Neue Zürcher Zeitung - 13.11.2019

(Barry) #1

Mittwoch, 13. November 2019 FINANZEN 29


Sind viele Transaktionen nur vorget äuscht?


95 Prozent der Umsätze an Bitcoin-Börsen sind laut einer Studie gefälscht oder bestehen aus Scheingeschäften


PATRICK HERGER


AmVorhaben, einen Bitcoin-ETF für
Retail-Investoren zu schaffen, sind bis-
her noch alle gescheitert. Doch derVer-
such des auf Kryptowährungen spezia-
lisiertenAsset-Managers Bitwise ist be-
achtenswert.Denn dieFirma wählte eine
riskante und clevere Strategie, um von
der US-Börsenaufsicht SEC die Zulas-
sung eines Bitcoin-ETF zu erreichen.
DieseTaktik war nötig.Dennerst
im September hatte ein anderes Unter-
nehmen, derETF-AnbieterVaneck, das
Handtuch geworfen und seinen Antrag
zurückgezogen. Zu schlecht schienen
ihm momentan die Chancen für einen
Retail-ETF auf Bitcoin.
Bitwise dagegen war im Hinblick
auf die Zulassung seines Bitcoin-ETF
optimistisch. Zwar hatte die SEC noch
jeden Antrag mit dem Argument zu-
rückgewiesen, die Antragstellerkönn-
ten keine Gewähr dafür bieten, dass der
Bitcoin-Markt nicht manipuliert werde.
Aber Bitwise hatte die früheren Ent-
scheide der SEC genau studiert.Das
Unternehmen entschied sich schliesslich
für einVorgehen, das man nur alsVor-
wärtsstrategie bezeichnen kann.


Scheinumsätzesind üblich


WichtigsterTeil davon war einGutach-
ten, das zeigte:Ja, es kommt zu Unregel-
mässigkeiten auf dem Bitcoin-Markt.
Dies insbesondere bei den Umsätzen,
von denen viele nichtreal sind. Konkret
besagt das Gutachten von Bitwise, dass
unglaubliche 95% aller Umsätze an Bit-
coin-Börsen nur vorgetäuscht werden.
Aberwie soll der Umstand, dass der
Bitcoin-Markt massiv manipuliert wird,
einem Antragsteller gegen das Argu-
ment der SEC helfen, es bestehe die Ge-
fahr von Marktmanipulationen?
Bitwise argumentierte, dass es zwar zu
enormen Marktmanipulationenkomme,
aber nicht an allen Bitcoin-Börsen. Es
gebe einenKern von zehn Börsen, die
effizient und manipulationsfrei funktio-
nierten.Dies belegte Bitwise mithilfe sta-
tistischerDaten, dank denen es gelang,
verdächtige Muster an bestimmten Bör-
sen zu identifizieren.Bei den zehn mani-
pulationsfreien Börsen zeigte sichkeines
der verdächtigen Muster.
Die Argumentation von Bitwise war
überaus clever. Denn die SEC hatte in
ihren ablehnenden Entscheiden auch


eine Möglichkeit aufgezeigt, wie die Zu-
lassung eines Bitcoin-ETF zu erreichen
ist. Ein Antragsteller muss nachweisen,
dass er ein sogenanntes Surveillance
SharingAgreement mit einer Börse
oder einem Derivatemarkt, zum Bei-
spiel einem Markt für Bitcoin-Futures,
ges chlossen hat. Bitwise verfügte über
ein solches Surveillance SharingAgree-
ment, und zwarmit dem seit kurzer Zeit
einzigen Betreiber eines Marktes für
Bitcoin-Futures.
Der Betreiber der Börse oder des
Derivatemarktes verpflichtet sich mit
dem Agreementvertraglich, beimAuf-
spürenverdächtigerTransaktionen zu
helfen.Dafür muss er etwa die Identi-
tät und die Handelsvolumina derTra-
derkennen und dieseDaten zurVer-
fügung stellen. EineVoraussetzung für
die Zulassung einesETF ist allerdings,
dass der Handelsplatz oder die Deri-
vatebörse, mit dem das Surveillance
Sharing Agreement besteht, ein imVer-

gleich zum gesamten Spotmarkt signifi-
kantesVolumenerreicht.
Nunlag das berichtete tägliche Han-
delsvolumen von Bitcoin im April 20 19
bei11 Mrd. $. Demgegenüber betrug
dasVolumen an den Bitcoin-Futures-
Märkten nur etwa 270 Mio.$ proTag.
Nimmt man diese Zahlen, entsprechen
die gehandeltenFutures gerade ein-
mal 2,5% der Handelsumsätze auf dem
Spotmarkt, niemand würde hier von
einem signifikantenVolumen sprechen.
Aber die Argumentation von Bitwise
lautete, dass die meistenTransaktionen
nur vorgetäuscht seien.Das reale täg-
licheVolumen sei daher viel tiefer, im
letzten April etwa nur 554 Mio.$. Damit
erzielten dieFutures-Märkte fast 50%
der Umsätze,welche die Spotmärkte
verzeichneten, und das ist laut Bitwise
ein signifikantesVolumen.
Hatte also die Strategie von Bitwise
Erfolg, wird nun in den USA bald ein
Bitcoin-ETF fürRetail-Investoren zu-

gelassen? Die Antwort lautet: Nein. Die
SEC hat den Antrag von Bitwise auf
einen Bitcoin-ETF am 9. Oktober ab-
gelehnt. Die Begründung erfolgte auf
über 100 Seiten, aber drei Punkte schei-
nen besonders interessant.
So hat die SEC angeführt, dass Grup-
pen oder Einzelpersonen, die über rie-
sige Mengen an Bitcoins verfügten, so-
genannte Superwhales, den Markt auch
dann manipulierenkönnten, wenn die
Preiseausschliesslich aus demDurch-
schnitt der zehn «sauberen» Börsen
errechnet würden. Solchen Akteuren
könne es sehr wohl gelingen, mehrere
Börsen gleichzeitig anzugreifen und zu
manipulieren. DieKosten dafür seien
ausserdemkeineswegs prohibitiv hoch.
Ein zweiter Einwand der SEC be-
trifft das «Ökosystem» der verschiede-
nen Kryptobörsen.Auch wenn es, wie
von Bitwise angeführt, Börsen gebe, die
ordentlich funktionierten,könntendie
übrigen Bör sen trotzdem die Bitcoin-

Preise an diesen seriösen Börsen beein-
flussen. Bitwise sei es nicht gelungen,
aufzuzeigen, dass die zehnals effizient
identifizierten Börsen von den anderen
in irgendeinerWeise abgeschirmt seien.
Ein dritter Einwand betrifft das Sur-
veillance SharingAgreement. Die SEC
ist nicht davon überzeugt, dass der
Futures-Markt einen genügend signifi-
kantenAnteil am Gesamtvolumen aus-
macht. Bitwise habe einen Nachweis
darüber versäumt, dass die von Bit-
wise alsreal identifiziertenTransaktio-
nen nicht doch viel grösser seien als im
Antrag behauptet. Mit anderenWorten,
die SEC hält es für möglich, dass deut-
lich mehr als nur 5% aller Bitcoin-Um-
sätze an den Börsenreal sind. Die SEC
deutet sogarFolgendes an: Selbst wenn
Bitwise nicht nur mit dem Betreiber
des Futures-Marktes, sondern mit allen
zehn als seriös identifizierten Börsen ein
Surveillance Sharing Agreement abge-
schlossen hätte, würde das für die Zulas-
sung eines Bitcoin-ETF nicht ausreichen.

Hoffnung auf Bitcoin-ETF lebt


Einige Bitcoin-Experten gehen ange-
sichts dieserArgumente der SEC davon
aus, dass ein Krypto-ETF noch in weiter
Ferne ist,fallserüberhaupt je zugelas-
sen wird. Aber noch ist nicht allerTage
Abend für die Bitcoin-Enthusiasten.
Erstens hat Bitwise bekräftigt, dass es
weiterhin den Plan verfolgt,einen Bit-
coin-ETF auf den Markt zu bringen.Auf
Twitter bezeichnete das Unternehmen
den ablehnenden Entscheid als wich-
tigen Schritt hin zu einemregulierten
Kryptoprodukt.In einer Stellungnahme
gab sich Bitwise ausserdem zuversicht-
lich, dass sich die SEC mit zusätzlichen
Informationen umstimmen lasse.
Und dann ist vor der SEC nochein
weiterer Antrag auf einen Bitcoin-ETF
hängig. Auch das GespannWilshire
Phoenix und NYSE Arca will einen sol-
chen auf den Markt bringen.Wilshire
Phoenix, eine 2018 gegründete Invest-
mentfirma, plant ein Produkt, dasAn-
legern ein Exposure gegenüber Bitcoin
undTreasury Bonds bietet. Als Ant-
wort auf den ablehnenden Bescheid
zum Bitwise-ETF habenWilshire Phoe-
nix /NYSE Arca ihren Antrag ergänzt,
um den Einwänden der SECRechnung
zu tragen. Kryptointeressierte dürfen
also auch in Zukunft Neuigkeiten zu
einem möglichen Bitcoin-ETFerwarten.

Wieviel Wert hat ein Bitcoin? DieBörsenpreise sind da nicht unbedingt ein guter Indikator. DANIEL RODRIGUES / BLOOMBERG

SCHWEIZER NEBENWERTE


Die Musik spielt in und um Bern


Die ausser börsliche Plattform der Berner Kantonalbank verz eichnet hohe Umsätze – auch dank zwei Unternehmen aus der Region


WERNER GRUNDLEHNER


Wenn diekotierten Aktien boomen,
fallen die ausserbörslich gehandelten
Papiere aus demFokus der Anleger.
Das sieht man etwa an den Umsätzen,
die bei der Zürcher Kantonalbank und
der Bank Lienhardt&Partner beschei-
den ausfallen. Ein Grund für das bes-
se re Abschneiden der Plattform der
Berner Kantonalbank isteineandere
Erhebungsart für dieTrading-Volumina.
Dort zählen auch «Berner» Aktien, die
in Zürich gehandelt werden, zum eige-
nen Umsatz.


Schilthornbahn investiert


Der Handel in Bern profitiert aber
auch vom Anrechtshandel der Schilt-
hornbahn. Mit einemBauvolumen von
90 Mio. Fr. ist das Projekt «20XX» die


grösste Investition der Unternehmens-
ges chichte. Finanziert werden soll dies
üb er eine Kapitalerhöhung, erhöhte
Kreditlimiten und den laufenden Cash-
flow. Das Projekt soll bis 2026 abge-
schlossen sein. Ein genauer Zeitplan ist
wegen hängiger Einsprachen aber noch
nicht möglich.
Von Einsprachenkönnen die Rigi-
bahnen ein Lied singen. DerBau einer
neuenGondelbahn stösst in der Inner-
schweiz auf heftigenWiderstand. Über
40 Erstunterzeichnende haben nun eine
Petition gegen ungebremstesWachs-
tum des Massentourismus eingereicht.
«Offensichtliche Fehlentwicklungen»
sollenkorrigiert werden. Der Berg ge-
höre der Bevölkerung und nicht den
Bergbahnen. Die Zahl der Fahrten
auf die «Königin der Berge» sollauf
800000 im Jahr begrenzt werden.Doch
sonstkönnen die Bergbahnaktienzu-

versichtlich in die Zukunft blicken.Der
frühe Schneefall lässtauf einen ähn-
lich gutenWinter wie in der vergange-
nen Saison hoffen. DieTitel derWeis-
sen Arena waren gemäss Zürcher Kan-
tonalbank mit einem Gewinn von fast
4% in der Berichtswoche die erfolg-
reichstenPapiere.

Flybair nimmt Gestaltan


Anfang November präsentierte der
Flughafen Bern den Plan, wie mithilfe
einer virtuellen Airline der Flughafen
wieder in Schwungkommen soll. Seit
demKonkurs der in Bern domizilier-
ten Fluggesellschaft Skywork imAugust
2018 und der Entlassung zahlreicher
Flughafenmitarbeitender kämpft der
Flughafen der Hauptstadt um eine Zu-
kunft.EineTochtergesellschaft der Flug-
hafen BernAGsoll nun mit geleasten

Maschinen einen Flugbetrieb aufneh-
men.Auf diese Artkönne mit wenigPer-
sonal gearbeitet und dieFixkostentief
gehalten werden. Die Fluggesellschaft
mit dem Namen Flybair benötigt ein
Startkapital von 2,5 Mio. Fr.
1Mio.soll dabei über Crowdfunding
gesammelt werden. Gemäss derWebsite
flybair.ch sind in denersten12 Tagen be-
reits rund 520 000 Fr. zusammengekom-
men – die Aktion läuft bis Ende Monat.
«Für dierestliche Summe stehenwir mit
Unternehmen und Investoren, die sich
bereits früher für den Flughafen enga-
giert haben, im Gespräch», sagt UrsRyf,
CEO des Flughafens. Er sei zuversicht-
lich, dass die Summe zustandekomme.
Für die Sommermonate deskommen-
denJahres seienbereits 80% der Kapa-
zität anReiseveranstalter vergeben, fügt
Ryf an. Schwieriger sehe es in denWin-
termonaten aus. Für das erste Geschäfts-

jahr 2020/21 budgetiert die virtuelle
Airline einenVerlust von 200000 bis
300000 Fr.Auch die Aktien des Flug-
hafens heben noch nicht ab.Der Geld-
kurs für diePapiere wird derzeit mit
33 Fr. angegeben.Das ist ungefähr das
Niveauvon vor zehnJahren.
Während bei denkotiertenTiteln die
Energieaktien seltener werden, wird
das Nebenwertesegment immer «ener-
giegeladener».Alpiq wird von der Börse
verschwinden:DreiKernaktionärewol-
len das Unternehmenkomplett über-
nehmen.Dagegen wechseltAventron,
die im Bereich der erneuerbaren Ener-
gien tätig ist, MitteFebruar 2020 von
der Berner Börse BX in denausserbörs-
lichen Bereich. Mit Energie Zürichsee
Linth, denWasserwerken Zug, CKW,
Holdigaz u. a. gibt es zahlreiche nicht-
kotierte Aktien, die von der «Energie-
wende» profitieren dürften.

Euro/Fr.
1,0931-0.26%

Dollar/Fr.
0,9929-0.05%

Gold($/oz.)
1452,90-0.18%

SMI
10314,160.09%

DAX
13283,510.65%

DowJones
27691,49 0.00%
Stand 22.1

Erdöl(Brent) 2Uhr
62,02-0.45%
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