stärke von 1998 gut zehn Milliarden mehr
einnehmen würden. Der Staat verhält sich
wie ein Supermarkt betreiber, der das Per-
sonal an der Kasse entlässt. Und sich am
Abend über die niedrigen Einnahmen
wundert.
Könnten private Unternehmen die Auf-
gaben nicht schneller und günstiger erle-
digen? Womöglich schon, doch die vielen
hoheitlichen Aufgaben (wie Polizei, Ge-
richte oder Finanzverwaltung) können
nicht an Firmen delegiert werden. Einige
Jahre war die „Public-Private-Partnership“
in vielen Verwaltungen modern, die Zu-
sammenarbeit zwischen staatlichen Stel-
len und Firmen. Inzwischen hat sich je-
doch gezeigt: In der Regel profitiert dabei
nur einer, und das ist nicht der Staat.
Dass die Aufgaben des öffentlichen
Dienstes immer komplexer werden, wür-
de sich nicht ändern, wenn künftig Unter-
nehmen dafür verantwortlich wären. Zum
Beispiel beim Schulbau im Bezirk Pankow.
Die Bornholmer Grundschule platzt aus
allen Nähten, seit Jahren. Darum ist die
Finanzierung der Erweiterung gesichert,
auch seit Jahren. Doch wohin soll sich die
Schule ausweiten? Höher darf sie nicht
werden, wegen des Stadtplanungsrechts.
Tiefer geht nicht, wegen einer Hochdruck-
Wasserleitung unter dem Gebäude.
Neben der Schule liegt ein Brachge lände.
Das würde perfekt passen, doch es gehört
der Republik Bulgarien. Deren Botschaft
will dort Wohnungen für Bedienstete bau-
en. Um diese Pläne zu ändern, müsste die
Bundesregierung mit der Regierung in
Sofia reden. Bis die Verhandlungen ab-
geschlossen sind, sind die Grundschüler
längst selbst Eltern. Auf der anderen Seite
grenzt eine Kleingartenkolonie an die
Schule. Die Datschenbesitzer haben Liebe
und Schweiß von Generationen in ihrem
Schmuckstück verbuddelt. Natürlich ha-
ben sie ein berechtigtes Interesse, dass ihre
Idylle nicht zerstört wird.
„Ich hab da mal was vorbereitet“
„Wir können eine Schulsanierung nicht so
durchziehen wie vor hundert Jahren“, sagt
der Stadtrat Torsten Kühne. „Ohne die Be-
teiligung von Lehrern, Eltern, Schülern und
Anwohnern geht das nicht.“ Bürgerbeteili-
gung ist eine demokratische Errungen-
schaft, auf die heute niemand verzichten
will. Darum muss Kühne bei jedem Schul-
bauprojekt die Beteiligten zu diversen Ver-
sammlungen einladen. In Pankow sind stets
mehrere Anwälte und Architekten anwe-
send, die irgendwann ein Papier aus der
Tasche ziehen mit den Worten: „Ich hab da
mal was vorbereitet.“
Eigentlich braucht Kühne für die über 60
Schulbauprojekte eine eigene Abteilung
von Experten für Bürgerbeteiligung, die
jede Woche mehrere Versammlungen orga-
nisieren. Doch für diese zentrale Aufgabe
hat Kühne exakt keine Stelle. Bürgerbe-
teiligung – noch so eine sinnvolle Zusatz-
aufgabe des öffentlichen Dienstes, für die
es keine Leute gibt.
Der deutsche Staat beschäftigt etwa
4,8 Millionen Menschen im öffentlichen
Dienst. Das müsste doch ausreichen, um
die Aufgaben zu erfüllen – wenn der Ap-
GELD IST WIRKLICH
HAUPTPROBLEM“
Stadtrat Kühne hat in Berlin-
Pankow mehr als 60 Schulbau-
projekte auf dem Tisch – und kein
Team, das wichtige Aufgaben
wie die Bürgerbeteiligung steuert
UNSER
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