Frankfurter Allgemeine Zeitung - 12.11.2019

(Michael S) #1

SEIT E 4·DIENSTAG, 12.NOVEMBER 2019·NR.263 Pol itik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


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A


ngekündigt istihr Rücktritt
schon lange. Dochwenn Sahra
Wagenknecht am Dienstagihr
Amt alsFraktionsvorsitzende
niederlegt, wirddeutlich, wie sehr der
LinksparteibekanntePersonenfehlen.
Die Linken-Politikerin hatteihrenRück-
zug vomVorsitzvorMonaten mitgesund-
heitlichen Problemen begründet,vonEr-
schöpfung sprachsie, auchdas Wort Mob-
bingfiel. Die anhaltenden Grabenkämpfe
mit den Genossinnen und Genossen hat-
tenanihren Kräftengezehrt, zumal sie
sichgleichzeitig für ihreaußerparlamen-
tarische Bewegung „Aufstehen!“ enga-
gierte.IhreHauptgegnerin im innerpar-
teilichen Streit warKatja Kipping, die Par-
teivorsitzende.Undwie es so ist: Nach-
dem die eineFrau abdankt,kann diever-
meintlicheKönigin-Mörderin nicht ihre
Nachfolgerinwerden. Stattdessen treten
in einerKampfkandidatur zweiFrauen
an, die beidewenig bekannt sind: Caren
Layund AmiraMohamed Ali.
Wervon den beiden zusammen mit
dem bisherigen Vorsitzenden Dietmar
Bartschdie Fraktion führen wird, gilt in
der Fraktion alsvöllig offen. Die 46 Jahre
alteAbgeordnete Laywäreeigentlich
eher prädestiniertfür dieAufgabe. Denn
sie sitzt seit zehn Jahren im Bundestag,
warstellvertretende Parteivorsitzende,
Bundesgeschäftsführerin und istFrakti-
onsvize. DieFrau aus Rheinland-Pfalz,
die ihrenWahlkreis im sächsischen Baut-
zen hat, macht sichinjüngsterZeit für
ein linkesTop-Themastark: den Mieten-
deckel. La ybesitzt allerdings in denAu-
genmancherAbgeordnetereinenMakel:
Sie gilt als Kipping-Vertraute. Das Lager
der Parteichefinsteht im Gegensatz zum

Lager derReformer um Bartschund dem
linken Flügel umWagenknecht, die ein
machtpolitisches Bündnis eingegangen
waren.
Bartschhat angeblichwenigNeigung,
die Fraktion mit Layzuführen. Als Bun-
desgeschäftsführerin hattesie wenig über-
zeugt, manche beschreiben ihreArt als
kompliziert.Der Fraktionschefsucht edes-
halb nacheiner Alternativefür diege-
schlechterquotierte Doppelspitze. Er
konnte die 39 Jahrealteniedersächsische
Rechtsanwältin Mohamed Aligewinnen.
Die Sprecherin fürVerbraucherschutz ist
erst seit 2017 im Bundestag. Sie wirdzum
linken Flügel derPartei gerechnet, hat
sichallerdingskaum profiliert. Ein Vor-
teil für siekönntesein, dasssie sichaus
den Grabenkämpfen herausgehalten hat.
Für Bartsch hätteihre Wahl denVorteil,
dasser als Politiker mitweit mehr Erfah-
rung die klar dominierendeFührungsfi-
gur derFraktionwäre.
BeideKandidatinnen haben in ihren
Bewerbungsschreiben an dieFraktionver-
sichert, dasssie die Grabenkämpfebeen-
den möchten. Klar ist, dassbeidevonih-
rerWirkung her nicht anWagenknecht
heranreichen.Wagenknecht hat angekün-
digt, dasssie weiter durch ihre öffentli-
chen Auftri tte, etwain Talkshows,mitmi-
schen will. EineWahl Lays könntehelfen,
den Graben zum Kipping-Lager zu über-
brücken, sicher istdas aber nicht.
Der Erfolg bei der Thüringen-Wahl hat
der Linken einwenig Luft verschafft.Er
hat die bundesweitenUmfrag ewerte von
sieben bis acht Prozent auf zehn bis elf
Prozentsteigen lassen. Die Thüringen-
Wahl hat zugleichgezeigt, dassesinder
Politik mehr denn je auf das Spitzenperso-
nal ankommt–hier Ministerpräsident
BodoRamelow. „Von Ramelowlernen
heißt siegen lernen“, wirdBartschinder
Fraktion zitiert. Nachdem Desasterbei
den Landtagswahlen in Brandenburgund
Sachsen, bei denen die Linkejeweils um
acht Prozentpunkteabgestürztwar, hatte
sichdie Partei zunächstStillschweigen bis
zur Thüringen-Wahl verordnet. Danach
aber sollterascheine stra tegischeNeuaus-
richtung erfolgen,verbunden mit einem
Wechsel an derParteispitze. Durch einen
Sonderparteitag Anfangkommenden Jah-
res, spätestens im März, hättedie Neu-
wahl der Linken-Führung in zeitlicher
Nähe mit demWechsel an der Spitze der
Fraktionstattgefunden. Die Linken-Vor-
sitzenden Kipping und Bernd Riexinger

aber lehnten das ab. Die Thüringen-
Wahl, zu deren Erfolg siekaum beigetra-
genhaben, minderte den Druckfür einen
raschenAustauschder Führung.

D


eshalb wirdvoraussichtlich
erst auf demregulärenPartei-
tagimJuni die neueParteifüh-
rung gewählt. Die bisherigen
Vorsitzenden–sie führen die Linkspartei
seit acht Jahren–könnten imZuge einer

Sonderregelung zwar nocheinmal ge-
wählt wer den, dochdas gilt in derPartei
als ausgeschlossen. Dassdie neuenVorsit-
zenden erst im Sommer 2020gewählt wer-
den, hätteaber einenweiterenNachteil.
Es bliebe dann,vorausgesetzt, diegroße
Koalition bricht nichtvorher auseinan-
der,nur nochein Jahr bis zur nächsten
Bundestagswahl. Ein neuesFührungsduo
müsstesichdannrascheinarbeiten.Zu-

dem traut dem derzeitigen Bundesge-
schäftsführer JörgSchindler niemand in
der Partei zu, einen Bundestagswahl-
kampferfolgreichzumanagen.
Nicht zuletzt mussdie Partei klarer zei-
gen, wofür siesteht.Setzt sie mehr auf So-
zialpolitik,will sieweiter Arbeiter,Ar-
beitslose und Wähler im ländlichen
Raum ansprechen? Oder liegt ihr Schwer-
punkt auf den jungen urbanen Schichten,
für die Themen wie Klimaschutz wichtig
sind?Außerdem wirddie Partei im Som-
mer ihreSpitzenkandidaten für die Bun-
destagswahl bestimmen. Das letzteMal
warenWagenknecht und Bartschunum-
stritten. Bartschhat erkennen lassen,
dasser2021 nocheinmalkandidieren
möchte.Auchfür Kippingwäre die Spit-
zenkandidatur in einem Doppel die Mög-
lichkeit, ihren Einflusszuwahren. Dass
die alten Lagerfeindschaftenüberwun-
den werden müssen,vorallem das Gegen-
einandervonParteiund Fraktion, sagen
alle in der Linksfraktion. Dochobihr das
gelingt, das istweiter ungewiss.

VonRa melowlernen

Entschädigungper


Kirchenste uer?
DerTrierer Bischof StefanAcker-
mann hat die Diskussion über eine
Neuregelung der finanziellen Ent-
schädigung vonMissbrauchsopfern
mit der Bemerkung befeuert, notfalls
müsstenfür diesen ZweckKirchen-
steuernverwendetwerden. Acker-
mann hatteimSeptember in seiner
Eigenschaftals Missbrauchsbeauf-
tragter ein Modellvorgestellt, wo-
nachBetroffene bis zu 400 000 Euro
erhaltenkönnten. Der Bischof bezie-
hungsweise das Sekretariat der Deut-
schenBischofskonferenzhattenden
Vorschlag weder mit den anderen Bi-
schöfen nochden Ordensgemein-
schaftenabgestimmt.Auchdie Aus-
wirkungen auf das Thema Opferent-
schädigungimAllgemeinen spielten
keine Rolle. Entsprechend heftigwar
die Kritik.AmWochenendelegte
Ackermann nach: Die Gläubigen sei-
en eine „Solidargemeinschaft“ –wie
auchalle Steuerzahler für den Scha-
den nachdem Scheiternder Pkw-
Maut aufkommenmüssten.Eine Spre-
cherin der InitiativeMaria 2.0 nannte
die Äußerung zynischund eineVer-
höhnung der Opfer.Wenn Täter
nicht zahlenkönnten, solle der Bi-
schof beziehungsweise Bistumsver-
mögen herangezogenwerden. Acker-
mannnahm seinenVergleichderweil
als „zu salopp und unpassend“ zu-
rück. D.D.

Weißhelm-Gründertot
JamesLeMesurier,der aus Großbri-
tannienstammende Gründer der syri-
schenRettungsorganisationWeißhel-
me, istinIstanbul ums Lebengekom-
men. Das bestätigtederen Leiter
Raid al-Salih der Deutschen Presse-
Agentu ramMontag, ohne Details
zur Todesursache zu nennen. Das Is-
tanbulerGouverneursamtteiltemit,
man habe die Ermittlungen aufge-
nommen. Die Weißhelme wurden
durchihren Einsatz im syrischen Bür-
gerkrieg bekannt,vorallem im Osten
der Stadt Aleppo. Das syrischeRe-
gime,Russland und Iran beschuldi-
gendie Weißhelme jedoch, denTerro-
rismus zu unterstützen. dpa

NeueVerfassung für Chile?
ChilesStaatsführung hat einerKern-
forderung der Demonstranten im
Land nachgegeben und deren Hoff-
nung auf eine neueVerfassungge-
nährt. DieRegierung erklärte sicham
Montag über eine Sprecherin bereit,
die Debattezur Ausarbeitung einer
neuenVerfassung einzuleiten. Noch
sei offen, ob dies imParlament oder –
wie vonder Oppositiongeford ert–
über eine verfassungsgebende Ver-
sammlungstattfindenwerde. Staats-
chef Sebastián Piñerahattevor weni-
genTagen nur einerReform der aktu-
ellenVerfassung zugestimmt. dpa

HaleyerhebtVorwürfe
Die frühereamerikanische Botschaf-
terinbei den VereintenNationen,
NikkiHaley, hat Vorwürfe gegenden
ehemaligenAußenministerRex Til-
lerson und den ehemaligenStabschef
des Weißen Hauses, JohnKelly, erho-
ben. Beide hätten während ihrer
Amtszeiten dieAutoritätPräsident
Trumps untergraben und sie dafürge-
winnenwollen, schreibt Haleyinei-
nem Buch, das am Dienstager-
scheint.Wie die„WashingtonPost“,
die das Bucheinsehenkonnte, berich-
tet, schreibt Haley, Kellyund Tiller-
son hätten ihrgesagt, dasssie ver-
suchten, „das Land zuretten“.Kelly
erwiderte ebenfalls in der„Washing-
tonPost“:Wenn gegenTrump arbei-
tenbedeute, ihm den „bestenund of-
fensten, rechtmäßigenund ethi-
schen“Ratfür eine fundierteEnt-
scheidung zu erteilen, bekenne er
sichschuldig. sat.

Korrektur
Anders als in unserer Montagsausga-
be berichtet,sind zur erfolgreichen
Einbringung eines Volksbegehrens
die Stimmenvonmindestens einem
Zehntel derwahlberechtigten Bürger
des Bundeslandes nötig, in Baden-
Württembergalso 770 000. F.A.Z.

Wagenknechts Rückzug


vomFraktionsvorsitz


zeigtdie Problemeder


Linken. Esfehlt an


bekanntemPersonal und


weiter an Einigkeit.


VonMarkusWehner,


Berlin


Werfolgt ihr nach?SahraWagenknecht Ende MärzimBundestag Fotodpa


Caren La y FotoPictureAlliance/dpa


AmiraMohamed Ali FotoPictureAlliance/dpa


Wic htiges inKürze


Das „Struck’sche Gesetz“ besagt, dass
kein Text aus demParlament heraus-
kommt, wie er in dasParlament hinein-
ging. Die EKD-Synode in Dresden
scheint sichindiesem Jahr an dieseWeis-
heit desverstorbenen SPD-Politikerszu
erinnern, und zwar auf dessen einstigem
Wirkungsfeld als Minister derVerteidi-
gung.Aufihrer diesjährigen Synodenta-
gung möchtedie evangelische Kirche
nämlichihreFriedensethikweiterentwi-
ckeln. Seit vielen Monaten haben sich
die kirchenpolitischen Flügel argumenta-
tiv gerüstet. In derVorhand warendabei
die pazifistischorientiertenKräfte,
denn sie dominiertendie Beratungen
über denTextentwurf. Ihr Ziel istes, die
2007 vorgelegteFriedens-Denkschrift
nachzuschärfen. Damals hattedie EKD
die bis auf den KirchenvaterAugustinus
zurückreichende Lehrevom „gerechten
Krieg“ abgelöstund durch das Leitbild
des „GerechtenFriedens“ersetzt.Das
zentrale Argument dafür lautete damals,
dassesnicht ausreiche, die Kriegsfüh-
rung anRechtfertigungsgründe zu bin-
den und dadurch einzudämmen, wie es
die alteLehretat.Stattdessen wurden
die umfassenden Bedingungen desFrie-
dens in den Blickgenommen und ein
Vorrang der zivilenKonfliktprävention
festgeschrieben, damit es erst g ar nicht
zu Kriegshandlungenkommt.
Der EKD-Friedensbeauftragte Renke
Brahmsforderte die Synode am Montag
auf, nun noch„einen Schrittweiter zuge-
hen“, denn seit 2007 habe sichinder

Welt vielgetan. ImTextentwurfwirdun-
teranderemgefordert, dassautonome
Waffensystemevölker rechtli ch geächtet
werden sollen und die Bundeswehrkei-
ne bewaffnetenDrohnen besitzen dürfe.
Waffenexporte sollen inganz Europa
mindestens sostrenggehandhabtwer-
den wie in Deutschland.
Die evangelische Kirchesoll sichzu-
dem für eine„Welt ohneAtomwaffen“
aussprechen. In der Denkschriftvon
2007 wurde dieseFragenoch mit Be-
dacht offengelassen.Nunwirdgefordert,
dassdie Bundesregierung denAtomwaf-
fenverbotsvertrag unterzeichnetund
sichinder Nato für eine atomwaffen-
freieZone innerhalb Europas einsetzt.
InsbesondereIrmgard Schwaetzer,
Präses der EKD-Synode und ehemalige
Staatsministerin imAuswärtigen Amt,
hat wiederholt ihreSkepsisgegenüber
solchweit reichendenForderungen zum
Ausdruckgebracht.Auchunter den Mili-
tärseelsorgern fürchtet man, dassdie
kirchlicheFriedensethik nun vollends
ins Irreale abgleitet.Würde sich
Deutschland nämlichfür einVerbotvon
Atomwaffeneinsetzen, würde es de
factoaus dem atomaren Schutzschirm
der Natoheraustreten und die bisherige
Sicherheitsarchitekturverlassen. Schwa-
etzer warnte am Montag eindringlich
voreinseitigen Schritten Deutschlands.
Aufder Synodedürftesichdieser
Wunschvor alleminÄnderungsanträ-
genimSinne des „Struck’schen Geset-
zes“ niederschlagen.

elo. BERLIN.Die Diskussion darüber,
ob Bundestagsabgeordnete durch über-
langeDebatten undNachtsitzungen zu
starkbelastetsind, hält an. DerParla-
mentarische Geschäftsführer derUni-
onsfraktion, Michael Grosse-Brömer
(CDU), sagtedieserZeitung, um über-
langeSitzungstage vorallem am Don-
nerstag zuverhindern, habe dieUnion
den anderenFraktionenvorgeschlagen,
mehrereTagesordnungspunkteauf den
Mittwochnachmittag zuverlegen. „Das
käme sowohl den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern im Bundestagals auchden
Abgeordnetenzugute.“Außerdemwäre
es sinnvoll, über eine maßvolleVerkür-
zung der Debattenzeit zu diskutieren,
fügteGrosse-Brömer hinzu.
Die Diskussion wirdschon längerge-
führt, erhielt aber in dervorigenWoche
neue Nahrung, weil am Donnerstag
gleichzweiAbgeordnete Schwächeanfäl-
le erlitten.Zunächsthatteder CDU-Ab-
geordnete MatthiasHauer seineRede ab-
brechen müssen und wurde medizinisch
behandelt.Erkam ins Krankenhaus,
konnte aber schon bald darauf mitteilen,
es gehe ihm wieder besser.AmAbend er-
litt die Linke-Abgeordnete Simone Bar-
rientos ebenfalls einen Schwächeanfall.
IhreParteifreundin AnkeDomscheit-
Berghattevon „menschenfeindlichen“
Arbeitsbedingungen im Bundestag ge-
sprochen, kritisierte unter anderem,
dassdie Parlamentarier während der Sit-
zungen im Plenum nicht trinken dürf-
ten.

Grosse-Brömer hattescho ninder Ver-
gangenheit Überlegungenanges tellt,
wie dieAbläufeverändertwerdenkönn-
ten. Vorallem die Sitzungenanden Don-
nerstagen dauernoft bis tief in die
Nacht. Allerdings gilt das nur für die Sit-
zungswochen, imvorigenwie in diesem
Jahr sind das 21.Zudem bleibt in derRe-
gelnur ein kleinerTeil der mehr als 700
Abgeordnetenbis zum Ende der Sitzun-
gen, die jederzeitverlassenwerden kön-
nen. EinVorschlag istes, Debatten auf
den Mittwochnachmittagvorzuziehen,
wenn dieRegierungsbefragung und die
AktuelleStundevorüber sind.
Die meistenDebatten, die außerhalb
der Kernzeit desParlamentsstattfinden,
sind auf 38 Minuten angelegt.ImGe-
sprächist etwa,sie auf 30 Minuten zu
kürzen. Das würde für alleFraktionenet-
wasweniger Redezeit bedeuten, was
nicht überall gut ankommt.Eine Überle-
gung istauch, derFraktion, die den An-
trag eingebracht hat, über dengeredet
wird, eine Minutemehr Redezeit zuge-
ben. All das würde dieAbläufeimBun-
destagnicht grundsätzlichverändern,
aber ein bisschen luftigerwerden lassen.
Dazu zählt auchder schon mehrfach von
Grosse-Brömer gemachteVorschlag,
nach22Uhr Reden nicht mehrvorzutra-
gen, sondernzuProtokoll zugeben. Das
geht aber nur,wenn alleFraktionenzu-
stimmen. Grosse-Brömer hattenachden
beidenVorfällen amvorigenDonners-
tagvorgeschlagen, sovorzugehen, aber
keine Mehrheit erhalten.

mawy.HAMBURG. Bei einerRede
vorder UniversitätHamburg hatsich
der FDP-Vorsitzende Christian Lind-
neramMontag für mehr politische
DiskussionenanHochs chulenausge-
sprochen. Vorgut 100Zuhörern
sprac herauf einemkleinenPodium
undäußer te,demokratischer Aus-
tausch gehöreindie Universitäten,
nichtvordie Universitäten.Erakzep-
tiere die Regeln derHochschule,fände
si eabernicht gut. Die Universitäthat-
te zuvoreinevon derLiber alenHoch-
schulgruppebeantragteVeran staltung
mit LindnerinihrenRäumen abge-
lehnt und sichauf die eigenenVergabe-
regeln berufen ,wonachVeranstaltun-
genmit explizit parteipolitischerAus-
richtung ausgeschlossensind.Jedoch
hatten die Fraktionsvorsitzendeder
LinksparteiSahraWagenknecht und
der Juso-VorsitzendeKevin Kühnert
in der Universität sprechen dürfen.
Diese hatte imFall Wagenknechtsauf
dasunterschiedlicheVeran staltungs-
format verwiesen.Neben den Protes-
tengegen dieVorlesungendes frühe-
renAfD-MitbegründersBerndLucke
hatt eauch dieAbsageanLindnereine
allgemeine Debatte über dieMei-
nungsfreiheit befördert.Lindner
selbstbeschwerte sich bei derWissen-
schaftssenatorinKatharinaFegebank
(Grüne)in einem Brief über dieAbsa-
ge,den er auchöffentli ch machte. Fe-
gebank erschien nunamMontagüber-
raschendzum Auftr ittLindners, um,
umringt vonJournalisten, mitihm zu
sprechen.Für Fotoswurdegemeinsam
posiert. Fegebanksagte, klareRegeln
seien wichtig.Sie er warteaber auch,
dass diese soangewandtwürden,dass
nicht der Eindruckentstehe,dassmit
zweierlei Maßgemessenwerde.

Aufdem Weg


insIrreale


Die EKD-Synode debattiertüber ihreFriedensethik /


VonReinhardBingener,Dresden


Union schlägt kürzere


Bundestagsdebatten vor


Diskussion über Arbeitsbelastung/Grosse-Brömer


befürwortet wenigerNachtsitzungen


Lindner:Mehr


Diskussionen


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