Der Stern - 07.11.2019

(Kiana) #1

ALLE FÜR EINEN



  1. Sieben Jugendliche
    treffen sich zu einem Zelt-
    lager im Wald. Sie sind
    gute Freunde. Die Stim-
    mung ist aufgekratzt –
    dafür sorgen Alkohol und
    Drogen. Eines Morgens ist
    Aurora verschwunden, die
    attraktive 14-Jährige, die gleich mehreren
    jungen Männern den Kopf verdreht hat.
    30 Jahre später wird ihre Leiche gefunden.
    Und Detective Chief Inspector Jonah
    Sheens hat mindestens sechs Verdächtige:
    Auroras Freundinnen und Freunde von
    damals, die offenbar noch immer für-
    einander durchs Feuer gehen würden.
    Was haben sie zu verbergen? Was genau
    geschah in jener Nacht? Der Polizist muss
    einen Mörder finden, der alles tut, damit
    sein Geheimnis gewahrt bleibt. „Bis ihr
    sie findet“ markiert das Krimidebüt der
    englischen Theaterautorin Gytha Lodge.
    Ein fesselndes Drama um Freundschaft,
    Betrug und Verrat. (Hoffmann und Campe,
    14,90 Euro) Tobias Schmitz


AUF IN DIE DUNKELHEIT


Der Ermittler Duca Lam-
berti steht vor einem
Rätsel: Eine junge Frau,
atemberaubend schön,
aber geistig zurückge-
blieben, ist am helllich-
ten Tag aus der Wohnung
ihres Vaters verschwun-
den. Der redliche Mann sucht lange Zeit
nach seiner Tochter – und schafft es, dass
Lamberti die Ermittlungen wieder auf-
nimmt. Sie führen ihn in die Dunkelheit
der Mailänder Unterwelt, in ein bedrücken-
des Milieu von Prostitution, Menschen-
handel und Mord. „Ein pflichtbewusster
Mörder“ bildet den Abschluss der berühm-
ten vierteiligen Duca-Lamberti-Reihe des
1969 verstorbenen italienischen Krimi-
großmeisters Giorgio Scerbanenco, die
vom Folio-Verlag wieder aufgelegt worden
ist. Noch immer begeistern Scerbanencos
Sprache und seine Fähigkeit, Menschen
und ihre Lebenswelt liebevoll-genau
zu zeichnen. Eine lohnende Wiederent-
deckung. (Folio, 18 Euro) Tobias Schmitz

RITA RISKIERT WAS


Der Österreicher Bern-
hard Aichner (bekannt
etwa durch seine „Toten-
frau“-Trilogie) hat seinen
ganz eigenen Sound. Sei-
ne Thriller erkennt man
sofort wieder: an ihrem
atemlosen, schnörkello-
sen Stil. Seitenlange Beschreibungen, wie
das Wetter ist oder die Gegend aussieht?
Nicht bei Aichner. Der Mann ist der Meis-
ter des abgespeckten Plots. Der erschließt
sich oft in schnellen Dialogen zwischen
den Protagonisten. So auch in seinem
neuen Krimi „Der Fund“: Ein Supermarkt
bekommt eine Lieferung mit Bananen aus
Südamerika. In einer der Kisten entdeckt
die Kassiererin Rita mehr als zwölf Kilo
Kokain. Sie ist Mitte 50, ihr Leben verläuft
trist. Natürlich müsste sie den Fund
melden. Aber Rita schließt den Karton
wieder und nimmt ihn später mit nach
Hause. Ein folgenschwerer Entschluss, der
eine Spirale der Gewalt in Gang setzt.
(BTB, 20 Euro) Kester Schlenz

TOD AUS DEM BADEZIMMER


Wissen ist Macht, heißt es,
und der Roman „Der
Fremde im Haus“ wird
stark von dieser Sentenz
bestimmt. Der junge Lon-
doner Schriftsteller Carl
hat einen Lauf: Buch ver-
legt, Beziehung glücklich,
Haus geerbt. Dessen oberste Etage
hat er an einen kauzigen Katholiken ver-
mietet. Doch dann verkauft Carl einer
Freundin Diätpillen aus seinem geerb-
ten Badezimmerschrank – und sie stirbt
daran. Zwischen ihm und dem Mieter
beginnt ein Spiel aus Schuldzuweisun-
gen und Drohungen. Der Leser kann
beinahe nachvollziehen, warum der spä-
tere Täter in dieser Geschichte schließlich
zuschlägt. Es ist Ruth Rendells letzter
Roman, erschienen nach ihrem Tod 2015.
Er umfasst sehr viele Personen und
Seiten stränge, und sein Plot lässt einige
Enden offen, doch im Kern fasziniert er
durch seine Eigenartigkeit: Er macht er-
lebbar, wie ein Mann zum Mörder wird.
(Blanvalet, 18 Euro) Mirijam Trunk

MORD AN BORD


Den Preis für das schöns-
te Cover auf dieser Dop-
pelseite hat „Die Stille
vor dem Sturm“ schon
mal sicher. Aber natürlich
ist diese türkisblaue Post-
kartenherrlichkeit trü-
gerisch. In ihrem neuen
Thriller schickt die Autorin Marina Heib
zwei Reedersöhne zusammen mit ein
paar Freunden nach Gran Canaria, um von
dort aus die Yacht „Dorada“ für ihren Vater
auf die Cayman Islands zu über führen. Sie
nehmen einen Schiffbrüchigen auf, und
der rätselhafte Typ ist erwartungsgemäß
sofort der Hauptverdächtige, als ein
Mitglied der Crew ermordet und die kom-
plette Schiffselektronik sabotiert wird.
Heib lässt gekonnt das Gruppen gefüge
erodieren und die Volten sprießen. Insge-
samt hat das nicht die psychologische
Tiefenschärfe ihres verstörenden Vor-
gängers „Drei Meter unter Null“, fällt da-
für aber temporeicher und gefälliger aus.
Ahoi, volle Fahrt ins Verderben voraus!
(Pendragon, 18 Euro) Bernd Teichmann

IN EINER KLEINEN STADT


Eine kleine Welt tut sich
auf in Camilla Grebes
„Tagebuch meines Ver-
schwindens“: Ormberg,
ein entvölkerter Ort in-
mitten eines Waldgebiets
im schwedischen Sörm-
land. Hierhin verschlägt
es ein Ermittlerteam, um den Tod eines
Mädchens aufzuklären, dessen Skelett vor
acht Jahren auf einer Geröllhalde gefunden
wurde. Wer war das Kind, und warum ver-
misste es niemand? Zu den alten Fragen
kommen schnell neue hinzu, als einer der
Ermittler verschwindet, eine Profilerin blu-
tig und verschmutzt aus dem Wald kriecht
und die Geröllhalde abermals zum Schau-
platz des Todes wird. Wie mit einem Zoom
nähert sich die schwedische Autorin Grebe
dem Dorf, blickt durch die Augen ihrer drei
Protagonisten auf den Alltag, auf die Schü-
be von Frust und Fremdenhass und das un-
heilvolle Ge schehen – in dem sich Dramen
der großen Welt offenbaren. Ein raffiniert
erzählter Thriller mit einem verblüffenden
Schluss. (BTB, 15 Euro) Ursula Hien

Koks in Cork, Mord in Malaysia, lahme


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KULTUR

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