Michalczewski,
51, zu Hause in
Danzig, wo er mit
seiner dritten
Frau und den zwei
gemeinsamen
Kindern lebt
FOTOS: RENATA DABROWSKA/STERN; ULLSTEIN BILD
Michalczewski,
1968 in Danzig
geboren, begann
als Zwölfjähriger
mit dem Boxsport.
Nach ersten Er-
folgen als Jugend-
licher ging er mit
20 nach Deutsch-
land und wurde
Profi beim Univer-
sum Boxstall in
Hamburg. Wegen
seines aggressiven
Boxstils nannte
man ihn den
„Tiger“. Von
1994 bis 2003 war
er Weltmeister
im Halbschwerge-
wicht. Legendär:
sein Kampf gegen
Graciano Rocchi-
giani 1996 im Sta-
dion am Hambur-
ger Millerntor,
den Michalczewski
(kl. Foto, links)
nach einer umstrit-
tenen Disqualifi-
kation Rocchigianis
für sich entschied.
S
ie haben zahlreiche sportliche
Triumphe hinter sich, Scheidun-
gen, Skandale. Wie blicken Sie auf
Ihr bisheriges Leben zurück?
Es war alles perfekt, so wie es
war. Die guten wie die schlechten
Dinge – ich würde nichts anders machen.
Ich habe viel gelernt da draußen. Und ich
habe mir selbst bewiesen, dass im Leben
das meiste locker vom Hocker geht, dass
man sich nicht um alles sorgen muss.
Was war der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Das war der Kampf gegen Rocky ...
... Ihren Erzrivalen Graciano Rocchigiani.
Wir beide haben eine richtig gute Show ab-
gezogen. Alle dachten, wir sind aufs Blut
verfeindet, aber eigentlich haben wir uns
respektiert. Es war gut für das Geschäft, sich
öffentlich zu streiten. An unseren Kämp-
fen haben wir schlussendlich beide jeweils
umgerechnet acht Millionen Euro verdient.
Rocky war also ein feiner Kerl?
Ja, ein feiner Kerl mit dummem Stolz. Er ist
mit keinem zurechtgekommen und keiner
mit ihm. Und er hatte die falschen Berater.
Vor einem Jahr ist er als Fußgänger in
Italien von einem Auto erfasst worden
und gestorben. Hätten Sie ihm gern noch
was gesagt?
Ja, dass ich stolz auf ihn bin. Dass ich
froh bin, dass er mein Kumpel war.
Kurz vor seinem Tod wollten wir uns noch
an einem See in der Nähe von Danzig
treffen.
Was haben Sie mit Ihrem Geld ge-
macht?
Ich habe einen Energydrink namens „Tiger“
auf den Markt gebracht, wir machen jähr-
lich 50 Millionen Umsatz. Das ist meine
Rente. Früher habe ich viel für Partys nach
den Kämpfen ausgegeben. Das war die bes-
te Zeit meines Lebens.
Wie muss man sich so eine Party vor-
stellen?
Haben Sie auch junge Leser, unter 30?
Das hoffen wir.
Dann kann ich das nicht erzählen. Man
muss mindestens 30 sein, um davon zu
erfahren.
Sie waren damals jünger.
Ich habe früher angefangen.
Vermissen Sie diese Zeit?
Klar. Aber die Zeiten haben sich geändert.
Ich bin jetzt 51, habe vier Kinder, zwei von
ihnen sind noch recht klein, mein Sohn ist
zehn, meine Tochter vier Jahre alt. Ich brin-
ge sie in die Schule, zum Schwimmen, zum
Tennis. Ich habe so viel Geld in meinem
Leben verdient, dass ich nie mehr arbeiten
muss, und das genieße ich.
Sie leben jetzt wieder in Ihrer Geburts-
stadt, in Danzig.
Ich liebe Polen! Ich liebe es, hier zu leben.
Das, was in Polen politisch läuft, ist nicht
mein Ding. In Deutschland habe ich
die offene Demokratie schätzen gelernt:
Alle sind gleich, ganz egal, welche Haut-
farbe und welche sexuelle Orientierung.
Hauptsache, ein guter Mensch. Dazu stehe
ich auch.
Macht Sie das unbeliebt?
Ja, aber das macht mir nichts aus. Viele
sehen mich hier auch als Verräter, weil ich
damals nach Deutschland gegangen bin.
Aber was andere von mir denken, wird mir
immer mehr egal. Was die polnische Pres-
se über mich schreibt, interessiert mich
mittlerweile einen Scheiß. Die Menschen,
die mich persönlich kennen, schätzen
mich aber alle.
Haben Sie vor, wieder nach Deutschland
zurückzukommen?
Vorerst eher nicht. Aber ich liebe Deutsch-
land, und ich liebe Hamburg. Hier sind
alle Erinnerungen an die geilen Zeiten im
Leben. Ich habe ja auf allen Hochzeiten
getanzt. 2 Interview: Gabriel Prödl
Der gebürtige Pole – Spitzname „Tiger“ – war als Boxprofi
im Halbschwergewicht zwölf Jahre lang ungeschlagen
Dariusz Michalczewski
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