lang-
sam. „DerWeltraumwartet nicht auf
Deutschland“,warntder wirtschaftspo-
litische Sprecher der FDP-Fraktion,
ReinhardHouben, im Gesprächmit
der F.A.Z. SeineParteiwill mit einem
eigenen Antrag die Bundesregierung
zur Eile mahnen. In demPapierfor-
dertdie Fraktion, eine „DeutscheWelt-
raumagentur“ einzurichten, umKom-
petenzen zuRaumfahrtaktivitäten zu
bündeln und einenneuen„Raumfahrt-
Index“zuverwalten–eine ArtRegis-
terfür alleinDeutschlandstartenden
Objekte.Verbote zugunstenSicherheit
und Umwelt lehnen die Liberalen frei-
lich ab. Stattdessen wollensie den
Reiz umweltfreundlicherTechnologien

durch eine reduzierte Versicherungs-
pflicht erhöhen. Houben setzt auchauf
den Staat alsKunden: „Zunächstmüs-
sen staatlicheRaumfahrtmissionen nur
nochmit europäischenTräger raketen
starten, sonstverliertEuropa den An-
schluss“, meint derPolitiker.Denn hin-
terder europäischenRaumfahrttechno-
logiesteckten jedeMengedeutscherAr-
beitsplätze,Forschung undSteuergel-
der.Einen ähnlichen Ansatz wollen
auchandereStaaten der Europäische
Weltraumorganisation Esa verfolgen.
Bei einemVorbereitungstreffenunter-
zeichnetendie Ministerkürzlicheine
Erklärung über deninstitutionellen Ein-
satz der Ariane-6 und derVega-C. Euro-
pasolleineneigenenZugangzumWelt-
raum sichern, die Bündelung institutio-
nellerNachfrag enachden Startdiens-
tensoll dabei helfen.
Die FDP willferner mehr Mittel für
den neuenWeltraumsektor („NewSpa-
ce“) zurVerfügungstellen.„Wir brau-
chen dringend einen aus staatlichen
und privaten MittelnfinanziertenNew
SpaceFonds, der die jungeRaumfahrt-
wirtschaftinDeutschland entfesselt
und beschleunigt“, erklärtHouben. Das
Geld soll zur Hälfte aus Mitteln des na-
tionalenWeltraumprogramms und zur
Hälfte voninstitutionellen Investoren
sowie Privatanlegernkommen. „Die
Bundesregierung mussjetzt das lang
versprocheneWeltraumgesetzvorlegen
und unserezehn JahrealteRaumfahrt-
strategie überarbeiten.“ Es sei außer-
dem peinlich,dassfastsämtlicheRaum-
fahrtnationenschon vonweiblichen As-
tronauten repräsentiertwurden,
Deutschland aber nochvon keiner.

Viele Ländernutzen


Kernenergie,aber nicht


eine sverfügt überein


funktionsfähiges


Endlager.


VonAndreas Mihm,


Berlin


Une ndlicheWeiten


BDI und FDPweiter für deutschenWeltraumbahnhof

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