Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1

ENTDECKEN


Er sagt


Wie gleichberechtigt ist ihre Beziehung?
Hier erzählen Paare, wie sie versuchen, das Leben
gemeinsam auf die Reihe zu kriegen

Eine minimalistisch eingerichtete
Altbauwohnung in Berlin-
Wilmersdorf: Hier wohnen
Yvonne und Oliver gemeinsam
mit ihrem sechs Monate alten
Sohn Benedikt. Yvonne ist
kaufmännische Leiterin eines
Medienunternehmens, Oliver
Marketingmanager bei einer
Luxus uhren- Manufaktur. Sie
kennen sich seit 15 Jahren, sind
seit sieben Jahren ein Paar und
haben vor vier Jahren geheiratet.
Erst wird Yvonne am großen
Esstisch interviewt, Oliver geht
mit Benedikt spazieren. Dann
wechseln sie die Rollen.


Welcher Satz treibt Sie zur
Weißglut?
Sie: Kein Satz, eher ein Verhalten.
Ich liebe es, zu planen. Ich schrei­
be Listen: Kontoauszug checken,
Müll runterbringen. Ich erledige
Sachen gern zeitnah. Oliver
schiebt auf. Er sieht die Dinge
nicht.
Er: Mir fällt gerade nichts ein, ich
bin supermüde, weil Benedikt
heute um 5.30 Uhr Action ge­
macht hat.


Was ist die größte Herausforde-
rung in Ihrem Alltag?
Sie: Zeit füreinander zu finden.
Wir würden abends wahnsinnig
gern einfach miteinander schmu­
meln – so nennen wir schmusen,
die Nähe des anderen genießen,
Zeit haben. Momentan gehen wir
direkt ins Bett, damit wir am
nächsten Tag fit sind.
Er: Im Alltag mit einem Baby
klarkommen, nach 39 Jahren
ohne Kind. Ein Baby zu handeln
ist eine ganz schöne Herausforde­
rung. Wenn etwas schiefgeht,
man zu spät kommt, seit Tagen
keine Getränke gekauft hat, darf
man sich nicht verrückt machen.
Da muss ich Yvonne ein bisschen
bremsen. Mit Kind und Job gibt
es immer etwas, das man erledi­
gen könnte. Und Yvonne neigt
dazu, Zeug zu erledigen. Ich teile
Aufgaben ein in »lebensnotwen­
dig« und »nicht lebensnotwen­
dig«, das hilft.


Wie viel Prozent der Aufgaben
im Haushalt übernehmen Sie,
wie viel Ihr Partner?
Sie: Ich mache 80, Oliver 20.
Er: Realistisch: sie 70, ich 30.
Mein Ziel ist 60, 40. Die unglei­
chen zehn Prozent sind der Tat­
sache geschuldet, dass ich nicht
stillen kann. In den Wochen nach
der Geburt habe ich im Haushalt
fast alles gemacht, jetzt arbeite ich
wieder.


Wie organisieren Sie sich jetzt,
nachdem die Elternzeit vorbei
ist?
Sie: Ich fange an mit fünf Stunden
in der Woche. Einen Nachmittag
arbeite ich im Büro, ansonsten
von zu Hause aus. Zum Glück ist
mein Arbeitgeber entgegenkom­
mend. Oliver arbeitet nur noch
80 Prozent, zwar jeden Tag, aber


dafür ist er früher zu Hause und
übernimmt Benedikt.
Er: Der Plan ist, dass sie jetzt be­
ginnt, ein paar Stunden die Woche
zu arbeiten. Ich komme früher
von der Arbeit, und an den Tagen,
an denen sie ins Büro geht, gehe
ich morgens früher zur Arbeit, da­
mit ich eher heimkommen kann.

Haben Sie Abmachungen, wie
Sie sich den Haushalt aufteilen?
Sie: Es gibt Sachen, die Oliver lie­
ber macht als alles andere: staub­
saugen, Müll rausbringen, bügeln,
Mineralwasser kaufen. Wenn ich
das Kind den ganzen Tag schlep­
pe, schleppe ich nicht auch noch
Wasserkästen. Ich mache den
Rest.
Er: Wenn ich unter der Woche ar­
beite und Benedikt nachts auf­
wacht, kümmert sie sich um ihn,
damit ich schlafen kann. Am Wo­
chenende habe ich ihn dann über­
wiegend.

Worüber haben Sie zuletzt ge-
stritten?
Sie: Wir haben darüber diskutiert,
dass die Bundeswehr kostenlos
mit der Bahn fährt. Da kriege ich
gleich wieder Puls! Pfleger, Kin­
dergärtner, Lehrer – das sind für
mich Leute, die umsonst mit der
Bahn fahren sollten. Warum die
Bundeswehr? Ich habe einen Ar­
tikel dazu gelesen und Oliver so­
fort eine SMS geschrieben: »Ich
glaub, ich kotz!« Abends auf dem
Sofa ging es los.
Er: Wir streiten nicht, wir disku­
tieren. Ich bin oft nicht damit ein­
verstanden, dass Yvonne so defini­
tive Ansichten hat, so wenige
Grautöne. Ich bin katholisch ge­
tauft. Für sie ist die Kirche durch­
weg negativ besetzt, aufgrund der
Missbrauchsfälle, der Vertu­
schung, der Stellung der Frau ...
Sie hat sich furchtbar darüber auf­
geregt, dass »diese Mil liar dä re in
Frankreich« für Notre­ Dame in
kurzer Zeit Hunderte von Millio­
nen zugesagt haben. Es gebe
10.000 wichtigere Sachen. Ich
habe gesagt: »Notre­ Dame ist
mehr als eine Kirche, es ist ein
Wahrzeichen, ein französisches
Nationaldenkmal.« Jeder darf
entscheiden, wofür er sein Geld
ausgibt, selbst wenn es der 15.
Ferrari ist.

Wenn es ums Kind geht, wer
setzt sich durch?
Sie: Ich. Ich verbringe mehr Zeit
mit Benedikt. Oliver würde Bene­
dikt gern taufen lassen. Er fände
es schön, wenn unser Kind einen
Segen hat, eine Art Extra­Schutz­
hülle. Ich mag das Bild – aber es
ist halt immer noch die Kirche!
Wenn Oliver möchte, werden wir
eine freie Zeremonie mit Benedikt
machen, die einer unserer besten
Freunde durchführen wird. Ich
will das nicht einer Kirche über­
geben, die ich vom Grundsatz her
ablehne.
Er: Im Moment ist das eine rein
partnerschaftliche Geschichte. In

GETRENNT BEFRAGT (12)

Foto: Lena Giovanazzi für DIE ZEIT

so einer frühen Phase versucht
man einfach nur dafür zu sorgen,
dass das Kind überlebt und man
selber nicht durchdreht. Aber es
gibt ein Thema, das konnte ich
nicht so stehen lassen: die Taufe.
Du hast kein seelisches Trauma,
wenn du getauft wurdest. Unser
Kind kann, sobald es weiß, was es
will, sofort aus der Kirche austre­
ten. Ich bin nicht im klassischen
Sinn gläubig, aber denke, es kann
ja nicht schaden. Als Eltern musst
du eh in Vorleistung gehen und
entscheiden, was fürs Kind richtig
oder falsch ist.

Fällt jemals der Satz: »Du hast
recht«?
Sie: Meist fällt eher der Satz: »Da
müssen wir halt mal in eine Statis­
tik gucken.« Dann sitzt jeder
vorm Handy oder Rechner und
sucht Belege für seine These.
Er: Selten. Es ist aber nicht so,
dass ich Probleme damit hätte,
Fehler zuzugeben.

Bei welchem Thema werden Sie
sich nie einig werden?
Sie: Bei der Todesstrafe. Oliver
sympathisiert damit. Er findet,
wer Menschenleben absichtlich
auslöscht, habe es nicht verdient,
zu leben. Ich kann seine Wut und
seine Gedanken verstehen. Aber
letzten Endes ist das zu kurz ge­
dacht. Man kann keinen anderen
Menschen töten lassen. Wir gera­
ten immer an ein an der, wenn es
um »rechte« und »linke« Themen
geht. Ich bin immer zu links, Oli­
ver ist immer zu rechts.
Er: Eines? Ich halte es für unver­
nünftig, ein Auto in Berlin zu ha­
ben. Aber ich habe zwei. An den
Grünen finde ich vieles sympa­
thisch, aber es gibt ein paar bana­
le, peinliche Punkte, die sie für
mich unwählbar machen. Klassi­
sches Beispiel: Geschwindigkeits­
begrenzung auf der Autobahn.
Vieles, was auch Yvonne unter­
stützt, schießt übers Ziel hinaus.
Einschränkung von Fleischkon­
sum, Flugverbot – all die aktuel­
len Themen, die man in der lin­
ken, grünen oder intellektuellen
Form diskutiert. Ich sehe die Not­
wendigkeit für Veränderungen,
aber nicht in dieser drastischen,
unvernünftigen Weise. Eigentlich
bin ich nicht so konservativ, außer
wenn man mich mit Yvonne ver­
gleicht. Ich wünsche mir Realis­
mus statt Populismus.

Was ist schön daran, mit einem
Menschen zusammen zu sein,
der oft anderer Meinung ist?
Sie: Ich bin wahnsinnig daran
interessiert, Olivers Standpunkt
kennenzulernen. Ich habe zu
Hause nicht streiten gelernt.
Wenn es laut wurde, bin ich er­
starrt und wollte im Erdboden
versinken. Oliver sagt: »Jetzt
sprich doch mit mir, sag doch
was.«
Er: Es ist inspirierend. Es fordert
einen. Man entwickelt sich weiter.
In meinen vorherigen Beziehun­

gen war ich nie so ehrlich, diese
Ehrlichkeit ist auch wahnsinnig
anstrengend. Das macht man nur,
wenn die Partnerin einem wirk­
lich wichtig ist.

Wie haben Sie sich ineinander
verliebt?
Sie: Wir hatten mit Anfang 20 ein
Intermezzo in Stuttgart, wir ha­
ben bis nachts um fünf mit ein an­
der geredet und sind im Bett ge­
landet. Dann bin ich nach Berlin,
zum Studium. Als wir uns acht
Jahre später wiedergesehen haben,
passierte das Gleiche wieder. Die
Mischung aus Humor und Ernst­
haftigkeit, unsere unterschiedli­
chen Meinungen auszutauschen,
gefiel mir. Ich machte ihm eine
Ansage: »Ich hatte noch nie eine
Fernbeziehung, mit dir würde ich
eine anfangen.« Und er sagte:
»Okay.«
Er: Bei unserem zweiten Wieder­
sehen. Ich habe mich noch nie so
schnell in eine Frau verliebt wie in
Yvonne. Ich habe sie am Stuttgar­
ter Bahnhof abgeholt, wir sind am
Bärenschlössle spazieren gegan­
gen. Als ich auf dem Parkplatz ins
Auto gestiegen bin, habe ich ge­
dacht: Das fühlt sich sehr gut an.

Haben Sie ein gemeinsames
Konto?
Sie: Wir haben ein Mietkonto, wo
jeder seinen Mietanteil prozentual
von seinem Lohn überweist.
Er: Ja, aber nur für Miete und Fix­
kosten. Jeder zahlt einen Betrag,
der dem Lohnverhältnis ent­
spricht.

Wer verdient mehr Geld?
Sie: Oliver. Wir haben jetzt darü­
ber nachgedacht, ob er mir für die
Elternzeit einen Ausgleich für die
Rente zahlt.
Er: Ich. Aber keinen exorbitanten
Betrag.

Wer gibt mehr Geld aus?
Sie: Oliver. Er ist die Shopping­
Queen bei uns. Ein beliebter Satz
von ihm lautet: »Ich habe ja gar
nichts anzuziehen.« Er liebt schö­
ne Sachen, fährt Daimler und
Porsche, ich habe kein Auto. Ich
bin nicht so luxusgesteuert. Es ist
seine Kohle, von daher ist das völ­
lig in Ordnung. Ich bin da eigent­
lich sehr liberal.
Er: Ich. Ich gehe wahnsinnig gern
gut essen. Ich trinke gern gute
Weine. Ich mag klassische Her­
renmode. Yvonne steht vorm
Kleiderschrank und sagt: »Ich
habe nichts zum Anziehen.« Und
sie hat wirklich nichts! Unser
Kleiderschrank besteht zu zwei
Dritteln aus meinem Zeug. Wir
gehen dann zusammen für sie ein­
kaufen.

Aufgezeichnet von Sarah Levy

Unsere Gesprächspartner waren
bereit, offen und ehrlich über
ihre Beziehung zu sprechen


  • allerdings nur, wenn wir ihre
    Nachnamen nicht nennen


Sie sagt


Yvonne, 38, und Oliver, 39, geraten aneinander,wenn es um »rechte« und »linke« Themen geht

70 14. NOVEMBER 2019 DIE ZEIT No 47


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