ILLUSTRATION: JÖRG DOMMEL/STERN
Die Zahlterminals erkennen keinen Unter-
schied zwischen den modernen EC- oder
Kreditkarten und dem Smartphone. Beide
verbinden sich mit der Funktechnik NFC
zur Übertragung der Zahlungsdaten.
Dass es Ausnahmen gibt, lernte ich auf die
harte Tour. Bei einer beliebten Super-
marktkette wollte das Terminal partout
weder Uhr noch iPhone akzeptieren. „Wir
unterstützen keine Kreditkarten“, klärte
mich der Verkäufer auf. Da meine Bank nur
Kredit- statt EC-Karten verteilt, hätte die
Kartenzahlung also genauso wenig funk-
A
n mein erstes Mal erinnere ich
mich genau. Es war im Super-
markt. Während die gelangweil-
te Kassiererin meinen Einkauf
über den Scanner zog, hielt ich es
vor innerer Aufregung kaum aus.
Dann ging es endlich ums Geld. „Mit Kar-
te“ schoss es geradezu aus mir heraus.
Ich wollte nicht erklären müssen, was ich
vorhatte. Ein Nicken wies mich auf das
Bezahlterminal hin. Ich tippte doppelt
auf den Knopf an meiner Uhr, bewegte sie
über das Terminal – und hatte das erste
Mal mit einer Smartwatch
bezahlt. Seitdem gehört es für
mich zum Alltag, Rechnungen
quasi aus dem Handgelenk zu
begleichen. Ob den Einkauf,
den Kaffee beim Spazierenge-
hen oder das Taxi: Immer, wenn
ein Bezahlterminal das kleine
Wellensymbol für kontakt-
loses Zahlen zeigt, zücke ich
erfreut statt des Portemon-
naies die Apple Watch oder
mein iPhone und bezahle nicht
mit Karte oder Bargeld, son-
dern digital. Weil es viel schnel-
ler und einfacher ist. Schließ-
lich habe ich die Uhr immer
griffbereit. Oder das Smart-
phone ohnehin schon in der
Hand, um das Warten an der
Kasse zu überbrücken. Der
Griff zur Uhr ist mittlerweile
so selbstverständlich, dass ich
meinen Geldbeutel auch schon
mal in den Tiefen meines
Rucksacks suchen muss oder
ihn ganz vergesse. Gerade im
kartenfreundlichen Ausland
funktioniert das digitale Be-
zahlen hervorragend. So gut,
dass ich völlig überrascht war,
als ein Taxifahrer in Spanien
plötzlich Bargeld wollte – und
sich erst durch einen Zwi-
schenstopp am Geldautomat
beruhigen ließ. In Deutschland
kommt das noch öfter vor. In kleinen Cafés,
auf dem Wochenmarkt oder dem Kiosk
komme ich um Münzen und Scheine nicht
herum. Doch meist geht es ohne. Das digi-
tale Bezahlen klappt mittlerweile fast
überall dort, wo man mit Karte zahlen
kann. Beherrscht das Gerät kontaktlose
Bezahlung, unterstützt es auch die digita-
len Dienste wie Apple Pay oder Google Pay.
tioniert. Hinter den Zahlungen steht am
Ende nämlich doch eine Bank. Im Prinzip
hinterlegt man nur eine digitale Version
der Karte im smarten Gerät, das so zur
elektronischen Brieftasche wird. Das
unterstützt aber nicht jedes Geldinstitut.
Ein Grund dürften die Kosten sein: Apple
verlangt von den Banken für jede Transak-
tion eine Gebühr, Google will stattdessen
Zugriff auf die Daten. Die Sparkassen wol-
len deshalb erst in den nächsten Monaten
mitmachen. Vorher hatten sie versucht,
Apple zum Öffnen des NFC-Chips zu zwin-
gen, um sich die Gebühren zu
sparen. Apple verweigerte das
aus Sicherheitsgründen. Damit
nicht bösartige Apps Zugriff
auf die Zahldaten haben, ist
zwischen Bank und Terminal
stets das Betriebssystem da-
zwischengeschaltet. Auch die
Zahlung selbst ist gesichert.
Beim Smartphone muss ich
mich mit biometrischen Daten
wie Gesichtserkennung oder
Fingerabdruck als ich selbst
ausweisen – oder eben die
klassische PIN eingeben. Die
Smartwatch erkennt an mei-
nem Puls, ob ich sie immer
noch trage. Nehme ich sie ab,
schaltet sich auch die Zahl-
funktion ab. Anders als bei
einer Kreditkarte lassen sich
verlorene Geräte also nicht
ohne Weiteres zum Bezahlen
benutzen. Betrachte ich die Re-
aktionen von Verkäufern und
Kellnern, bin ich trotz der gro-
ßen Sicherheit und Bequem-
lichkeit immer noch die Aus-
nahme. Ein Jahr nach dem Start
der großen Anbieter Apple und
Google staunen die Leute:
Flugtickets auf dem Smart-
phone finden sie völlig normal,
das Bezahlen damit ist immer
noch ein Hingucker. Die cools-
te Reaktion gab es ausgerech-
net in einem kleinen Laden in Griechen-
land. Obwohl dort Apple Pay offiziell noch
nicht unterstützt wurde, bezahlte ich zur
Freude einer anderen Kundin mit meiner
Uhr. Der Verkäufer blieb unbeeindruckt. Er
habe vor Kurzem einen Kunden gehabt, der
den Bezahlchip direkt in der Hand implan-
tiert hatte, berichtete er. Da fühlte ich mich
dann von gestern. 2
Unser Autor bezahlt die Dinge des
Alltags fast nur noch mit seiner Smartwatch –
das klappt erstaunlich gut
Aus dem Handgelenk
Malte Mansholt, 38, würde als Digital-Redakteur am liebsten auch Schlüssel, Krankenkassenkarte und Führerschein im
Smartphone dabeihaben und so ganz auf das Portmonnaie verzichten. Seine Kinder bekommen ihr Taschengeld aber weiter in bar
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