DIE SCHULBAU-
OFFENSIVE IN
PANKOW DAUERT
NICHT ZEHN,
SONDERN
werden – eine beeindruckende Summe. Die
Sache hat nur einen Haken: Berlin hat zwar
Milliarden für den Schulbau, aber keine
Beamten, die das Geld ausgeben könnten.
„Geld ist wirklich nicht unser Hauptpro-
blem“, sagt Torsten Kühne. Er ist Stadtrat
für Schule, Sport, Gesundheit und gleich-
zeitig der Chef der Abteilung Facility
Management in Pankow, dem mit 410 000
Einwohnern bevölkerungsstärksten Be-
zirk Berlins. Sein Büro sieht aus, als wäre
der Stasi-Oberst, der hier einst residierte,
erst gestern ausgezogen. Vermutlich nie-
mand in der gesamten Republik baut mehr
Schulen als Kühne: 24 komplette Neubau-
ten und mindestens 40 Grundsanierungen
und Erweiterungen stehen auf seiner
To-do-Liste. „Jedes einzelne Projekt ist
eine Mammutaufgabe für unsere kleine
Bezirksverwaltung“, sagt Kühne.
Auf Kühnes Schreibtisch türmen sich Ak-
ten der vier Ressorts, für die er verantwort-
lich ist, nach Farben sortiert. Mehrmals
täglich kommt Nachschub. Kühne, der
Schulstadtrat, freut sich, dass die Schüler
endlich funktionierende Schulgebäude be-
kommen sollen. Kühne, der Bauplaner,
weiß: Viele Vorhaben sind zwar längst
finanziert, werden aber niemals verwirk-
licht. Die Planung von öffentlichen Gebäu-
den dieser Größenordnung ist eine kom-
plexe Angelegenheit. Umweltgutachten
müssen eingeholt, Anwohner, Eltern, Leh-
rer und Schüler einbezogen werden. Jeder
Plan benötigt Genehmigungen von diver-
sen anderen Ämtern. „Und die sind alle
heillos unterbesetzt.“ Kühne hat ausge-
rechnet, dass er allein für die Planung, Aus-
schreibung und administrative Abwick-
lung der 40 Schulsanierungen mindestens
80 ausgebildete Baufachkräfte brauchte,
die zehn Jahre lang nichts anderes machen.
Und da sind die Neubauten noch nicht
mitgerechnet. Er hat aber nur 20 Leute. „So
dauert die Schulbauoffensive in Pankow
nicht zehn, sondern 40 Jahre“, sagt Kühne.
„Bitte nehmt das Geld!“
Könnte er nicht einen Teil des Baugeldes für
mehr Personal ausgeben? „Das verbietet das
Haushaltsrecht. Außerdem finde ich doch
keine Bauingenieure. Die verdienen über-
all das Doppelte.“ Vielleicht könnten Kolle-
gen aus anderen Ämtern aushelfen. Schließ-
lich hat der Schulbau angeblich Priorität.
„Kommen Sie mal mit“, sagt Kühne, geht
zum Fenster und zeigt auf einen anderen
Gebäudeteil. Dort weht ein weißes Bett-
laken aus einem Fenster. „Das ist ein Hilfe-
ruf“, sagt Kühne, „mit den Bettlaken protes-
tieren die Kollegen vom Jugendamt gegen
die Personalnot. Auch die können ihre ge-
setzlichen Aufgaben nicht erfüllen.“
Zur Jahrtausendwende hatte Pankow
350 000 Einwohner und das Bezirksamt
rund 4000 Mitarbeiter. Inzwischen ist die
Einwohnerzahl um fast 20 Prozent ge-
wachsen, während die Bezirksverwaltung
um die Hälfte auf gut 2000 schrumpfte.
„Die Situation ist unverantwortlich und
das schon seit Jahren“, gesteht Kühne. Pan-
kow ist keine Ausnahme. Der Niedergang
der öffentlichen Verwaltung in der Haupt-
stadt hat einen Namen: Thilo Sarrazin. Be-
vor er Deutschlands Ausländerfeinde mit
Alles noch so schön analog hier:
Der digitale Wandel lässt in der
Verwaltung auf sich warten
„
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