Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1

Der Schweizer Online-Shop Ambition handelt mit
vielen bizarren Dingen. Unter anderem mit Auf-
klebern aus Goldfolie. Einer davon kostet knapp 20
Euro, man soll ihn auf sein Smartphone kleben. Da-
durch werden angeblich negative Energien abge-
wehrt, ohne das Empfangssignal zu beeinträchtigen.
Und, wichtig: »Die Energetisierung des Aufklebers
wurde bereits für die neue 5G-Mobilfunktechnologie
verstärkt.« Also mehr Energie für weniger Energie bei
gleichbleibender Energie in 5G.
Ein Kollege wies mich auf dieses ambitionierte
Produkt hin. Möglich macht den Effekt die »Blume
des Lebens« – ein schon vor der Erfindung des Mobil-
funks bekanntes Gitterornament, das den Aufkleber
ziert. »Die Blume des Lebens kann ein wirksamer
Schutz gegen Elektrosmog sein«, verrät der Händler.
Schon aus sprachlichen Gründen (aus logischen so-
wieso) sollte man skeptisch sein. Denn »kann« be-
deutet ebenso gut »kann aber auch nicht«. Letzteres
ist sogar überaus wahrscheinlich, sonst stünde da
nämlich nicht »kann« ein Schutz sein, sondern »ist«
ein Schutz. Allerdings müsste man dann Beweise
liefern, was vermutlich nicht so einfach ist.
Auch das weitere Angebot des Online-Shops be-
steht aus Schwurbelware. Da ist die kleine Folien-
rolle für die Benzinleitung des Autos, deren »nieder-
atomare Struktur (...) mittels eines Spezialverfahrens
verändert« wurde, wodurch das Fahrzeug 20 Prozent
weniger Sprit verbrauche und fast keine Abgase mehr
produziere (299 Euro). Oder der Chi-Stecker, der
»die Wirkung künstlicher elektromagnetischer Felder
im gesamten Wohnbereich spürbar harmonisieren«
könne (119 Euro). Für 99 Euro energetisiert die
Blume des Lebens als Untersetzer Obst und Toiletten-
artikel. Für 349 Euro senkt sie das »biologische Alter«
von Testpersonen um etwa 15 Jahre. Gezahlt werden
darf allerdings nicht per Mentalüberweisung, sondern
ganz klassisch per Vorkasse oder PayPal. Die Logik
mag bisweilen Urlaub machen, heißt das, aber der
Kapitalismus ist immer im Dienst.


Von Verkäufern genötigt? Genervt von Werbe-Hohl-
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Blume des Lebens


QUENGELZONE WIRTSCHAFTSKOMMENTAR

MARCUS ROHWETTERS wöchentliche
Einkaufshilfe

Was hat er verdient?
Das Gehalt von
VW-Betriebsrat
Bernd Osterloh
beschäftigt Gerichte

Foto (Ausschnitt): Peter Steffen/dpa

Macht euch ehrlich!


Der Streit um die Gehälter von VW-Betriebsräten zeigt:
Es braucht neue Regeln für ihre Vergütung.
Sonst leidet die Mitbestimmung VON CLAAS TATJE

D


iese Anklage hat Volkswagen noch
gefehlt. Ehemalige und aktuelle
Manager sollen fünf Betriebsrats-
mitgliedern zwischen 2011 und
2016 über fünf Millionen Euro zu
viel Gehalt gezahlt haben. Allein Betriebsratschef
Bernd Osterloh hat den Ermittlungen der Staats-
anwaltschaft Braunschweig zufolge drei Millionen
Euro zu viel kassiert. Rund 600.000 Euro im Jahr.
Mit Osterloh steht ein Mann am Pranger, der
bei seinem Amtsantritt 2005 behauptete: »Ich ver-
diene 6500 Euro brutto.« Er ist selbst auch gar
nicht angeklagt, sondern es sind die Personalvor-
stände, die sein Gehalt abgesegnet haben. Doch das
entlässt Osterloh nicht aus der Verantwortung, sich
zu erklären. Genauso sollten dieser und ähnliche
Fälle Politiker aller Parteien dazu bewegen, klare
Regeln zur Betriebratsvergütung zu schaffen.
Mit der derzeitigen Gesetzeslage sind Gehälter
wie jenes von Osterloh kaum zu erklären. Die
Arbeit im Betriebsrat ist dort als Ehrenamt gere-
gelt. So steht es seit über 40 Jahren im Betriebs-
verfassungsgesetz. Doch überall dort, wo im Ma-
nagement üppig verdient wird, langen auch die
Betriebsräte kräftig zu. Bei Autobauern, Zuliefe-
rern, ja selbst in Stahlwerken.
Damit formal alles rechtens ist, werden manche
Betriebsratsmitglieder vor Amtsantritt noch schnell
in eine höhere Gehaltsklasse gruppiert. Die Perso-
nalabteilungen nicken dieses Spiel ab, leise hoffend,
dass Konflikte nach dieser Vorleistung womöglich
auch mal in ihrem Sinne abgeräumt werden.

Die schönste Regel nützt nichts,
wenn sie willkürlich erscheint

Noch komplizierter wird es, wenn eloquente
Mitarbeiter wie Bernd Osterloh im Betriebsrat
Karriere machen und Jahrzehnte von der frühe-
ren Tätigkeit freigestellt im Gremium arbeiten.
Dann orientiert sich ihre Entlohnung an soge-
nannten Vergleichsgruppen, an denen die erwart-
bare Gehaltsentwicklung nachgezeichnet wird.
Mit wem aber soll man den gelernten Mechani-
ker und Kaufmann Osterloh, der vor seiner Wahl
in den Betriebsrat am Band arbeitete, verglei-
chen? Mit einem Topmanager oder mit einem
Bandarbeiter? Die schönste Regelung nützt
nichts, wenn sie willkürlich erscheint.
Was also tun? Im Grunde können sich die Be-
triebsräte bei ihren natürlichen Gegnern abschau-
en, wie es besser laufen könnte. Die Vorstände von
Großunternehmen müssen ihre Vergütungen ver-
öffentlichen. Ihr Verdienst richtet sich nach klaren
Kriterien, die auch veröffentlicht werden.

Die Transparenz würde Auswüchse nach oben
wohl dämpfen und so Verschwörungstheorien die
Wucht nehmen. Wie jene, dass es sich bei ihnen
um Co-Manager handle, die nicht wirklich für die
Interessen der Beschäftigten einstünden, sondern
nur für den eigenen Vorteil arbeiteten. Solche Vor-
würfe werden mittlerweile nicht nur von der
Arbeitgeberseite gestreut, sondern auch von der
AfD-nahen jungen Gewerkschaft Zentrum, die vor
allem in der Automobilindustrie aktiv ist. Solche
Anschuldigungen leisten dann dem Vorurteil Vor-
schub, Arbeit und Kapital steckten unter einer
Decke und untergrüben die Mitbestimmung.
Auch dem Image von Bernd Osterloh hätte
mehr Transparenz geholfen. Schon seit Jahren ist
sein Gehalt Gesprächsstoff. Er selbst räumte vor
zwei Jahren ein, als die Ermittlungen begannen, in
der Spitze rund 750.000 Euro im Jahr verdient zu
haben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft legt
nahe, dass es auch in den anderen Jahren wohl nur
ein Schnaps weniger war.

Osterlohs Job ist kein Ehrenamt, sondern
eine 70-Stunden-Woche

Dabei gibt es gar nichts zu verheimlichen. Man
kann Osterlohs Einkommen sogar rechtfertigen. Er
verantwortet die Zukunft von weit über 600.000
Beschäftigten. In seiner Amtszeit hat sich die Mit-
arbeiterzahl nahezu verdoppelt. Weil er seit der
Übernahme von Porsche noch mehr Verantwor-
tung für die Belegschaft trägt, weil er sich vielfach
engagiert – vom Fußball bis zur Mitarbeiterstiftung.
Das ist kein Ehrenamt, sondern eine 70-Stunden-
Woche. Nur gibt die derzeitige Gesetzeslage kein
Managergehalt in Millionenhöhe her. Am Dienstag
legte der VW-Betriebsrat seine Sicht der Dinge dar:
»Die Vergütung der Betriebsräte legt nicht Herr
Osterloh fest. Bereits deshalb trifft ihn keine Ver-
antwortung.« Laut Staatsanwaltschaft saß Osterloh
zusammen mit den angeklagten Personalmanagern
allerdings mit in der Kommission Betriebsratsver-
gütung, die die Gehälter festlegte.
Mag sein, dass Osterloh nicht verantwortlich
gemacht werden kann für sein Gehalt, aber er soll-
te für etwas anderes Verantwortung übernehmen.
Osterloh hat die Macht, mit der IG Metall eine
öffentliche Debatte zu entfachen, deren Ziel es
sein muss, die Gehälter von Betriebräten klar zu
regeln. Und die Gewerkschaft wäre gut beraten,
die Gehälter von Betriebsratsvorsitzenden ebenso
zu veröffentlichen wie Dax-Konzerne jene von
Vorstandsvorsitzenden. Wer auf Augenhöhe mit
den Managern diskutieren will, sollte auch aus
seinem eigenen Gehalt kein Geheimnis machen.

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26 WIRTSCHAFT 14. NOVEMBER 2019 DIE ZEIT No 47


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