Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1
du doch nicht für 380 Mark kommen!« Ich habe mich
dann beraten lassen und einfach eine Null drangehängt.
Haben Sie das Geld mit in die DDR genommen?
Nein. Klaus war 1980 nach West-Berlin übergesiedelt, und
ich habe den Großteil des Gelds auf ein Konto bei der Deut-
schen Bank überweisen lassen. Wenn ich es mitgenommen
hätte, hätte ich es ja eins zu eins umtauschen müssen.
1983 wurde ein Zoll- und Devisenverfahren gegen Sie er-
öffnet, das mit Ihrer Ausbürgerung endete.
Zuerst haben sie meinen blauen Reisepass nicht verlängert,
sodass ich nicht mehr reisen konnte, und mich ins Kultur-
ministerium bestellt, wo mir nahegelegt wurde, die DDR zu
verlassen, weil es hier keine Arbeit mehr für mich geben wer-
de. Ich würde weder singen noch in meinen alten Beruf als
Bibliothekarin zurückgehen können. Ich erklärte dem Herrn
im Ministerium daraufhin, dass meine Familie und meine
Freunde sicher für mich sorgen würden und man Staatsbür-
gerschaften doch nicht wie ein Nikki – so nannten wir in
der DDR das T-Shirt – wechselt. Ich wollte in der DDR le-
ben und bleiben. Danach wurde das Verfahren eröffnet, mit
dem Vorwurf, ich hätte jedes Konzert in Westdeutschland
und jedes Honorar vorher anmelden und genehmigen lassen
müssen. Das hatte ich nicht gemacht, weil kein Mensch von
dieser Regel wusste. Ich musste dann viermal in einer Woche
zum Hauptzollamt zur Vernehmung. Ich bin zu Gregor Gysi
gegangen und habe ihn gefragt, was mir jetzt passieren kann.
Er hat gesagt: Dieses und nächstes Jahr passiert dir noch
nichts, du bist zu bekannt. Aber in drei Jahren sitzt du. Ich
wusste, ein zweites Mal Knast halte ich nicht durch.
Haben Sie nach der Ausbürgerung noch an den Sozialismus
geglaubt?
An einen sozialen Sozialismus glaube ich bis heute. Man
muss das auch nicht Sozialismus nennen, man könnte auch
sagen: Ich glaube an christliche Grundwerte. Ich hätte gern
Gerechtigkeit, dass keiner arm sein muss und keiner so
reich sein darf, dass er mehr hat, als er ausgeben kann.
Sie haben im Laufe Ihrer Karriere zum Teil aber auch sehr
viel Geld verdient.
Ja, das fand ich auch immer ungerecht. Wieso bekomme
ich mehr als eine Krankenschwester? Ich habe mein Geld

aber ordentlich verteilt. Ich habe für Freunde, die es nicht
so dicke hatten, mal einen Fernseher oder Auslegeware
gekauft, Handwerker bezahlt oder ein Auto. Als meine
Rente kam, dachte ich: Scheiße, hätte ich mal was zurück-
gelegt. Aber es ist alles okay. Geld war für mich immer
mit schlechtem Gewissen verbunden, genau wie Reisen.
Ich habe mich dafür geschämt, dass ich für eine Arbeit,
die ich geliebt habe, zehnmal so viel verdient habe wie ein
Arbeiter. Wenn ich Königin wäre, würden alle das Gleiche
kriegen, und alles, was da ist, würde geteilt werden.
Ende der Achtzigerjahre waren Sie kurz mit dem damaligen
SPD-Politiker Oskar La fon taine zusammen. Wie haben Sie
ihn kennengelernt?
Bei einem Gewerkschaftskonzert. Oskar kam nach meinem
Auftritt zu mir und sagte: Frau Wegner, ich habe Ihnen
einen Platz an unserem Tisch freigehalten. Ich lehnte ab,
ich wollte lieber bei den Proletariern bleiben. Ein Jahr spä-
ter trafen wir uns auf einer ähnlichen Veranstaltung wieder.
Ich musste meine Gitarre aufs Hotelzimmer bringen, und
als ich in den Saal zurückkam, waren alle Tische voll. Nur
neben Oskar war noch ein Platz frei. Also habe ich mich zu
ihm gesetzt. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte mir,
dass Tiflis die Partnerstadt von Saarbrücken ist. Da habe
ich mich ganz arrogant hingesetzt und gesagt: »Na, dann
werden Sie wohl Stalins Lieblingslied kennen!« Er fing an
zu singen, auf Georgisch, und ich war sofort verliebt.
Haben Sie zusammengewohnt?
Nee, ich wäre doch nicht nach Saarbrücken gezogen.
Sie kamen aus sehr unterschiedlichen Welten.
Ja. Oskar war sehr empathisch mit dem Leben in der
DDR. Aber manchmal hatte er etwas die Bodenhaftung
verloren und lebte nicht mehr richtig unterm Volk. An
einem Sonntag, als ich bei ihm war, ist mir mal der Absatz
meines Schuhs abgebrochen. Er wollte seinen Schuster an-
rufen. Ich rief: »Spinnst du? Der hat jetzt Sonntag!«, und
bin barfuß gelaufen. Das fand er dann aber auch okay. Wir
hatten eine gute Zeit. Er war unglaublich charmant, und
ich glaube, er ist ein ganz treuer Mensch. Nur mit uns hat
es nicht geklappt. Die Liebe zwischen den Männern und
mir ist irgendwie immer aus ein an der ge gan gen. Mal wegen

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ZEITMAGAZIN-RÄTSELKALENDER 2020


* Zzgl. Versandkosten. Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

Jetzt im Buchhandel oder unter: shop.zeit.de/kalender^ [email protected] 040/32 80-101

Einfach genial – praktischer Kalender und kniffliges Rätselbuch in einem:
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Scrabble, Lebensgeschichte, Logelei und Sudoku wechseln sich dabei jede
Woche ab.
Details: Mit Lesebändchen, 2 Einstecktaschen, zusätzlichen Notizseiten, Stifthalter,
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25,00 €* Bestell-Nr.: 32534


Der perfekte Begleiter für alle Rätselfans:

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