Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1
Troyke, Dance Me to the End of Love von Leonard Cohen
und eins von mir. Es darf auch keine Rede gehalten werden.
Das habe ich schon verfügt.
Erinnern Sie sich noch an Ihren allerersten Auftritt?
Das war in der Aula unserer Schule. Ich habe Sag mir, wo
die Blumen sind vorgesungen. Meine eigene Naivität hat
mir in den ersten Jahren sehr geholfen. Singen war für mich
komischerweise immer selbstverständlich. Ich konnte es
einfach. Es war ein lustiges Hobby, dessen Wichtigkeit ich
damals noch gar nicht begriffen hatte. Und ich wollte ja
eigentlich auch Schauspielerin werden.
Was gefiel Ihnen daran denn besser als an einer Karriere
als Sängerin?
Gar nichts, es war eher so ein Gefühl. Als Kind hatte ich mal
den Film Budapester Frühling mit der ungarischen Schau-
spielerin Zsuzsa Gordon im Kino gesehen. In dem Film geht
es um einen ungarischen Soldaten und eine jüdische jun-
ge Frau, die kurz vor Kriegs ende in Budapest von den Ver-
wandten des Soldaten versteckt wird. Die beiden verlieben
sich, bis eine Tante zu der Jüdin sagt: Ich kann dich nicht
länger verstecken. Danach sieht man Schuhe aufgereiht an
der Donau stehen. Schon damals wusste ich, dass die Frau
erschossen wurde. Dieser Film hat mein Leben verändert
und mir eine Richtung gegeben. Als ich aus dem Kino raus-
kam, wusste ich, dass ich Schauspielerin werden wollte und
nie wieder Westkaugummis kauen würde. In der DDR gab
es damals keine Kaugummis, deshalb hatte ich bis dahin die
ausgespuckten auf der Straße, die natürlich nur aus dem
Westen kommen konnten, aufgehoben und weitergekaut.
Aber nach dem Film wollte ich mit dem Westen nichts
mehr zu tun haben. Der Westen, das waren für mein klei-
nes Kinder hirn die Nazis, und die waren daran schuld, dass
Zsuzsa Gordon am Ende des Films sterben musste.
Sie wurden nach einer Lehre als Bibliothekarin an der
Schauspielschule Ernst Busch angenommen.

Während des Studiums habe ich schnell gemerkt, dass ich
nie eine gute Schauspielerin werden würde. Man musste
immer genau das machen, was der Drehbuchautor oder der
Regisseur will. Eigene Ideen waren nicht gefragt.
In dieser Zeit waren Sie mit dem Schriftsteller und späteren
Regisseur Thomas Brasch zusammen, mit dem Sie 1968 Ihr
erstes Kind bekamen. Wie haben Sie Brasch kennengelernt?
Auf einer Fete, die Thomas in der Boxhagener Straße 34 in
Friedrichshain gemacht hat und von der mir Freunde er-
zählt hatten. Ich war 18 Jahre alt und hatte an dem Abend
eigentlich schon eine Einladung zu einem Fest in meinem
Kindertheater, wo wir gerade Timur und sein Trupp von
Arkadi Gaidar aufführten. Im Kindertheater gab es aber
keinen Alkohol, also bin ich mit zu Brasch gegangen. Das
war irre. Thomas saß in seinem Zimmer, mit einer Schau-
spielschülerin auf seinem Schoß, und schaute mich die
ganze Zeit an. Irgendwann streckte er die Hand nach mir
aus. Danach waren wir zusammen.
War er Ihr erster Freund?
Nein, aber mein erster Mann. Er hat ein Vierteljahr ge-
wartet. Das war wirklich rührend. Leider waren wir nur
zwei Jahre zusammen. Als ich schwanger wurde, hat er
gesagt: Entweder das Kind oder ich. Er wollte nicht Va-
ter werden und hat mir dann von einem Kumpel, der
Mediziner war, einen Kasten mit lauter Fläschchen ge-
bracht. Die sollte ich trinken. Ich habe sie alle ins Klo
gekippt. Ich wollte das Kind haben. Die Schwangerschaft
war nicht der Auslöser, dass er sich von mir getrennt hat,
aber das i-Tüpfelchen. Außerdem hatte er da schon eine
andere. Das wusste ich aber nicht. An unserem Sohn war
er nach der Geburt nicht sehr interessiert. Na ja, wir sind
trotzdem Freunde geblieben.
Im Freundeskreis von Thomas Brasch gab es viele unange-
passte junge Künstler, Schriftsteller und Regisseure. Wie hat
man in diesem Freundeskreis über die DDR gesprochen?

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EIN FILM VON JULIEDELPY


JULIE
DELPY


RICHARD
ARMITAGE

DANIEL
BRÜHL

GEMMA
ARTERTON

AB 14. NOVEMBER IM KINO

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