Wenn Franzosen über ihr „Savoir-faire“
sprechen, schwingt immer etwas Stolzes
und Respektvolles mit. Vom Pâtissier bis
zum Täschner eines Luxushauses – jeder
hat bei seiner Arbeit das „Gewusst-
wie“ im Kopf. Einer, der besonders
hoch achtungsvoll das „Savoir-faire“
prononciert, ist Pierre Rainero. Er ist,
frei übersetzt, „Direktor für Kultur-
erbe und Stil“ und arbeitet seit
1984 für das Schmuck- und Uh-
renhaus Cartier. In dieser Posi-
tion organisiert der 61-Jährige
Ausstellungen über das 1847 ge-
gründete Unternehmen. Jüngstes
Projekt: Gemeinsam mit dem
National Art Center in Tokio stell-
te er die größte Werkschau in
der Geschichte des Unternehmens
auf die Beine.
In der Ausstellung „Cartier,
Crys tallization of Time“ zeigen
Sie auch einige Juwelen privater Kunden.
Sogar sehr viele davon! Es sind 130
Schmuckstücke von insgesamt 88 priva-
ten Ausleihern.
Die Organisation klingt aufwendig.
Ja, das war eine Herausforderung. Denn
nur Cartier konnte aus Sicherheitsgrün-
den die Besitzer anschreiben. Das bedeu-
tete aber auch, dass die Kuratoren der
Ausstellung im Vorfeld mit Fotos der
Stücke arbeiten mussten. Sie äußerten
Wünsche, welche Juwelen sie gern zeigen
möchten. Und danach sprachen wir die
Ausleiher an. So etwas hatten wir in diesem
Ausmaß auch noch nicht.
Und dann mussten Sie alles nach Tokio
liefern lassen.
Ach, das war auf der Liste der Heraus-
forderungen ganz unten. Logistisch war
das kein Problem. Mit solchen Aufgaben
haben wir es ja immer zu tun. Das ist Alltag
für uns.
Wie wichtig ist dieses Heritage für die
Zukunft des Unternehmens?
Ich möchte mittlerweile gar nicht mehr
über Heritage, also das Erbe, sprechen.
Ich mag den Begriff Erbgut lieber.
Warum?
Im Begriff Heritage
steckt der Begriff „in-
herited“, also geerbt.
Natürlich haben wir
eine Menge geerbt. Das Savoir-
faire, die Handwerkskunst,
auch Werte und eine Philo-
sophie gehören dazu. Aber
eigentlich geht es darum, dass
wir etwas von früher in uns haben, das
wir indes mit dem Wissen von heute
verbinden. Es bringt uns in eine an-
dere Position. Das Erbgut ist in uns –
wird jedoch um etwas Neues erweitert.
Dennoch ist das Heritage eines
Unternehmens etwas, mit dem vor
allem Luxus- und Schmuckhäuser
sehr erfolgreich arbeiten.
Aber es führt eben auch dazu, dass
man eigentlich nur das reflek-
tiert, was man bereits gemacht
hat. Alle, die bei uns arbeiten,
erfahren, dass unser Erbe
eben auch ist, Neues zu ent-
wickeln. Das war die Vision
unseres Gründers Louis
Cartier, und ihm war klar,
dass das Haus auch ohne
ihn als Person weiterbe-
stehen wird.
Louis Cartier ist bis heute
in die Arbeit involviert. Das könnte man
als verstaubt verstehen ...
Gar nicht. Louis Cartier ging es stets
um die Suche nach der Schönheit. Das
war sein größter Motor. Und es stand
schon immer der Wunsch im Vorder-
grund, die Kunden für ein Produkt
so zu begeistern, dass sie es unbe-
dingt besitzen möchten. Die eine
Idee von Schönheit ist aber nicht
in Marmor gemeißelt. Das Leben frü-
her sah anders aus als heute. Insofern
müssen sich auch die Schmuck-
stücke verändern. Das war und ist
unser Anspruch: Wir kreieren Ob-
jekte, mit denen man im Jetzt lebt.
Der „Trinity-Ring“, das „Love Brace-
let“, die „Tank“-Armbanduhr – die
erfolgreichsten Schmuckstücke des
Hauses sind Ikonen von früher. Warum?
Auch hier kann ich Louis Cartier zitieren.
Er sagte: „Gutes Design sollte so stark sein,
dass es Kinder bekommt.“ Im Französi-
schen sprechen wir bei einer guten Idee
von der Mutter der Idee. Und ich glaube,
das ist der Grund für den Erfolg. Wenn
die Idee stark ist, bleibt sie und gebärt
andere „Kinder“.
itage
„in-
erbt.
wir
Das Savoir-
rkskunst,
ne Philo-
azu. Aber
darum, dass
er in uns haben, das
Wissen von heute
gt uns in eine an-
Erbgut ist in uns –
was Neues erweitert.
das Heritage einesdas Heritage eines
ns etwas, mit dem vor
- und Schmuckhäuser
eich arbeiten.
t eben auch dazu, dass
gentlich nur das reflek-
was man bereits gemacht
Alle, die bei uns arbeiten,
hren, dass unser Erbe
W
Hüter der
Schmuckschätze:
Pierre Rainero,
Director of Image,
Style and Heritage,
arbeitet seit 35 Jah-
ren für Cartier
1 Platincollier aus Smaragd-und Rubellit-
kugeln, Onyx und Diamanten
2 Armspange aus 18 Karat Weißgold und
1302 Diamanten (29,81 Karat)
3 Platinring mit Amethyst und Diamanten
4 Weißgold-Ohrringe mit zwei Rubinen
(4,03 Karat) und unterschiedlich
geschliffenen Diamanten
5 Rotgoldene Clutch von 1926 mit
schwarz-beigem Email und Diamanten
6 Armreif aus 18 Karat Rotgold
1
6
5
4
66 7. 1 1. 2 0 19
EXTRA |UHREN & SCHMUCK