Jens König ist ein Kind der Großstadt
Berlin. Fotografin Amanda Lucier
kommt aus dem amerikanischen Westen,
aber nicht von dort, wo er wild ist.
Sie lebt in Portland, Oregon. Mitarbeit: Anuschka Tomat
Häuptlinge Sitting Bull und Crazy Horse. „Für uns Na-
tive Americans ist die Tatsache, dass Frauen auf einer
Familienranch arbeiten, überhaupt nicht revolutionär“,
sagt sie. Die 25-Jährige ist selbst Rancherin, in vierter
Generation. Sie lebt im Cheyenne-River-Reservat, in der
Nähe von Eagle Butte in South Dakota. Mit ihrem Vater
und zwei Onkeln betreibt sie die DX Ranch. Sie besitzen
300 Rinder und 50 Pferde.
„Ich hoffe, Sie haben Schuhe an, die Sie nicht beson-
ders mögen“, ruft sie fröhlich zur Begrüßung. „Die kön-
nen Sie hinterher nämlich wegschmeißen.“ Sie wartet am
Highway 212, am Abzweig zur Ranch. Heute werde es noch
regnen, sagt sie, das verwandele den Gumbo-Boden hier
in eine lehmartige, zähe Masse. Fürs Gras allerdings sei
der Boden gut. „Aber nur fürs Gras.“ Sie lacht.
Kelsey lädt zu einer Tasse Kaffee mit Hafermilch in
ihr Haus ein. Sie erzählt, dass sie einfach alles am Ran-
ching liebe: die Natur, die Tiere, den Lifestyle, die Cow-
boy-Klamotten. Kelsey saß schon auf dem Rücken von
Pferden, als sie noch nicht mal richtig laufen konnte. Ihr
Vater habe sie auf der Ranch nie anders behandelt als
ihren Bruder: „Mit einer Ausnahme: Er nahm den Hut
ab, wenn er mich begrüßte. Er behandelte mich wie eine
kleine Lady – aber er lehrte mich zu arbeiten wie jeder
andere auch.“ Manchmal habe er ihr sogar das Gefühl
gegeben, sie könne Dinge besser machen, gerade weil
sie ein Mädchen sei und manches anders sehe.
„So sind wir Lakota“, sagt sie. „Frauen stehen im Mit-
telpunkt. Wir sind eine matriarchalische Gesellschaft,
schon immer gewesen.“ Ihr Volk sieht darin eine
Rückkehr zur natürlichen Ordnung. Es heiße ja nicht
umsonst „Mutter Natur“. Sie schenke Leben und
beschütze es. „Deswegen sind wir Frauen mit dem Kreis-
lauf der Natur mehr verbunden als Männer. Wir verste-
hen besser, dass wir alles, was wir mit dem Land und den
Tieren anstellen, so tun müssen, dass wir die Natur scho-
nen und gesund zurücklassen.“ Ihr Traum: ein eigenes
Label mit Ökofleisch zu etablieren, vor Ort gezüchtet,
vor Ort geschlachtet, vor Ort verkauft, gutes Fleisch zu
bezahlbaren Preisen, für ihre Leute im Reservat.
Kelsey fährt mit dem Ford-Ranger-Pick-up auf die
Weide, hoch über dem Missouri. „Kühe und Pflanzen
gucken.“ Stundenlang könne sie zusehen, wie ihre Kühe
Gras fressen, erzählt sie. Das entspanne sie. Es helfe ihr
aber auch zu verstehen, was die Tiere mögen. Welche
Gräser sie fressen, an welcher Stelle auf der Weide –
jedes Detail ist wichtig. „Ich bin ein Pflanzen-Nerd.“
Kelsey Ducheneaux steigt aus ihrem Auto aus. Guckt
runter auf den Fluss. Dreht sich wieder um und schaut
über ihr eigenes Land, das auch das Land ihrer Vorfah-
ren ist. Sie lächelt. „Mein Paradies“, sagt sie. 2
FRAUEN WAREN
HIER IMMER
SCHON AKTIV UND
UNABHÄNGIG
Caitlyn Taussig
führt ihre Ranch
allein mit Mutter
Vicki (unten rechts).
Kelsey Duche-
neaux, 25, fühlt sich
wie ihre Vorfahren
aus dem Stamm der
Lakota Land und
Tieren eng verbunden
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