Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1

WISSEN


Kunterbunte
Täuschung: Den
Computer lässt
ein Pixelhaufen
wie dieser hier
glauben, er habe
ein Haushalts­
gerät vor sich

M


enschen fällt es schwer, in
einer Banane einen Toaster
zu erkennen. Dafür braucht
man schon einen Compu-
ter mit künstlicher Intelli-
genz. Das ist kein Witz,
sondern ein unter Infor-
matikern wohlbekanntes Experiment: Auf einer
hölzernen Tischplatte liegt, nun ja, eine Banane.
Und der Computer, dessen Kameraauge darauf ge-
richtet ist, erkennt diese auch als »banana«. Als
dann aber eine Hand ein kunterbuntes, glänzendes
und ziemlich psychedelisch anmutendes Bildchen
neben die Banane ins Blickfeld der Kamera hält,
meldet die Bilderkennungssoftware »toaster«. Mehr
noch, nachdem sie die Zuversicht, das Richtige er-
kannt zu haben, bei der Banane mit 97 Prozent
angegeben hatte, ist sie sich jetzt plötzlich sogar zu
99 Prozent sicher.


Andere Fälle zeigen, wie eine Mikrowelle mit
störendem Sticker als Telefon einsortiert wurde.
Und wie nach Zugabe von ein paar Pixeln, die
kein Mensch bemerken würde, der Rechner einen
Pandabären als Gibbonäffchen erkennt.
Natürlich ist das witzig, nicht ohne Grund zir-
kulieren die Beispiele unter Fachleuten: So leicht
lässt sich also jene Zaubertechnik austricksen, die
seit einigen Jahren populäre Fantasien und Hoff-
nungen befeuert, die künstliche Intelligenz (KI).
Oder wie das Silicon-Valley-Zentralorgan Wired es
im vergangenen Herbst zusammenfasste: »KI hat
ein Problem mit Halluzinationen.«
Diese Schwäche kann gruselig erscheinen: So
konnten Forscher im vergangenen Jahr ein Stopp-
schild durch wenige geometrische Aufkleber, die
keinen Menschen stören würden, für eine Bilder-
kennung unkenntlich machen. Anderen gelang es,
dem Computer eine Plastikschildkröte durch

subtile Gravuren auf ihrem Panzer als Schuss-
waffe erscheinen zu lassen.
Straßenverkehr, Waffen – spätestens da hört
der Spaß auf. Adversarial attacks (»feindselige An-
griffe«) nennen Informatiker es, Systeme durch
gezielte Störungen zu völlig falschen Ergebnissen
zu verleiten. Bisher sind solche Attacken Experi-
mente im Labor, nicht aus dem echten Leben.
Irrelevant sind sie deshalb aber nicht. Ja, sie bieten
sogar die Chance, die Technik besser zu verstehen
und besser zu machen.
Gerade haben Tübinger Forscher um Michael
J. Black, Direktor am Max-Planck-Institut für
Intelligente Systeme, die Liste der Trugbilder um
ein Beispiel von neuer Qualität erweitert. Mit ei-
nem kleinen, kunterbunten Pixelhaufen haben sie
verschiedene Systeme zur Bewegungserkennung
(optical flow systems) gründlich von ihrer Aufgabe
abgelenkt: nämlich auf Basis von Videoaufnahmen

zu berechnen, wie schnell sich Objekte bewegen
und wohin. Schon ein Angriff auf einen kleinen
Teil des Bildes habe eine große Auswirkung ge-
habt, berichtet Black. Weniger als ein Prozent der
Fläche nahm der Pixelhaufen ein, störte aber er-
heblich. Ende Oktober haben die Tübinger ihre
Attacke bei der International Conference on
Computer Vision in Seoul demonstriert.
Weil optical flow-Systeme es erlauben, im Ge-
wusel einer Verkehrssituation die wesentlichen
Bewegungen (etwa von Fahrzeugen und Radfah-
rern) zu verfolgen, sind sie plausible Bausteine für
künftige selbstfahrende Autos. Um Herstellern
und Zulieferern Gelegenheit zu geben, ihre Systeme
auf Schwächen zu testen, hatten die Forscher sie
lange vor der Veröffentlichung informiert und
ihnen auch die störenden Pixelhaufen zugeschickt.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ • GENERATIONEN • MEDIZIN • ENERGIE • HYGIENE


Sind für den


Sauerstoff bedarf


jedes Menschen


16 Bäume nötig?


Beinahe umgekehrt: Ein einziger Baum
kann ein Dutzend Menschen mit Sauer-
stoff versorgen. Das schwankt zwar von
Baum zu Baum (und der Bedarf von
Mensch zu Mensch), daher sind solche
Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Aber
die Größenordnung stimmt.
Bäume ziehen ja CO₂ aus der Luft,
verarbeiten dessen Kohlenstoff zu
Nährstoffen und geben den Sauerstoff
großteils wieder an die Luft ab. Men-
schen und Tiere atmen ihn ein, ver-
brennen damit ihre Nahrung und at-
men als Abgas CO₂ aus – ein Kreislauf,
der einigermaßen in der Balance war,
bis die Industrialisierung ihn störte.
Ein einzelner ausgewachsener Baum
kann in Hoch-Zeiten mehr als ein Ki-
logramm Sauerstoff pro Stunde abge-
ben. Rechnen wir, da bei Laubbäumen
im Winter die Pro duk tion praktisch
zum Erliegen kommt, mit 500 Gramm
pro Stunde: Der Bedarf eines Men-
schen schwankt gewaltig, abhängig von
Körpergröße und Aktivität. Nehmen
wir der Einfachheit halber einen Durch-
schnitt von 1000 Gramm pro Tag (42
Gramm pro Stunde), dann könnte ein
Baum zwölf Menschen versorgen.
Werden weltweit Wälder gerodet,
hat das einen großen Einfluss auf die
CO₂-Konzentration in der Luft, sie
liegt bei 0,04 Prozent. Den Anteil
des Sauerstoffs am Luftgemisch ver-
ändert es aber kaum, weil er mit
etwa 21 Prozent viel größer ist. Die-
ser Wert ist in einer Mil lion Jahren
nur geringfügig zurückgegangen –
und der Mensch hatte nichts damit
zu tun. CHRISTOPH DRÖSSER

Stimmt’s?


... fragt Bruno Becker,
Düsseldorf

Die Adressen für
»Stimmt’s«-Fragen:

DIE ZEIT, Stimmt’s?,
20079 Hamburg,
oder [email protected].
Das »Stimmt’s?«-Archiv:
http://www.zeit.de/stimmts

A http://www.zeit.de/audio

Abb.: Norman Mu; Illustration: Armando Veve für DIE ZEIT

Fortsetzung auf S. 34

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Für Künstliche Intelligenzen schon! Deren neuronale Netze haben eine mysteriöse Schwäche:


Sie lassen sich von psychedelischen Mustern in die Irre führen VON STEFAN SCHMITT


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  1. NOVEMBER 2019 DIE ZEIT No 47 33


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