Süddeutsche Zeitung - 14.11.2019

(Michael S) #1
Berlin– Noch immer massive Zugverspä-
tungen,Engpässe auf wichtigen Bahnstre-
cken, Probleme beim Verkauf von Unter-
nehmensteilen und heftiger Streit im Vor-
stand: Bei der Deutschen Bahn läuft es der-
zeit alles andere als gut. Konzernchef Ri-
chard Lutz sieht den größten deutschen
Staatskonzern bei den erhofften Verbesse-
rungen aber dennoch auf Kurs. Auch wenn
die Bahn dabei noch eine „weite Reise“ vor
sich habe. So schreibt es Lutz in einem
15-seitigen Brief an Verkehrsminister An-
dreas Scheuer (CSU) und reagiert damit
auf dessen Ultimatum für Verbesserun-
gen. Das Papier liegt derSüddeutschen Zei-
tungvor.
Lutz versucht der Kritik des Ministers
ganz offensichtlich den Wind aus den Se-
geln zu nehmen. Der Konzern stelle in die-
sem Jahr mit 24 000 Beschäftigten mehr
Personal ein, als geplant, die Flotte werde
erneuert, der Fahrplan werde ausgeweitet.
Doch klar wird auch, dass bei gravierenden
Problemen derzeit kaum Besserung in
Sicht ist. Bei der Pünktlichkeit etwa will
sich Lutz nicht auf das Erreichen der eige-
nen Ziele festlegen. Die letzten Monate hät-
ten gezeigt, dass bei immer mehr Verkehr
auf einer baustellenbedingt immer knap-
peren Infrastruktur und weiter steigenden
externen Witterungseinflüssen das Errei-
chen der Pünktlichkeitsziele „anspruchs-
voll bleibt und die volle Aufmerksamkeit
der gesamten Organisation“ erfordere. Zu-

letzt war etwa jeder vierte Zug der Bahn
mit deutlicher Verspätung am Ziel.
Für ein besseres Angebot will die Bahn
künftig auch geringere Gewinne in Kauf
nehmen. Dies stehe im Einklang mit den
Zielen der Politik, heißt es in dem Schrei-
ben. In zunehmend schlechter Verfassung
befindet sich die Gütersparte der Bahn, die
ihre Verluste dem Brief zufolge in diesem
Jahr auf 300 Millionen Euro ausbaut (Vor-
jahr 190 Millionen Euro). Ziel war eigent-
lich eine Verbesserung.
Sorgen um ihre Jobs müssen sich offen-
bar im großen Stil Führungskräfte der
Bahn machen. Im gesamten Konzern wür-
den Führungsebenen entfallen, heißt es in
dem Papier, „insbesondere in der Verwal-
tung. Doppelstrukturen, Mehrfachebenen
und ebenso unklare wie lange Abstim-
mungsschleifen werden deutlich redu-
ziert“, kündigt Lutz an. Für diese „Ver-
schlankung“ sei in der aktuellen Mittel-
fristplanung des Konzerns ein Einspa-
rungsvolumen von 690 Millionen Euro vor-
gesehen, heißt es in dem Schreiben weiter.
Scheuer hatte Lutz im Oktober in einem
Brief aufgefordert, es seien weitreichende
Veränderungen bei der Bahn notwendig.
Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben, der
Konzern müsse seine Probleme schneller
und effizienter lösen. Lutz solle bis zu die-
sem Donnerstag Maßnahmen unter ande-
rem gegen Zugverspätungen und -ausfälle
vorweisen. markus balser

München– EinKrügerrand zum Start-
preis von einem Euro, das klingt nach ei-
nem guten Geschäft – wenn man es glaubt.
Der Kurs für die Goldmünze steht aktuell
bei rund 1460 Euro. Trotzdem wimmelt es
im Internet vor Anzeigen, die die Stücke
deutlich günstiger anbieten. Und es gibt im-
mer wieder Verbraucher, die darauf herein-
fallen.
Dreiste Anbieter, dumme Kunden, so ist
das manchmal in der Marktwirtschaft.
Aber selten hat es so gravierende Folgen
wie jetzt im hohen Norden der Republik:
Das Amtsgericht Jever verurteilte am
Dienstag einen 25-jährigen Mann zu einer
dreijährigen Haftstrafe. Er hatte von 2016
an über die Handelsplattform Ebay ge-
fälschte Krügerrand-Münzen und Goldbar-
ren mit der Bezeichnung „Perth Mint“ an-
geboten und nicht wenige Käufer gefun-
den. Manche zahlten 300 Euro pro Münze
oder Barren, manche auch bis zu 1000 Eu-
ro. Sie dachten dabei noch, sie hätten ein
gutes Geschäft gemacht.
Die Staatsanwaltschaft ließ im Sommer
2018 das Haus des Mannes durchsuchen,


überprüfte sein Handy und seine Konten
und ermittelte insgesamt 34 Fälle. Sie hat-
ten 155 000 Euro für die Münzen und Bar-
ren gezahlt. Von März bis Mai dieses Jahres
kam der 25-Jährige in Untersuchungshaft,
seitdem lief der Prozess, an 18 Verhand-
lungstagen hörte das Gericht mehr als 20
Zeugen. In 24 Fällen sprach es den Ange-
klagten nun des Betrugs schuldig.
Gefälschte Ware an den Mann oder die
Frau zu bringen, ist eigentlich nicht straf-
bar – solange der Verkäufer dabei nicht
den Eindruck erweckt, dass die Ware echt
ist. Täuscht er aber den Kunden, wird es
zum Betrug. Nach Ansicht des Gerichts hat
der Angeklagte diese Grenze überschrit-
ten.
Die Richterin erklärte sinngemäß: Es
gibt mehrere objektive Indizien, dass der
Angeklagte unechtes Gold bewusst und ge-
wollt erworben hat. Seine Inserate waren
aber darauf ausgerichtet, Echtheit zu sug-
gerieren. So gab er Reinheitsgrad und Ge-
wicht an und wies teilweise auch auf Zertifi-
kate hin. Erst in einer Passage am Ende
fand sich sinngemäß die Formulierung:

Um den Wert der Ware nicht zu verringern,
sei diese nicht aus der Plastikverpackung
genommen worden, weshalb sie als unge-
prüft/unecht verkauft werde.
Für Kai Ebisch, den Anwalt des Mannes,
ist die Sachlage nicht so eindeutig. „Das Ge-
richt weist darauf hin, der Zusatz ,unge-
prüft/unecht’ komme erst spät im Fließ-
text“, sagt er und fragt: „Heißt das, dass
man bei Ebay nicht mehr bis zum Schluss
lesen muss?“ Dies widerspreche dem ge-
sunden Menschenverstand: Bei Gebraucht-
wagen-Inseraten zum Beispiel stehe „Un-
fallwagen“ auch nicht in der Überschrift,
sondern oft erst am Ende im Fließtext.
Für den Verteidiger waren die Inserate
ein „angebotenes Risikogeschäft“, das hät-
te jedem Leser klar sein müssen. Sein Man-
dant habe in der Kleinanzeigen-Sparte von
Ebay auch keinen Preis genannt, sondern
„VB“ (Verhandlungsbasis) dazugeschrie-
ben. Er bot die Stücke bei Ebay zudem als
Versteigerungen an, dabei habe er einen
Startpreis von einem Euro angegeben, „er
hätte dabei auch ein Verlustgeschäft ma-
chen können“. Bemerkenswert ist, dass

sich der Mann bei vier Anwälten informiert
hatte, bevor er in das Geschäft einstieg. Sie
sicherten ihm zu, dass es kein Betrug sei,
wenn er die Anzeigen formuliere, wie er es
dann tat. Zwei Kunden stellten nach dem
Kauf fest, dass es sich um Fälschungen han-

delte und klagten vor Zivilgerichten. Doch
zweimal folgten Freisprüche. Die Gerichte
konnten keinen Betrug feststellen. Für An-
walt Ebisch ist es sonderbar, dass das Amts-
gericht Jever nun in der Strafsache zu ei-
nem anderen Urteil kommt.
„Ich wusste, dass Gerichte in Deutsch-
land dumme und einfältige Menschen
schützen, aber nicht, dass sie das auch bei
Gierigen tun“, sagt der Anwalt. Die Käufer
hätten sich aufgrund der Produktbeschrei-
bung und der niedrigen Preise darüber im
Klaren sein, dass es sich nicht um echtes
Gold handeln kann. „Es versteigert ja auch
niemand einen 100-Euro-Schein für 40 Eu-
ro.“ Jemanden über den Tisch zu ziehen,
sei allein noch nicht strafbar. „Vielen Ge-
schäftsmodellen liegt es zugrunde, die Gut-
gläubigkeit der Verbraucher auszunutzen,
wenn man zum Beispiel an Kaffeefahrten
denkt“, sagt er.
Der Angeklagte legte Berufung gegen
das Urteil ein. Nun muss das Landgericht
Oldenburg als nächste Instanz darüber ent-
scheiden, ob das Angebot Betrug war –
oder nur dreist. harald freiberger

von jan willmroth

Frankfurt– Gutedrei Jahre sind vergan-
gen, seitdem bei der Kreditanstalt für Wie-
deraufbau das einst Undenkbare eintrat.
Zum ersten Mal lieh sich die deutsche
Staatsbank damals Geld am Kapitalmarkt
und wurde dafür noch beschenkt: Anlei-
hen der KfW gelten als so sicher, dass In-
vestoren mittlerweile rechnerisch negati-
ve Renditen in Kauf nehmen, ganz ähnlich
wie im Fall von deutschen Staatsanleihen.
In der Nullzinsära gehört die Bank damit
eindeutig ins Lager der Profiteure.
Weil die KfW aber keine normale Bank
ist, kann sich ihr Chef Günther Bräunig
nicht ganz unbeschwert darüber freuen.
Denn als staatliche Förderbank ist die KfW
gerade darauf bedacht, ihre besonders
günstige Refinanzierung über Zuschüsse
und Kredite an die Kunden weiterzugeben.
Deshalb lohnen sich die Förderkredite der
KfW auch so sehr: Die Hausbank leitet das
von der KfW zugesagte Geld mit einem
kleinen Aufschlag an den Endkunden wei-
ter, etwa an einen Hausbauer oder an eine
mittelständische Firma. Negative Zinsen
kann dabei aber noch niemand abbilden,
denn die IT-Systeme der KfW und der an-
geschlossenen Geldinstitute machen das
nicht mit. Ein Minuszeichen vor dem Zins-
satz eines Kreditvertrags ist in den Pro-
grammen schlicht nicht vorgesehen.


Auf Initiative der KfW und anderer deut-
scher Förderbanken soll sich das jetzt än-
dern – auch wenn es der ursprünglich ange-
dachten Funktionsweise des Finanzsys-
tems widerspricht: Belohnt wird, wer Geld
verleiht, und nicht umgekehrt. „Wir haben
alle mal gelernt, dass der Zinssatz positiv
sein muss“, sagt Bräunig, und so hat man
das auch der Software in den Banken beige-
bracht. Nach einer langen Zeit der ultralo-
ckeren Geldpolitik und angesichts der gro-
ßen Menge an negativ verzinsten Anleihen
gilt diese alte Gewissheit aber nicht mehr.
„Wir sind jetzt in einer Situation angekom-
men, in der wir die technischen Vorausset-
zungen schaffen müssen, um negative Zin-
sen weiterreichen zu können“, so Bräunig.
Mit der Entscheidung der US-Noten-
bank Fed von Anfang des Jahres, die Leit-
zinsen nicht weiter zu erhöhen, schwand in
den Banken die Hoffnung auf eine Zins-
wende. Die EZB wird ihre Geldpolitik ohne-
hin auf längere Sicht nicht straffen. Und
die bestimmenden makroökonomischen
Faktoren deuten keinesfalls eine Umkehr
des Trends sinkender Zinsen an. In der öf-
fentlichen Diskussion stehen dabei zu-
meist die Sparer im Fokus, als Leidtragen-
de. „Wir betrachten jetzt die andere Seite
dieser Negativzinsen: Die sind für den Kre-
ditnehmer positiv“, betont Bräunig.


Bis die Banken negativ verzinste Kredi-
te technisch abbilden können, dürfte noch
etwa ein Jahr vergehen, schätzt Bräunig.
Noch gab es zwar keinen Fall, in dem ein
Unternehmer oder ein Hausbauer einen
Kredit mit negativen Sollzinsen hätte be-
kommen können. Aber noch im vergange-
nen Sommer lief bei der KfW alles auf eine
solche Konstellation zu. Die Landwirt-
schaftliche Rentenbank – auch ein Förder-
institut – hatte schon vor gut zwei Jahren
einen de facto Negativzins eingeführt, in-
dem sie Kreditnehmern einen Zuschuss ge-
währte. Für die Übergangszeit will sich

auch die KfW mit Tilgungszuschüssen be-
helfen, um ihre Refinanzierungskosten an
die Endkunden weiterzugeben.
Im Fall des Hausbauers sähe das sche-
matisch dann so aus: Die Bank bekommt
von der KfW das Geld zu einem Zinssatz
von null, weil es darunter noch nicht geht.
Sie darf in dem Programm für energie-
effizientes Bauen und Wohnen maximal
0,75 Prozent Kreditmarge berechnen,
wenn sie das Geld an einen Kunden weiter-
reicht. Der tatsächliche Zins für einen kre-
ditwürdigen Kunden aber liegt im Einzel-
fall niedriger, weil die KfW noch einen Zu-

schuss zahlt. Über den Zinssatz, so heißt es
von der Bank, ließe sich das viel präziser
und effizienter steuern. Man müsste dann
nicht ständig die Höhe der Zuschüsse neu
berechnen. „Deshalb setzten wir das jetzt
quer über alle Programme um“, kündigt
Bräunig an. Profitieren werden neben Pri-
vatleuten vor allem Mittelständler.
Letztere will die Bank mit neuen Förder-
programmen zu mehr klimafreundlichen
Investitionen animieren. Bräunig spricht
von einer „Klimaschutzoffensive für den
Mittelstand“. Unternehmen mit bis zu
500 Millionen Euro Jahresumsatz sollen

vergünstigte Kredite erhalten für Investiti-
onen, die entweder CO2-neutral sind oder
den Ausstoß von Treibhausgasen senken.
Hintergrund sind die Beschlüsse des Kli-
makabinetts, wonach die Bundesregie-
rung Fördermaßnahmen für Energie- und
Ressourceneffizienz in der Industrie aus-
bauen will. Entsprechende Programme
arbeitet die KfW noch aus. So dürften die
Negativzinsen am Ende dem Klimaschutz
dienen. Welchen Anreiz aber Geschäftsban-
ken haben sollen, in großem Stil Kredite zu
vergeben, für die sie am Ende draufzahlen
müssen, ist noch unklar.

Stuttgart– ImRechtsstreit um die Abgas-
reinigung von Diesel-Fahrzeugen des
Daimler-Konzerns zeichnet sich vor dem
Landgericht Stuttgart eine spannende Ent-
scheidung ab: Der Richter Fabian Richter
Reuschle will 21 Schadenersatzklagen von
Autokäufern bündeln und dem Europäi-
schen Gerichtshof zur Entscheidung vorle-
gen. Damit will er die Fragen, über die in
Tausenden Zivilverfahren bundesweit ge-
stritten wird, höchstinstanzlich klären las-
sen. Die wichtigsten lauten: Müssen die
Grenzwerte für den Stickstoffausstoß nur
auf dem Prüfstand eingehalten werden
oder auch auf der Straße? Ist eine tempera-
turabhängige Steuerung der Abgasreini-
gung eine unzulässige Abschalteinrich-
tung oder nicht? Daimler argumentiert,
die sogenannten „Thermofenster“ dienten
dem Schutz des Motors und sei deshalb zu-
lässig. Die 21 Kläger verneinen das und for-
dern Schadenersatz. Die Anwälte beider
Seiten dürfen bis 6. Dezember nochmals
schriftlich Stellung beziehen, danach will
der Richter entscheiden. Bei einem Ver-
handlungstermin am Mittwoch in Stutt-
gart stellte er seine vorläufige Rechtsauf-
fassung klar. Er wolle die Fragen vom
EuGH in einem so genannten „Vorabent-
scheidungsverfahren“ klären lassen – sehr
zur Freude der 21 anwesenden Klage-An-
wälte. „Eine Klärung vor dem EuGH ist zu
begrüßen, damit endlich Rechtsklarheit
herrscht“, sagte der Münchner Anwalt
Thorsten Krause. stma

Würzburg– Die Deutsche Rentenversiche-
rung warnt vor erheblichen Problemen bei
der Umsetzung der geplanten Grundrente.
Präsidentin Gundula Roßbach nannte den
geplanten Datenaustausch zwischen Ren-
tenversicherung und Finanzbehörden, die
Ermittlung der vorgesehenen 35 Jahre mit
Beitragsleistung und den geplanten Start-
zeitpunkt der Grundrente: „Angesichts
mehrerer Millionen laufender Renten, die
zu prüfen wären, ist der relativ kurze Zeit-
raum bis zum 1. Januar 2021 für Entwick-
lung und Einsatz einer voll automatisier-
ten Lösung aus Sicht der Rentenversiche-
rung problematisch.“ Die Koalition will
langjährigen Niedrigverdienern Grundren-
te zubilligen, die 35 Jahren mit Beiträgen
aus Beschäftigung, Erziehung oder Pflege
aufweisen. Vorher soll das Einkommen
von Betroffenen und Partnern geprüft wer-
den. Schon die Ermittlung, wer von den 21
Millionen Rentnern die nötigen Beitrags-
jahre aufweist, „ist alles andere als trivial“,
sagte Roßbach. Möglicherweise gebe es
nicht bei allen die nötigen Daten – etwa bei
Menschen, die bereits in der DDR Rentner
waren. „Vor Probleme stellen wird uns vor
allem aber die vorgesehene Prüfung der
Einkommen der Bezieher einer Grundren-
te und gegebenenfalls auch ihrer Partner.“
Roßbach erklärte, eine Verknüpfung der
Rentenkonten von Partnern gebe es nicht.
So werde wohl eine Übermittlung von Da-
ten zum Familienstand durch die Meldebe-
hörden an die Rentenversicherung nötig.
Sonst drohe eine „massive Ausweitung der
Sachbearbeitung“ – sie gehe davon aus,
dass es mehrere tausend zusätzliche Stel-
len bräuchte. dpa

Frankfurt– Vorstand und Aufsichtsrat
der Direktbank Comdirect empfehlen nur
einem Teil ihrer Aktionäre die Commerz-
bank-Offerte zur Komplettübernahme des
Instituts. Die Gremien rieten nur den an
kurzfristigen und sicheren Gewinnen ori-
entierten Comdirect-Aktionären zur An-
nahme des Angebots. Der Preis von 11,
Euro je Aktie sei angemessen. Für langfris-
tig orientierte Anleger gebe es zu wenige In-
formationen, um eine Empfehlung abzuge-
ben. Die Commerzbank will die Comdirect
komplett schlucken. reuters

Stuttgart– Es hatte so schön angefangen.
Mit schwäbischer Dickköpfigkeit und frei
nach dem Motto „Wir können alles. Auch
Weltausstellung“ hat es das kleine Baden-
Württemberg geschafft, sich als einzige Re-
gion neben 192 Nationen erfolgreich um ei-
nen Standort für einen eigenen Pavillon
auf der Expo 2020 in Dubai zu bewerben.
Aber jetzt steht das Projekt zum zweiten
Mal auf der Kippe. Der für November ge-
plante Spatenstich musste verschoben wer-
den, weil die private Projektgesellschaft
nicht genügend Sponsoren gefunden hat.
Und hinter den Kulissen gibt es Ärger. Ei-
ner der Verantwortlichen musste gehen.
Das Ausstellungshaus soll 13,3 Millio-
nen Euro kosten und war ursprünglich als
Projekt „von der Wirtschaft für die Wirt-
schaft“ konzipiert. Es wird von einer Gesell-
schaft getragen, der drei Institutionen
angehören: Die Ingenieurkammer Baden-
Württemberg, die Freiburger Messegesell-
schaft und das Stuttgarter Fraunhofer-In-
stitut für Arbeitswirtschaft und Organisati-
on. Diese drei wollten bei großen Unterneh-
men aus dem Südwesten Geld einwerben,
um den Bau zu finanzieren.
Weil sich das mühsamer gestaltete als
erhofft, hat die Trägergesellschaft vor eini-
gen Monaten einen ersten Hilferuf an die
Landesregierung geschickt. Prompt erklär-
te sich die grün-schwarze Koalition im Sep-
tember bereit, notfalls mit bis zu drei Milli-
onen Euro einzuspringen. Daniel Sander,


einer der Geschäftsführer und treibende
Kraft hinter der Bewerbung, sagte damals,
dass ihm bereits acht Millionen Euro von
Sponsoren mündlich zugesagt wurden.
Inzwischen ist Sander nicht mehr im
Amt. Am 28. Oktober wurde der ehemalige
Freiburger CDU-Stadtrat als Hauptge-
schäftsführer der Ingenieurkammer frei-

gestellt. Deshalb vertritt er auch die Träger-
gesellschaft nicht mehr.
Wir können alles. Außer Pavillon? „Das
Projekt ist momentan nicht gefährdet“, be-
tont Wilhelm Bauer. Der Leiter des Fraun-
hofer-Instituts hat die Koordination über-
nommen und versucht zu retten, was zu
retten ist. Ihm zufolge wurde das Projekt-

Team verstärkt, „und das Tempo und die
Effizienz in der Umsetzung enorm erhöht“.
Die Sponsorensuche sei „auf einem guten
Weg“, erste Verträge seien unterzeichnet.
Welche Firmen sich mit welchen Summen
beteiligen, will Bauer aber nicht verraten.
Da die Expo im Oktober 2020 startet,
müsste der Bau des Baden-Württemberg-
Häusles allmählich beginnen, das Land
will sich auf 2700 Quadratmetern präsen-
tieren, davon 2000 Quadratmeter Nutzflä-
che. Noch sind aber keine Bauaufträge ver-
geben. Damit werde man warten, bis die Fi-
nanzierung steht, sagt Bauer. Der Zeitplan
sei zwar „sportlich“, aber „ohne Einschrän-
kungen“ einzuhalten.
Baden-Württembergs Ministerprä-
sident Winfried Kretschmann (Grüne)
nimmt die Pavillon-Frage wenig begeistert
zur Kenntnis. Er halte das Projekt zwar für
eine tolle Gelegenheit, aber das Land zahle
bereits 2,8 Millionen Euro für die landes-
kundliche Ausstellung im Pavillon. Deshalb
sei eine Unterstützung über die Drei-Millio-
nen-Ausfallbürgschaft hinaus „wirklich
nicht mehr geplant“. Das von der CDU-Frau
Nicole Hoffmeister-Kraut geführte Wirt-
schaftsministerium sieht das anders: Es
prüft eine zusätzliche Unterstützung des
Projekts. „Um einen raschen Baubeginn zu
ermöglichen“, wie das Ministerium mitteilt.
Nach SZ-Informationen geht es um eine
Summe zwischen zwei und vier Millionen.
claudia henzler, stefan mayr

„Weite Reise“


Der Bahn-Chefreagiert auf harte Kritik des Verkehrsministers


Schön wär’s schon: So soll das Ausstellungshaus von Baden-Württemberg aus-
sehen. Noch ist aber kein Spatenstich gemacht. FOTO: OH

Nicht alles Gold, was glänzt


Ein 25-Jähriger muss drei Jahre in Haft, weil er auf Ebay gefälschte Münzen und Barren verkaufte. Sein Anwalt kritisiert, dass das Gericht „Gierige schützt“


Geschenke für den Hauskredit


Die KfW und weitere Förderbanken bereiten sich darauf vor, negativ verzinste Darlehen zu vergeben.
Nur macht die Technik in den Banken da noch nicht mit. Das soll sich ändern

Daimler-Klagen


sollen vor den EuGH


Grundrente offenbar


schwierig umzusetzen


Comdirect empfiehlt


nicht allen Offerte


Großes Projekt, kleines Land


Für den Pavillon von Baden-Württemberg auf der Expo 2020 in Dubai fehlt Geld. Ein Projekt-Chef ist schon weg


Wer Geld verleiht, wird belohnt:


Das war einmal sicher,


gilt aber heute nicht mehr


18 HF2 (^) WIRTSCHAFT Donnerstag, 14. November 2019, Nr. 263 DEFGH
Die Zeiten für Schuldner sind gut. Wer einen Förderkredit fürs Eigenheim beansprucht, könnte bald sogar dafür belohnt werden. FOTO: IMAGOIMAGES / WESTEND
Krügerrand: Münzen dieses Typs bot der
Verurteilte im Internet an. FOTO: DPA

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