FOTO: MICHAEL PROBST/DPA
war es, was die Gesellschaft und den Appa-
rat der DDR gleichermaßen erschütterte.
Jemals geglaubt, dass die RAF-Häftlinge
in Stammheim ermordet wurden?
Nicht einen Wimpernschlag lang.
Wer war der schlimmste West-Linke?
Für mich Diether Dehm, der jetzt für den
elenden Rest der SED im Bundestag sitzt.
Er hat mich im Westen gemanagt und flog
später als Stasi-Spitzel auf.
Was Dehm bestreitet. Ihre Ziehtochter
Nina Hagen zeigt Masturbiertechniken
in einer TV-Show. Fremdgeschämt?
Leider nicht gesehen. Oder – zum Glück
nicht. So wunderbar verrückt wie Nina ist
nur Nina.
DIE 80ER JAHRE
Ausgerechnet Franz Josef Strauß fädelt
den Milliardenkredit für die DDR ein.
Gelacht oder geweint?
Weder noch. Die Chefs für Wirtschaft im
Politbüro Günter Mittag und Erich Apel
waren umerzogene Nazis. Dass ausgerech-
net der verhasste, umerzogene Wehr-
machtsoffizier Strauß mit den Bonzen
gemeinsame Sache machte, passte mir
damals genau ins Bild. Verbündete eben.
Und ich kam damals nicht auf die Idee, dass
der Kredit die Existenz der DDR verlän-
gert – weil ich ja glaubte, dass die DDR ewig
dauert, also länger als ich.
Wann haben Sie aufgehört zu denken:
„Ich möchte am liebsten weg sein und
bleibe am liebsten hier“?
Solche Gedanken hat man nur in der Dik-
tatur. Wenn man in der Freiheit lebt, dann
geht es einem so, wie Platon das vor 2500
Jahren schrieb: Man nimmt die Freiheit als
viel zu selbstverständlich, wie Luftholen.
1987 besucht Erich Honecker die Bundes-
republik. Innerlich gekocht?
Ich habe damals einen bösen Text geschrie-
ben, der darüber spottet, wie Honecker im
West-Radio, wie einst ich, hört, dass er ge-
rade ausgebürgert wurde. Na ja, Schwamm
drüber.
Was hätten Sie am 4. November 1989 bei
der Freiheits-Demo auf dem Alexander-
platz noch zu sagen gehabt?
Ich hätte das Lied gesungen: „Hey Krenz,
du fröhlicher Kalter Krieger, ich glaube dir
nichts, kein einziges Wort, du hast ja die
Panzer in Peking bejubelt, ich sah dein
Gebiss beim Massenmord.“ Christa Wolf,
die den Text schon kannte, schimpfte:
Wenn der Biermann solche Lieder singen
will, dann muss er sich auch nicht wun-
dern, dass Unsere ihn nicht reinlassen.
Sie haben genau hingehört? „Unsere“!
Beim Mauerfall geweint?
Ja. Vor Freude. Ich war glücklich, dass ich
auf so wunderbare Weise unrecht behal-
ten hatte.
Am 1. Dezember 1989 treten Sie in der
Leipziger Messehalle auf. Der größte
Unterschied zum Köln-Konzert?
„Wunderbar verrückt“: Biermann 1988 mit
seiner Patchwork-Tochter Nina Hagen