Der Stern - 07.11.2019

(Kiana) #1
Eine Schlüsselrolle in der Historie von
Cartier spielt Jeanne Toussaint, die
zunächst an der Seite von Louis Cartier
arbeitete und ihm 1933 als Kreativdirek-
torin folgte. War sie eine Art Influen-
cerin ihrer Zeit?
Sie hat nicht nur andere inspiriert, sie
wurde auch inspiriert. Da sie sich
immer leise anschlich, wurde „La
Panthère“ zu ihrem Spitznamen.
Doch die Vision des Panthers als
Schmuckstück, der bei Cartier bis
heute eine große Rolle spielt, wur-
de lange vor ihr angedacht. Bereits
1914 gab es erste Zeichnungen. Was
Jeanne allerdings einbrachte, war,
dass es künftig auch dreidimen-
sionale Schmuckstücke, eben auch
mit einem Panther, gab.
Damit setzte sie Statements.
Ja, aber nicht nur damit. Sie entwarf
während der Besatzung der Deut-
schen in Paris eine Brosche in Form eines
im Käfig eingesperrten Vogels. Nach der
Befreiung der Stadt lancierte sie 1944 eine
Variante, in der die Käfigtür geöffnet war.
Ein Zeichen des Widerstands – und der
Freiheit.
Gibt es eigentlich viele exzentrische
Kunden, die Haute Joaillerie, also ex-
klusive Maßanfertigungen, kaufen?
Oh ja! Die mexikanische Schauspielerin
María Félix kam einmal mit einem leben-
den Babykrokodil in einem Aquarium zu
uns und sagte dem Personal: „Beeilen Sie
sich. Das Krokodil wird schnell wachsen.“
Es diente als Vorbild für einige Schmuck-
stücke, die sie bestellt hatte.
Wie wichtig ist die Haute Joaillerie heute
für Cartier?
Sehr wichtig. Denn diese Art der Ju-
welenkunst verbindet die existenziel-
len Gewerke unserer Arbeit: den Juwelier,
der mit dem Metall arbeitet. Den Setzer,
der die Steine positioniert. Den
Polierer. Viele Handwerker arbeiten
an einem einzelnen Stück. Haute
Joaillerie bringt sie alle zusam-
men.
Aber besteht nicht die Gefahr,
dass Schmuckmarken immer
älter werden, wenn es sich nur
um diese Millionen Euro teuren
Stücke dreht?
Da muss ich widersprechen. Solche
Maßanfertigungen sind zeitgemäß und
modern. Ich würde sogar sagen, dass wir
in der besten Zeit für diese Art von
Schmuck leben.

Dennoch möchte
Cartier auch junge
Kunden, die sich
nicht so teuren
Schmuck kaufen.
Natürlich. Aber Sie
sollten nicht davon ausgehen, dass Haute
Joaillerie sich nur an reifere Kunden
richtet. Das mag in Europa so sein, weil
hier eher die Älteren das Geld haben. In
anderen Teilen der Welt gibt es viele junge
Kunden, die vermögend sind und Freude
daran haben, diese Stücke zu sammeln und
zu tragen. Zur Eröffnung unserer Aus-
stellung haben wir auch die Ausleiher der
Schmuckstücke eingeladen. Ich war über-
rascht, wie jung viele von ihnen waren.
Es kommt natürlich darauf an, wie Sie
jung definieren. Aber einige waren in den
Dreißigern oder Vierzigern.
Wo lebt diese Kundschaft?
Vor allem in Asien. Aber nicht nur.
Schauen Sie auf die New Economy in den
USA.
Hat diese junge, schmuckaffine Genera-
tion etwas mit den ersten Kunden aus der
Gründungszeit gemeinsam?
Auf jeden Fall. Sie suchen nach schönen
Dingen. Was sich geändert hat, sind die
Gelegenheiten, den Schmuck zu tragen.
Früher waren es ausschließlich Galas oder
Dinnereinladungen. Heute wird Schmuck
auch casual getragen.
Wie gehen Sie darauf ein?
Es ist eine Herausforderung für uns, uns
diesen Gelegenheiten anzupassen. Den-
noch möchte ich nicht behaupten, dass
man zu einer Gala nur schwere Colliers
trägt. Es gibt auch sehr leichte, filigrane
Stücke.
Haben Sie eine Erklärung dafür, was
Frauen an Schmuck fasziniert?
Diese Frage beschäftigt mich seit Jahren,
und ich glaube, es liegt an der großen
Symbolik dahinter. In der Mythologie war
Schmuck die Verbindung zu Gott. Schmuck
ist außerdem ein sehr intimes Beklei-
dungsstück. Man trägt es direkt auf der
Haut. Außerdem ist es faszinierend, dass
der Mensch etwas aus einem Material
erschafft, das die Erde uns bereitstellt.
Genau deshalb wird es immer eine
glänzende Zukunft für Schmuck geben. 2

Eine Schlüsselrolle in der Historie von
Cartier spielt Jeanne Toussaint, die
zunächst an der Seite von Louis Cartier
arbeitete und ihm 1933 als Kreativdirek-
torin folgte. War sie eine Art Influen-
cerin ihrer Zeit?
Sie hat nicht nur andere inspiriert, sie
wurde auch inspiriert. Da sie sich
immer leise anschlich, wurde „La
Panthère“ zu ihrem Spitznamen.
Doch die Vision des Panthers als
Schmuckstück, der bei Cartier bis
heute eine große Rolle spielt, wur-
de lange vor ihr angedacht. Bereits
1914 gab es erste Zeichnungen. Was
Jeanne allerdings einbrachte, war,
dass es künftig auch dreidimen-
sionale Schmuckstücke, eben auch
mit einem Panther, gab.
Damit setztesieStatements.
Ja, aber nicht nur damit. Sie entwarf
während der Besatzung der Deut-
schen in Paris eine Brosche in Form eines
im Käfig eingesperrten Vogels. Nach der
Befreiung der Stadt lancierte sie 1944 eine
Variante, in der die Käfigtür geöffnet war.
Ein Zeichen des Widerstands – und der
Freiheit.
Gibt es eigentlich viele exzentrische
Kunden, die Haute Joaillerie, also ex-
klusive Maßanfertigungen, kaufen?
Ohja! Die mexikanische Schauspielerin
María Félix kam einmal mit einem leben-
den Babykrokodil in einem Aquarium zu
uns und sagte dem Personal: „Beeilen Sie
sich. Das Krokodilwird schnell wachsen.“
Es diente als Vorbild für einige Schmuck-
stücke, die sie bestellt hatte.
Wie wichtig ist die Haute Joaillerie heute
für Cartier?
Sehr wichtig. Denn diese Art der Ju-
welenkunst verbindet die existenziel-
len Gewerke unserer Arbeit: den Juwelier,
der mit dem Metall arbeitet. Den Setzer,
der die Steine positioniert. Den
Polierer. Viele Handwerker arbeiten
an einem einzelnen Stück. Haute
Joaillerie bringt sie alle zusam-
men.
Aber besteht nicht die Gefahr,
dass Schmuckmarken immer
älter werden, wenn es sich nur
um diese Millionen Euro teuren
Stücke dreht?
Da muss ich widersprechen. Solche
Maßanfertigungen sind zeitgemäß und
modern. Ich würde sogar sagen, dass wir
in der besten Zeit für diese Art von
Schmuck leben.

Dennoch möchte
Cartier auch junge
Kunden, die sich
nicht so teuren
Schmuck kaufen.
Natürlich. Aber Sie
sollten nicht davon ausgehen, dass Haute
Joaillerie sich nur an reifere Kunden
richtet. Das mag in Europa so sein, weil
hier eher die Älteren das Geld haben. In
anderen Teilen der Welt gibt es viele junge
Kunden, die vermögend sind und Freude
daran haben, diese Stücke zu sammeln und
zu tragen. Zur Eröffnung unserer Aus-
stellung haben wir auch die Ausleiher der
Schmuckstücke eingeladen. Ich war über-
rascht, wie jung viele von ihnen waren.
Es kommt natürlich darauf an, wie Sie
jung definieren. Aber einige waren in den
Dreißigern oder Vierzigern.
Wo lebt diese Kundschaft?
Vor allem in Asien. Aber nicht nur.
Schauen Sie auf die New Economy in den
USA.
Hat diese junge, schmuckaffine Genera-
tion etwas mit den ersten Kunden aus der
Gründungszeit gemeinsam?
Auf jeden Fall. Sie suchen nach schönen
Dingen. Was sich geändert hat, sind die
Gelegenheiten, den Schmuck zu tragen.
Früher waren es ausschließlich Galas oder
Dinnereinladungen. Heute wird Schmuck
auch casual getragen.
Wie gehen Sie darauf ein?
Es ist eine Herausforderung für uns, uns
diesen Gelegenheiten anzupassen. Den-
noch möchte ich nicht behaupten, dass
man zu einer Gala nur schwere Colliers
trägt. Es gibt auch sehr leichte, filigrane
Stücke.
Haben Sie eine Erklärung dafür, was
Frauen an Schmuck fasziniert?
Diese Frage beschäftigt mich seit Jahren,
und ich glaube, es liegt an der großen
Symbolik dahinter. In der Mythologie war
Schmuck die Verbindung zu Gott. Schmuck
ist außerdem ein sehr intimes Beklei-
dungsstück. Man trägt es direkt auf der
Haut. Außerdem ist es faszinierend, dass
der Mensch etwas aus einem Material
erschafft, das die Erde uns bereitstellt.
Genau deshalb wird es immer eine
glänzende Zukunft für Schmuck geben.

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Längst ein Klassiker:
der Trinity-Ring von 1924


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Beim Besuch des Schmuckateliers war
Modechef Marcus Luft so begeistert,
dass er überlegte, den Job zu wechseln.
Bis er einsah, dass sich sein
„Savoir-faire“ nur auf das Schreiben bezieht
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