Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1
Die japanische Gewichtheberin Hiromi Miyake bei den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien

Foto: dpa

Und am Ende


verdient das IOC


Olympische Spiele haben den Ruf, dass Organisatoren verdienen


und Bürger bezahlen. Für Tokio 2020 sollen private Sponsoren alle


Kosten tragen – ein gewagtes Versprechen VON FELIX LILL


E


ine »fantastische Summe« sei das,
freute sich John Coates Ende Juni.
Tatsächlich hatte kaum jemand für
möglich gehalten, was der Chef
der Koordinierungskommission
des Internationalen Olympischen
Komitees (IOC) für die Olympi-
schen Spiele im kommenden Sommer zu verkünden
hatte: Die japanische Hauptstadt Tokio wird sämt-
liche Kosten des zweieinhalb Wochen andauernden
Sportfestes aus Sponsorenerlösen ohne Steuergeld
bestreiten. Von »mehr als drei Milliarden Dollar aus
nationalem Sponsoring« berichtete Coates auf der
Pressekonferenz in Lau sanne, wo das IOC seinen
Sitz hat.
Für das Komitee hat diese Nachricht politische
Relevanz. Seit Jahren steht die Organisation, die die
Markenrechte an den Olympischen Ringen hält und
das Austragungsrecht für die größte Sportveranstal-
tung der Welt verleiht, in der Kritik. Denn wo das
IOC die Zelte für seinen Zirkus aufschlägt, entstehen
nicht selten große Finanzprobleme. Die geplanten
Budgets für die operativen Kosten wie Personal,
Marketing und Sicherheit werden in der Regel deut-
lich gesprengt, die Austragungsstädte zahlen daraus
resultierende Schulden teils über Jahrzehnte ab, was
auch daran liegt, dass die Spiele von Mal zu Mal gi-
gantischer und teurer geworden sind.
Das hat zu einem weitverbreiteten Eindruck
geführt, der der Akzeptanz der Olympischen Spiele


nicht immer nur zuträglich war, nämlich dem,
dass neben dem IOC selbst vor allem Unterneh-
men profitieren, die dicke Aufträge einfahren oder
mit dem olympischen Logo werben, sowie Regie-
rungschefs von wahlkampftauglichen Bildern. Für
den Steuerzahler, so der Eindruck, werde die Sache
dagegen zum teuren Spaß. Bürgerentscheide gegen
Olympische Spiele in Wien, Hamburg, München,
Innsbruck, Calgary, Sion und weiteren Städten
sind Ausdruck dieser Entwicklung.
Tokio soll nun offenbar als ermutigendes Bei-
spiel dienen. IOC-Offizielle loben immerzu, wie
gut die Vorbereitungen laufen und wie solide die


nen Jahr in einen Betrug verwickelt, weil er Daten
gefälscht hatte. Und der Transportkonzern Yamato
wurde ebenso im vergangenen Jahr dabei erwischt,
wie er bei Rechnungen Tausender Kunden Beträge
angesetzt hatte, die höher als vereinbart waren.
Fragt man den Sprecher der Tokioter Spiele Masa
Takaya angesichts der moralischen und juristischen
Fehltritte dieser Sponsoren, ob man jemals einen
zahlungswilligen Sponsor abgelehnt habe, weil die-
ser eben nicht zu den olympischen Prinzipien passe,
antwortet er: »Dazu kann ich nichts sagen.«
Selbst das offensiv beworbene Versprechen, dass
die öffentliche Hand nichts bezahlen muss für die
Spiele, an denen das IOC sehr gut verdient, ent-

spricht nicht ganz der Wirklichkeit. In ihrer Rech-
nung berücksichtigen die Organisatoren nämlich
nur jene Kosten, die während der laufenden Wett-
bewerbe anfallen – also Kosten für Strom, Sicher-
heitsdienste oder Catering. Die Kosten für den Bau
von Stadien, die ohne Olympia nie errichtet worden
wären, kommen darin nicht vor. Alles zusammen
sind es laut IOC dann nicht mehr 6,5, sondern 12,6
Milliarden US-Dollar. Politikprofessor Shinichi
Ueyama ist selbst bei dieser Summe skeptisch und
rechnet eher mit 20 Milliarden.
Erfahrungen aus der Vergangenheit passen zu
dieser Prognose: London 2012 und Rio 2016 waren
mit 76 und 51 Prozent Budgetüberschreitung noch

vergleichsweise seriös geplant. Im Durchschnitt liegen
die Kosten Olympischer Spiele 156 Prozent höher als
veranschlagt. Rekordhalter ist Montreal 1976 mit 720
Prozent Überschreitung. In einem Aufsatz zu den
Kosten Olympischer Spiele aus dem Jahr 2012 be-
schreiben die Ökonomen Bent Flyvbjerg und Allison
Stewart von der Universität Oxford einen zentralen
Grund, nämlich die Verpflichtung für den Veranstal-
terort, alle Kostenüberschreitungen der Spiele zu
tragen: »Die Daten legen nahe, dass diese Garantie
einem Blankoscheck entspricht, mit der Sicherheit,
dass die Kosten am Ende höher liegen werden als
anfangs angegeben.« Auch in Tokio gilt: Was offen-
bleibt, das zahlt laut Vertrag die öffentliche Hand.

Planung sei. Die ausschließlich aus der Privat-
wirtschaft eingespielten 3,1 Milliarden US-
Dollar sind jedenfalls das Dreifache der Sum-
me, die der bisherige Sponsoringrekordhalter
London für die Spiele 2012 an Land zog.
Die Sponsorengelder aus dem Gastgeberland
sollen damit die Hälfte der Betriebskosten im
kommenden Sommer ausmachen. Der Rest
stammt aus Zuwendungen des IOC, Einnahmen
von IOC-Sponsoren wie Intel, Alibaba oder Visa,
sowie aus Erlösen durch Ticketverkäufe.
Um die Summe aufzubringen, hat Tokio eine
ungeschriebene Regel ausgesetzt. Bisher galt bei
Olympischen Spielen, dass je Branche meist nur
ein einziger Sponsor exklusiv vertreten war. In
Tokio machen nun direkte Konkurrenten gemein-
same Sache. So haben Japan Airlines (JAL) und
All Nippon Airways (ANA), die beiden Erz-
konkurrenten der japanischen Luftfahrt, parallel
Sponsoringdeals für Tokio 2020 unterzeichnet,
was der Vorsitzende des Organisationskomitees
Yoshiro Mori nach der Vergabe des Austragungs-
rechts an Tokio im Jahr 2015 auf einer Pressekon-
ferenz sogleich mit patriotischem Pathos aufzula-
den versuchte: »Das ist es, was den olympischen
und den japanischen Spirit so großartig macht.«
Unter den 63 in Japan ansässigen Betrieben,
die nun die Spiele finanziell unterstützen, finden
sich diverse solcher Rivalen. So etwa die beiden
größten Sanitäranlagenhersteller des Landes,
Toto und Lixil, oder auch Tokyo Metro und
Japan Rail, zwei Konkurrenten auf Tokios Glei-
sen. Außerdem die Großbanken SMBC und
Mizuho sowie die Bauunternehmen Daiwa
House und Mitsui Fudosan. Die Liste ließe sich
fortsetzen. Um dabei zu sein, zahlen einzelne
Sponsoren nun bis zu 100 Millionen US-Dollar.
Die Großakquise der Werbeagentur Dentsu sollte
sicherstellen, dass das Versprechen der lokalen
Veranstalter auch gehalten wird: dass die Steuer-
zahler nichts bezahlen müssen.
»Die Kosten machen den Leuten in Japan
große Sorgen«, sagt Shinichi Ueyama, ein
Politik professor der Keio-Universität in Tokio,
der im Auftrag der lokalen Bürgermeisterin eine
Beratungskommission zum Budget der Olym-
pischen Spiele angeführt hat. Japans öffentlicher
Sektor ist mit für einen Industriestaat beispiel-
losen 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
verschuldet. Für teure Partys fehlt eigentlich
langfristig das Geld. »Außerdem hat auch das
IOC mittlerweile großes Interesse daran, dass
die Spiele möglichst günstig für die öffentliche
Hand sind.« Alles andere wäre schlechte PR.
Wobei das IOC schon bereit ist, imagemäßig
eine gewisse Flexibilität an den Tag zu legen. So
ist in der IOC-Charta, in der die Ideale der
Olympischen Bewegung aufgelistet sind, zwar
gleich in Absatz 1 die Rede vom »erzieherischen
Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen
Verantwortlichkeit« sowie »der Achtung univer-
sell gültiger fundamentaler moralischer Prinzi-
pien«. Tatsächlich sind das keine Ideen, auf die
man bei der Lektüre der Sponsorenliste Tokios
ohne Weiteres kommen würde. So fiel etwa der
Nudelhersteller Nissin Anfang dieses Jahres da-
durch auf, dass er die dunkelhäutige japanische
Tennisspielerin Naomi Osaka für einen ani-
mierten Werbefilm hellhäutig hatte aussehen
lassen. Nach Rassismusvorwürfen zog das Unter-
nehmen den Werbespot zurück. Der Elektronik-
hersteller Mitsubishi Electric war im vergange-

10 0


Millionen US-Dollar
zahlen einzelne
Sponsoren für Olympia
2020 in Tokio 3,1

Milliarden US-Dollar hat
das Olympische Komitee
bereits über nationale
Sponsoren eingenommen 12 ,6

Milliarden US-Dollar
sollen die Spiele in Tokio
2020 laut dem Komitee
insgesamt kosten

JAPAN

Tokio

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  1. NOVEMBER 2019 DIE ZEIT No 47 WIRTSCHAFT 31


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