Frankfurter Allgemeine Zeitung - 12.11.2019

(Michael S) #1

SEIT E 8·DIENSTAG, 12.NOVEMBER 2019·NR.263 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


I


nChile hat der konservative
Staatspräsident Piñera eine
neueVerfassungversprochen –
unter dem Druckder Straße. Im be-
nachbartenBolivien istgleichzeitig
Staatspräsident EvoMorales zurück-
getreten–unter dem Druckder Stra-
ße. Wiedas? Moraleswarder letzte
der linkspopulistischen Präsidenten
in Lateinamerika, dievorJahren an-
getretenwaren, um mittels der gigan-
tischen Erlöse aus demRohstoffex-
portArmut undUngleichheit in ih-
renLändern zu verringern.Der Vene-
zolaner Chávezund in BrasilienLula
haben darüber dieWirtschaftihrer
Länder ins Chaosgestürzt.
Moraleswarklüger.Aber derrelati-
ve Erfolg seinerWirtschafts- und So-
zialpolitikhatihnnichtdavonabge-
halten, um des Machterhalts willen
die Verfassung zu brechen und die
Präsidentenwahl zu manipulieren.
Piñeradagegen bewegtesichstets im
Rahmen der Legalität.Dochwie vie-
le Bolivianer sind auchviele Chile-
nen mittlerweile einer politischen
Klasse überdrüssig, die Institutionen
nur so langerespektiert, wie die ih-
nen nützen–imFall Chiles eineVer-
fassung aus derZeit der Pinochet-Dik-
tatur,die krasseUngleichheit zemen-
tiert. DassesamEnde in Bolivienne-
ben dem Druckder Straße derPolizei
undder Streitkräfte bedurfte, um Mo-
rales zurAufgabe zu bewegen, ist
nicht schön.Wenn sichallerdings das
venezolanische Militär die boliviani-
schenWaffenbrüderzum Vorbild näh-
me, verschwände zusammen mit Chá-
vez’ Nachfolger Maduroauchdieser
Makel.


Unter Druck


VonDaniel Deckers


A


ndiesem Dienstag wollen sich
Sebastian Kurz und Werner
Kogler,die Vorsitzenden der
österreichischenParteienÖVP
und Grüne, zu einem Zwiegespräch tref-
fen. Die beidenkennen einander schon
ganz gut.Seit sechsWochen gibt esregel-
mäßigeBegegnungen in unterschiedlichen
Formaten.Aber jetzt heißt es erstmals „Ko-
alitionsverhan dlungen“–bislang wurde
„sondiert“.Freilichdürftedaauchschon
inhaltlichvorgearbeitetworden sein.
In österreichischen Medien wurde viel-
fach analysiert,wo „Knackpunkte“und
möglicheKompromisslinien liegen. Dass
das nicht nur aus derLuft gegriffenwar,
darauf deutet ein empörterTwitter-Auf-
schrei eines Parteilinken der Grünen:
Schon dreimal sollen Informationen aus
den eigentlichvertraulichen Gesprächen
„geleakt“worden sein, natürlichdurch die
ÖVP. Kurz undKogler selbsthaben fünf
zentrale„Herausforderungen“ definiert,
ohneaber auf Details einzugehen: die The-
men Klimakrise, Migration, Bildung und
Transparenz sowie Wirtschaftsab-
schwung.
Fürdie Grünenwar2019 die „Klima-
wahl“. DasSte uersystem soll nachihren
Vorstellungenunter dem Gesichtspunkt
des Klimaschutzes umgeschichtetund
eine „CO 2 -Steuer“ eingeführtwerden. Ein
„Klimakassensturz“ soll schädliche Sub-
ventionen zutagefördern, die dann zu
streichenwären. Neue Gesetze sollen ei-
nem „Klimacheck“ unterworfen werden.
Nahver kehr fürPersonen und Güterver-
kehr auf der Schiene sollengefördertwer-
den. Bis 2024 solle Österreich„klimaneu-
tral“ sein, Europa bis 2050. DieÖVPhatte
natürlichauchdas ThemaNummer eins
des vergangenen Sommersauf derAgen-
da, verbunden mit einigen„Aber“. Pkw-
Pendler sollten nicht „bestraft“ und neue
Steuern nichteingeführ twerden.Die sym-
bolische Jahreszahl für „Klimaneutralität“
heißt bei derÖVP2045.
BeimReizthema Migrationdürftemit
Kurz keine Teilnahme an irgendeinem eu-
ropäischen Verteilungsmechanismuszu
machen sein. „Meine ablehnendeHaltung
warimmer klar und hat sichnicht geän-
dert“, sagteerkürzlichimGesprächmit
dieserZeitung. Die Grünenfordernhinge-

geninihremWahlprogramm eingemein-
sames Asylsyste minnerhalb der EU -
durchaus mit einem Schutz der Außen-
grenzen, aber mit der Möglichkeit, dort
auchAsylanträgezustellen.Kurz istbe-
kanntlichdafür,illegale Migranten zurück-
zustellen und gegebenenfalls außerhalb
Europas Asylanträgestellen zu lassen.
Einwichtiges Thema sinddie Maßnah-
menwährend der früheren ÖVP/FPÖ-Re-
gierung unterKurz,mit denen dieAttrakti-
vität desösterreichis chen Sozialsyste ms
für Migrantenverringertwerde nsollte.
Mit dieserBegründungwurde nTransfe rs
für kinderreicheFamilienstarkverringert
–eine Maßnahme, die dieGrünen scharf
kritisierthabenund revidiertsehenwol-
len.Beschlüsse aus der „türkis-blauen“
Zeit zurückzunehmen (etwaauchdas Kopf-
tuchverbo tfür Kindergartenkinder,ge-

plan tauchfür Grundschülerinnen)dürfte
Kurz wiederum aus Prestigegründen
schwerfallen.Eswurde übereinemögliche
Kompromisslinie spekuliert,die Kürzun-
genzwaraufrechtzuerhalten, aberdurch
„Integrationsmaßnahmen“zukompensie-
ren.
Dassein Konjunkturabschwung droht,
sehenKurz wie Kogler.Die ÖVPwill dem
mit Steuererleichterungen begegnen, die
Grüneneher mitMaßnahmen zurArmuts-
bekämpfung.Auch die Grünen sind dafür,
den Faktor Arbeit zu entlasten, allerdings
sollen „klimaschädliche“ Aktivitäten hö-
her besteuertwerden. Dergrüne Slogan
„Wirtschaften jenseits des Wachstums-
zwangs“steht in einem diametralen Ge-
gensatz zu dem,wasdie in derÖVPstarke
Wirtschaftslobby sichvorstell t. Ähnlich se-
hen dieKonfliktlinien in der Landwirt-

schaftaus. In der Bildungspolitikgeht es
einerseits um „rückwärtsgewandte Sym-
bolmaßnahmen“, wie die Grünen einige
türkis-blaue Beschlüssefür strenger eBeur-
teilungen an den Grundschulen nennen.
Ein klassischer Dissens besteht auchüber
die EinführungvonGesamtschulen–das
kenntdieÖVPnochausihrerZeitinder
großenKoalition mit der SPÖ.
Mit demStichwort„Transparenz“ sind
die Parteifinanzengemeint. Sie sind in der
„Ibiza-Affäre“ des früheren FPÖ-Vorsit-
zenden Heinz-ChristianStrache, die der
Anlassfür das EndevonTürkis-Blauwar,
in denFokusgerückt.SPÖ, FPÖ und Grü-
ne haben schon im Sommer in einer be-
merkenswertenAd-hoc-KoalitionRegeln
geschaffen, die die Möglichkeit ein-
schränkten, Großspendenzuakquirieren.
Das trafvorallem dieÖVPund die libera-
len Neos. Das Hauptthemavon„Ibiza“
aber,Umgehung derKontrolle durch Ver-
einskonstruktionen, blieb unangetastet.
Da dürfteein türkis-grünerKompromiss
nicht so schwer fallen, dochliegt derTeu-
felimDetail.
Kurz sagteamMontag, dieÖVPwolle
die grüne Option „zielgerecht, konse-
quent, mitvollem Engagementverfolgen“
und sich„ehrlichund respektvoll“ zuver-
halten. Es solltenkeine „Parallelverhand-
lungen“stattfinden. Er bitteumGeduld,
die Parteien hättengroße programmati-
scheUnterschiede. Die Grünen hätten
starke Positionen imUmwelt- und Klima-
bereich, mit denen sichdie ÖVPnicht
leichttue, für die die Grünen abergewählt
worden seien. Auf der anderen Seite sei
dies auchbei derÖVPso, und zwar inFra-
gender Migration, der Sicherheit oder der
Standort- undSte uerpolitik.„Sollten wir
eine Vereinbarungmit de nGrüne nzustan-
de bringen, wirddaauf jedenFall ein
Stückweit an Kreativität notwendig sein
müssen.“Kogler hattezuvor am Sonntag-
abend von„Pionierarbeit“ gesprochen:
„Jetzt istdas natürlichein Wagnis, aber
wir wollen diesenSchritt wagen.“ Doch
würden die Grünen nicht zögern,vom
Tischaufzustehen,wenn esVersuchege-
ben würde, „schwarz-blauePolitikmit grü-
nem Mascherl“ zu machen. Andererseits
werdeeine Zusammenarbeit vieleKom-
promisseerfordern. Die dürften dann
nicht denunziert werden.

D

ie Türkeimachtwahr,was
sie schon langeangekündigt
hatte: Sie schickt die IS-
Kämpferund derenVerwandte, die
sie bei ihrem jüngstenEinmarschin
Nordsyrienfestgenommen hat, in de-
renHeimatländer zurück. Eine Alli-
anz auskurdischen Milizen und ame-
rikanischen Einheiten hattesie in
den vergangenen Jahren in Gewahr-
sam genommen. Danachwaren sie in
LagernimkurdischenNordsyrien in-
terniert. Es spricht für dieTürkei,
dasssie bei den IS-Kämpfern, die sie
findet, nicht wegschaut.Das war
nicht immer so. Schließlichhattesich
der frühere IS-Führer Bagdadi in der
Provinz Idlib aufgehalten, fürwelche
die Türkeidie Verantwortung trägt.
Mit derRückführung will dieTür-
keidie Verantwortung für die auslän-
dischen IS-Kämpfer loswerden. Das
hattebereits diekurdische Selbstver-
waltungversucht, allerdings ohne Er-
folg. IhreVorstöße stießen in den
meistenwestlichen Ländernauf we-
nig Gegenliebe,weil diekeine IS-
Kämpferaufnehmenwollten. Berlin
verweigerte sichmit der Begrün-
dung, man unterhaltekeine diploma-
tischen Beziehungen zurkurdischen
Selbstverwaltung–das warnur eine
Ausrede. Gewichtigerwar, dasspoli-
tischmit einerRückkehr auchnur ei-
nes einzigen IS-Kämpfersnichts zu
gewinnen ist. Dabei istein IS-Kämp-
fer, dem die Flucht nachDeutschland
gelingt,gefährlicher als einer,der in
einem deutschen Gefängnis sitzt.
NunwirdBerlingezwungen, das zu
tun,wasesschon früher hättetun
können und tun müssen.


Chefgespräch:SebastianKurz(ÖVP) undGrünen-VorsitzenderKogler (vorne) F otodpa


Für Menschen, diegernegrün-urba-
nes Lebensgefühl inhalieren, gibt es
ein neuesReiseziel: die niedersächsi-
sche Landeshauptstadt Hannover
und dortbesondersden Stadtteil Lin-
den,wo die Grünen bei derStichwahl
um das Amt des Oberbürgermeisters
sagenhafte Ergebnisse jenseits der
achtzig Prozent erzielt haben. Der
Wandel des ehemals „roten Linden“
in einegrüne Bastion veranschau-
licht, wie dramatisch sichdie politi-
schen Mentalitäten in deutschen
Großstädtenverschieben. Bereits im
Wahlkampfwardeutlichgeworden,
dassSPD und CDU dem ökologi-
schenKosmopolitismus der Grünen
derzeitwenig entgegenzusetzen ha-
ben und dessen Themen diktiertbe-
kommen.Undsowar eskonsequent,
dassBelit Onayzum künftigen Ober-
bürgermeistergewählt wurde.
Der38JahrealtePolitiker wird
nicht nur der erstegrüneOberbürger-
meistereinerGroßstadt imNorden
Deutschlandssein.Noch bedeutsa-
mer ist, dassOnayauchder erstetür-
kischstämmigeOberbürgermeister ei-
ner deutschen Großstadtsein wird.
DerWahlausgangkönntesomit ein
Hinweis darauf sein, dassselbstein
Name, der sofortauf einen muslimi-
schen Migrationshintergrund schlie-
ßen lässt, in Metropolenkein Nachteil
mehr bedeuten muss. Onayweistdar-
auf hin, dassinHannoverjedes zweite
Kind aus einer Einwandererfamilie
stammt,weshalbder in Goslargebore-
ne Gastarbeitersohn sichauchals
„Brückenbauer in eineMigrationsge-
sellschaft“ versteht.Onaykonnte
abervorallem mit seinerlockerenArt
überzeugen, die er sichnicht erst von
einem Coachantrainieren lassen
musste. Der hochgewachsene Basket-
ballspieler hat ebenso wie seineKon-
kurrentenvonCDU und SPD einen
überaus fairenWahlkampfgemacht.
Im Zentrum seinerKampagne stand
die Forderung nach einer autofreien
Innenstadt bis 2030. Daswareinegrif-
fige Formulierung für einvagesZiel.
Auch Onays politisches Profil lässt
sichbisher nicht klar umreißen. Als In-
nenpolitikerder grünen Landtagsfrak-
tionvertratder verheirateteVater ei-
nes SohnesPositionen, die auf der Li-
nie des eher linken Landesverbands
liegen. In seinen jungen Jahrenwar
Onayzeitweilig aber auchSPD-Mit-
glied undkandidierte sogar für den
Ring Christlich-DemokratischerStu-
denten. Solche Offenheit mussfür ei-
nen Oberbürgermeisternicht zwin-
gend einenNachteil bedeuten.Zum
Mankokönnteindes seinefehlende
Führungserfahrung werden. Seine
MitbewerbervonCDU und SPD ha-
ben fürgroße Organisationen mit
Tausenden MitarbeiternVerantwor-
tunggetragen, Onaykann nur ein ers-
tesjuristisches Examen und einige
JahreimLandtag vorweisen, zu-
nächstals Mitarbeiter der Bundes-
tagsabgeordnetenFiliz Polat, später
selbstals Abgeordneter. Der Sprung
an die Spitze einerStadtverwaltung
mit mehr als 11000 Mitarbeiternist
da groß. REINHARDBINGENER

IS-Rückkehrer


VonRainer Hermann


KnackpunkteKlima und Migration


Belit ONAY Fotodpa


Ob geheim oder nicht, iststrittig.Unstrit-
tig dagegen ist, dassdie Regierung inVal-
letta und die maltesischenStreitkräfte
mit der „Regierung derNationalenÜber-
einkunft“ inTripolis unter Ministerpräsi-
dentFajez Sarradschsowie mit der liby-
schenKüstenwachekooperieren, um den
Flüchtlingsstromvon Nordafrika über das
Mittelmeer einzudämmen.
Eine ähnliche Kooperation gibt es
schon seit AnfangFebruar 2017 zwischen
Italien und Libyen. Die Gültigkeit des ent-
sprechenden Memorandums zwischen
Romund Tripolisverlängertsicham2.Fe-
bruar 2020 umweiter edrei Jahre. Die
dreimonatigeFrist zur Kündigung oder
substantiellen Änderung der Vereinba-
rung waram2.November abgelaufen.
Während derText des italienisch-liby-
schen Memorandums, dasvonden da-
mals inRomregierenden Sozialdemokra-
tenunter MinisterpräsidentPaolo Genti-
loni und InnenministerMarco Minniti er-
arbeitet worden war, bekannt ist, gibt es
keine Angaben über eine schriftlicheFas-
sung derÜbereinkunftzwischenValletta
und Tripolis. DieZeitung„Times of Mal-
ta“berichtete in ihrerAusgabevomSonn-
tagunter Berufungauf maltesischeRegie-
rungsquellen, dieVerhandlungenVallet-
tasmit Tripolis und der libyschen Küst en-
wachehättenvoretwaeinem Jahr im Ge-
heimen begonnen. Verhandlungsführer
für Malta sei im persönlichenAuftrag von
Ministerpräsident Joseph Muscat der Di-
plomatNeville Gafàgewesen. Gafà ist
nicht imAußenministerium tätig, son-
dernimAmt des Ministerpräsidenten. Ge-
genGafà wirdinmaltesischen Medien

der Vorwurferhoben, er habe für dieAus-
stellungvonVisa an libyscheRegierungs-
vertreterfür angebliche Krankheitsbe-
handlungen auf Malta Bestechungsgeld
kassiert. Gafàweistdie Vorwürfe zurück.
Nachdem Bericht der„Times of Malta“
tauschen die maltesischen Streitkräfte
mit der libyschen Küst enwacheregelmä-
ßig Informationenüber die Bewegung
vonFlüchtlingsbootenaus. Danachteilen
die Malteser den Libyern mit,wenn sich

ein Bootmit Migranten der maltesischen
Rettungszone imMittelmeer nähert–ver-
bunden mit demAuftrag an die Libyer,
das Flüchtlingsboot abzufangen und an
die libyscheKüst ezurü ckzubringen. Priva-
teSeenotretter berichten, dassdie liby-
scheKüst enwacheinmindestens einem
Fall in die maltesischeRettungszone ein-
gefahrensei, umvondortein Flüchtlings-
bootnachLibyenzurückzuschleppen.
Die „Times of Malta“ zitierteinen anony-
men maltesischenRegierungsmitarbeiter,
der die offenbar nur mündlichgetroffene
Vereinbarung bestätigt habe. Gäbe es die-
se Übereinkunftnicht, dann würde Malta
„unter Migranten ertrinken“.
Ein Regierungssprecher in Valletta
wies am Montag die Darstellung zurück,
die Verhandlungen seiengeheimgeführt

worden. BilateraleTreffenmit der liby-
schen Seitegebe esregelmäßig, dabei be-
wege man sichstets imRahmen des See-
rechtsund internationalerKonventionen.
Er verwies außerdemauf dieZusammen-
arbeitRoms sowie auchder EU mit den li-
byschen AutoritäteninTripolis, um
Schmuggel und Menschenhandel im Mit-
telmeer zu bekämpfen. Brüssel undRom
unterstützen die libyscheKüstenwache
mit Ausrüstung und mit viel Geld.Über
die genauen Summen hüllt sichaber die
italienischeRegierung in Schweigen. Der
Bericht der„Times of Malta“ legt nahe,
dassauchVallettadie libyscheKüstenwa-
chefür ihre„Abfangdienste“ bezahlt.
Ob es zu demvonmehreren Organisa-
tionenberichteten Zwischenfall mitder li-
byschen Küstenwacheinder maltesi-
schenRettungszonegekommen ist,woll-
te derRegierungssprecher am Montag
nicht bestätigen.Auch wollteernicht
kommentieren, obVallett alibyscheHä-
fenals sichereHäfen betrachtet,indenen
aus Seenotgerettete Menschen ohne Ge-
fahr für Leib und Leben an Landgebracht
werden können.Nach Überzeugung des
UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) so-
wie aller im Mittelmeer operierenden See-
notretter-Organisationen können Häfen
in Libyennicht als sicher eingestuftwer-
den. Eskann alsgesichertgelten, dasses
in den libyschen Lagern, in denen abgefan-
gene Bootsflüchtlingesowie auchMigran-
tenauf ihremWegvom Süden an die Mit-
telmeerküsteinterniertwerden,zuschwe-
renMenschenrechtsverletzungen wieFol-
ter, Vergewaltigung und Versklavung
kommt.Die Verbesserung der unhaltba-

renZustände in den Lagernhat die italie-
nischeRegierung bei ihren jüngsten Ge-
sprächen mitTripolis über das Memoran-
dum ausdrücklichgefordert.
Ebenfalls als gesichertkann gelten,
dassdie libyscheKüstenwachemit Mili-
zen kooperiert, die mit Schlepperbanden
zusammenarbeiten. Offenbar delegiert
die Küstenwachemitunter ihreAufgaben
bei der „Migrationskontrolle“imMittel-
meer auchdirekt an Milizen, die mit ihren
SchnellbootenFlüchtlingsboote mitWaf-
fengewalt abfangen und zudem private
Rettungsschiffe bedrohen, die ihnen dabei
in die Querekommen.Neben dem Geld
aus Rom, Vallett aund Brüssel, das über
die libyscheKüstenwacheandie Milizen
gelangt,fließt zusätzlichdas „Fährgeld“
der Migranten in derenKassen.
AusSicht der Zielländer der Boots-
flüchtlingeimzentralen Mittelmeer istdie
Kooperation mitTripolis unumgänglich–
zumal der humanitäreVerteilmechanis-
mus in der EU nicht funktioniert.Waren
2016 nochgut 180000 Migranten über das
Mittelmeer nachItalien gekommen, ging
derenZahl 2017–nachAbschlussdes Me-
morandums–auf knapp 120000 und 2018
auf nur nochrund 23000 zurück. Für
wirdein weitererRückgang erwartet.Mal-
ta,das vonder libyschen Hauptstadt Tripo-
lis nurrund 350 Kilometer entfernt ist,
will den Erfolg Italiens jetzt kopieren.
Denn nachAngaben der Internationalen
Organisation für Migration (IOM)kamen
bis AnfangNovember schonrund 3200
Bootsflüchtlingeauf Maltaan. Imgesam-
tenJahr 2018warenesnoch1450 gewe-
sen.

Brüc kenbauer


in Hannover


Geld für „Abfangdienste“


Nach Italien bezahlt offenbar auchder Inselstaat Maltadie libyscheKüstenwache /VonMatthias Rüb,Rom


ÖVPund Grüne müssen einenweiten


Wegzueiner Koalition zurücklegen


VonStephan Löwenstein,Wien


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im Mittelmeer einzudäm-
men,kooperiertValletta
auchmit lib yschen Milizen.
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