Süddeutsche Zeitung - 14.11.2019

(Michael S) #1
von marcel grzanna

D


as distanzierte Verhältnis der Deut-
schen zu Aktien hat sich auch in der
Niedrigzinsphase nicht verändert.
Nicht einmal zehn Prozent des Kapitalver-
mögens im Land steckt in Unternehmens-
anteilen. Dabei könnte die Geldanlage so
einfach sein. Wer sich selbst darum nicht
kümmern will, kann sich auch an digitale
Anbieter wenden, die breit diversifizierte
Portfolios generieren.
Eine in diesem Jahr veröffentlichte Stu-
die des Deutschen Aktieninstituts und der
Börse Stuttgart ermittelte, dass 39 Prozent
der Nicht-Aktienbesitzer zumindest einen
gewissen Betrag in Aktien investieren wür-
den, wenn ihnen 10 000 Euro zur Ver-
fügung stehen würden. Doch das Geld ist
in unteren Einkommensklassen knapp.
Wenn etwas auf die Seite gelegt wird, lan-
det es eher auf dem Sparbuch. Auch man-
gelnde Aufklärung ist laut der Studie ein
Problem: „Nur 29 Prozent der Nicht-Akti-
enbesitzer wissen um den Renditevorteil
der langfristigen Aktienanlage. Lediglich
19 Prozent ist klar, dass eine Aktienanlage
auch bei kleineren Anlagebeträgen sinn-
voll ist. Und 61 Prozent der Nicht-Aktienbe-
sitzer gehen zu Unrecht davon aus, dass Ak-
tien unsicher und riskant sind.“


Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass Ak-
tien unsicher und riskant sein können. Al-
lerdings können Investoren diese Risiken
mit einem global und breit diversifizier-
tem Portfolio drastisch verkleinern, wenn
auch niemals komplett ausschalten. Wer
sich etwas mit den Finanzmärkten und sei-
nen Anlagemöglichkeiten beschäftigt,
stellt schnell fest, dass bei den börsenge-
handelten Fonds, den Exchange Traded
Funds, ETF, sowohl Angebote für Zocker
als auch für erzkonservative Sparfüchse
existieren. Die Digitalisierung sorgt dafür,
dass nicht einmal mehr Sachkenntnisse nö-
tig sind, um sich selbst so ein global diversi-
fiziertes Portfolio zusammenzustellen.
Digitale Vermögensverwalter wie Robo
Advisors bieten Kunden an, deren Risiko-
bereitschaft vollautomatisch zu kategori-
sieren und daraufhin ihr Geld entspre-
chend anzulegen. Wem dieser Gedanke
missfällt, kann sich auf eigene Faust ein
Portfolio zusammenstellen. Es ist eine Ab-


wägung vornehmlich folgender Aspekte:
Kosten, Aufwand, Risiken und Chancen.
Sowohl der Kunde des Robos wie auch
der Selbstentscheider müssen die Fonds-
kosten tragen. Nicht alle Robos weisen die-
se Kosten explizit in ihrem Angebot aus.
Für die eigentliche Dienstleistung der Ver-
mögensverwaltung muss der Robo-Kunde
indes zusätzlich zahlen, während der
Selbstentscheider mit seinem Aufwand

um diesen Posten herumkommt. Der
Selbstentscheider benötigt allerdings ein
Depot, das ihn Geld kostet. Ordergebühren
und Spread, also die Differenz zwischen
Geld- und Briefkurs, kommen zusätzlich
oben drauf. Der Privatanleger zahlt zudem
Handelskosten, die oft höher sind als das,
was ein institutioneller Anleger zahlt.
„Auch wenn Selbstentscheider höhere Han-
delskosten haben als Robos, so können sie

ihr Portfolio insgesamt trotzdem günsti-
ger in Eigenregie verwalten, weil die Kos-
ten für den Service des Robos wegfallen“,
sagt Yann Stoffel von der Stiftung Waren-
test.
Punkt zwei ist die Frage nach dem Auf-
wand. Wer sich für die Eigenregie entschei-
det, hat mehr Arbeit, als wenn ein Robo das
Portfolio ins Gleichgewicht bringt, Reba-

lancing heißt der Fachausdruck. Dabei
geht es um die regelmäßige Wiederherstel-
lung des ursprünglichen Anlageprofils.
Die Anlagestruktur kann sich im Laufe der
Zeit verändern durch entsprechende Kurs-
gewinne oder -verluste der einzelnen Titel.
Durch das Rebalancing wird auch das Risi-
ko des Portfolios wieder dem Ausgangspro-
fil angeglichen. Vor allem Neulingen unter

den Selbstentscheidern dürfte der Auf-
wand vergleichsweise groß vorkommen.
Wer sich jedoch auskennt und etwas Erfah-
rung gesammelt hat, kann mit relativ we-
nig Zeit und Mühe sein Portfolio verwal-
ten. Trotzdem ist das ein Vorteil der Robos.
Das Risiko bei der Geldanlage kann ein
Robo Advisor letztlich auch nicht gänzlich
ausschalten. Wer Geld in Wertpapiere an-
legt, kann es verlieren. Tatsächlich hat der
Robo Advisor aber einen markanten Vor-
teil gegenüber dem Selbstentscheider: Er
kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
zumindest alle ungewollten Risiken um-
schiffen. Dem Algorithmus unterlaufen
keine Flüchtigkeitsfehler. Die Stiftung Wa-
rentest warnt aber davor, jedem Robo
blind zu vertrauen. „Wir haben in unserem
Test Anlagevorschläge von Robos gesehen,
die unserer Meinung nach zu risikoreich
waren“, sagt Finanzexperte Stoffel. Deswe-
gen sei es wichtig, unbedingt den richtigen
Robo auszuwählen. Die Krux dabei: „Die
passende Auswahl ist nur wenig schwieri-
ger als gleich selber eine passende Anlage-
strategie umzusetzen.“ Jemand, der sehr
sorgfältig einen Robo Advisor auswählt, ist
also meist auch in der Lage, sich sein Port-
folio selbst zusammenzustellen. Experten
raten in der Regel, einen ETF auf den Welt-
index MSCI World auszuwählen. Darin ent-
halten sind die größten Unternehmen der
Welt. Bei Robos sollten Anleger auf die An-
lagestrategie und die Kosten achten.
Bleibt die Frage nach den Chancen. Die
Digitalisierung hat schon vor den Zeiten
der Robo Advisors den Markt geöffnet für
private Investoren. Sie können heutzutage
in fast alle Anlageformen investieren, die
auch die Profis nutzen. Wer glaubt, dass
die Profis mit Tricks und Kniffen operie-
ren, die dem Privatanleger verborgen blei-
ben, der irrt. Finanztester Stoffel sagt: „Ein-
fache, langfristige Strategien gehören zu
den erfolgreichsten und zuverlässigsten
Strategien. Mit Profihilfe eines Robos
kommt man nicht unbedingt weiter, schon
gar nicht, wenn er zusätzlich hohe Kosten
verursacht.“
Doch bequemer sind Robo Advisors
auch für Selbstentscheider. Die Stuttgar-
ter Börse bietet derweil über ihre Internet-
seite den Einstieg für beide Varianten an.
Selbstentscheider können sich ein Portfo-
lio zusammenstellen. Aber auch Kunden,
die auf die erfolgreiche Hilfe des Algorith-
mus setzen, finden mit dem Angebot des
Robo Advisors von Ginmon eine automati-
sierte Variante.

In vielen klassischen Indizes sind die The-
men Nachhaltigkeit und Klimaschutz noch
nicht berücksichtigt. Durch Bewegungen
wie Fridays for Future legen jedoch immer
mehr Menschen Wert auf Umweltschutz.
Klassische Banken, aber auch digitale
Vermögensverwalter versuchen, Anleger
mit entsprechenden Angeboten zu locken.
Experten empfehlen Anlegern immer
wieder börsengehandelte Fonds auf den
Aktienindex MSCI World. Denn der Fonds
enthält die weltweit wichtigsten Aktien
und verfügt über eine besonders breite
Streuung. Doch wer sich für den MSCI
World entscheidet, investiert auch in Fir-
men wie den Flugzeughersteller Boeing,
das Rüstungsunternehmen Lockheed Mar-
tin oder den Energieversorgungskonzern
RWE, um nur einige Beispiele zu nennen.
Für Umweltschützer ist das in der Regel
ein No-Go.
Beim sogenannten Green oder Eco In-
vesting geht es primär darum, Aktien von
Firmen zu erwerben, die im Bereich Um-
weltschutz aktiv sind. Daneben wird als Zu-
geständnis häufig in Firmen investiert, die
in Bereichen tätig sind, die nicht als um-
weltschädlich gelten. „Welche Firmen das
sind, dafür gibt es verschiedene Definitio-
nen“, erklärt Marc Oliver Rieger, Professor
für Finanzen an der Universität Trier. Anle-
ger müssen also selbst prüfen, ob die jewei-
ligen Definitionen der Finanzdienstleister
zu ihrem Verständnis von Nachhaltigkeit
passen. Und hier fängt die Schwierigkeit
oft an. Denn das Angebot ist groß.
Es gibt eine Vielzahl an Fonds, die bei-
spielsweise nur in Hersteller von Solarzel-
len investieren oder Firmen aus besonders
kontroversen Bereichen wie Kohlekraft ein-
fach ausschließen. Doch was ist mit Aktien
von Unternehmen, die umweltfreundlich
handeln, aber zu einem Konzern gehören,
der auch in als umweltschädlich bekann-
ten Branchen aktiv ist? Wer enge Kriterien
ansetzt, stößt hier schnell an Grenzen.
„Der Begriff Socially Responsible Inves-
ting greift noch weiter. Er umfasst nicht
nur Umweltschutz, sondern zum Beispiel
auch bestimmte Sozialstandards – beson-
ders in Ländern, in denen diese Standards
nicht gesetzlich vorgeschrieben sind“, er-
klärt Rieger. Firmen mit sozialer Verant-
wortung sind bei Anlegern besonders be-
liebt. In gewisser Weise tragen die Firmen
auch dazu bei, dass immer mehr Men-
schen ihre Scheu vor dem Aktienmarkt ver-
lieren. Im Normalfall packen viele Privatan-
leger ihr Geld aufs Sparbuch und nehmen
lieber Verluste in Kauf anstatt es in Wertpa-
piere zu investieren. „Wenn nachhaltige
Geldanlagen diesen Menschen helfen, ihre
Altersvorsorge zu verbessern, dann haben
sie auch selbst etwas gewonnen“, meint Rie-
ger. Denn wer nachhaltig investiert, muss
nicht zwangsläufig auf Rendite verzichten.
Doch Anleger sollten auch bei nachhalti-
gen und sozialen Geldanlagen aufpassen.


Allgemein steigt das Risiko, wenn weniger
Firmen im Portfolio sind. „Die Rendite
schwankt also zum Teil stärker“, erklärt
Rieger.
Wer sich auf ein Thema wie erneuerbare
Energien beschränken möchte, muss mit
einem hohen Risiko rechnen: „Es kann
sein, dass der ganze Bereich bergab geht.
So war es vor einigen Jahren mit der Solar-
energie in Deutschland“, warnt Rieger. Un-
ter Anlagegesichtspunkten sei es besser,
besonders umweltschädliche Branchen
auszuschließen. Dann fließt zwar weniger
Geld in nachhaltige Branchen, doch es blei-
ben mehr Unternehmen übrig, die Streu-
ung ist breiter und das Risiko geringer.

Fonds mit Fokus auf sozialer Verantwor-
tung gibt es viele. Auch immer mehr Robo
Advisors werben in irgendeiner Form mit
ökologischen oder sozialen Themen. Sie
heißen etwa Visualvest, Vividam, klima-
fonds.de, Investify, Liquid, Savity oder Be-
vestor. Wer eine soziale Geldanlage tätigen
möchte, sich aber um die Geldanlage nicht
kümmern will, für den können die digita-
len Anbieter eine praktische Lösung sein.
Dem Robo teilt man neben seinen morali-
schen und ethischen Präferenzen auch
mit, wie viel Risiko man eingehen möchte
und wie die eigene Finanzsituation aus-
sieht. Ein guter Robo werde dann bei ei-
nem nachhaltigen Portfolio eine geringere
Aktienquote anbieten als bei einem klassi-

schen Investment, meint Wissenschaftler
Rieger. Anleger sollten vorab die Strategie
des Robo Advisors überprüfen. Orientie-
rung geben können auch Testberichte von
Finanztest.
Die Gebühren der einzelnen Anbieter va-
riieren stark, je nachdem, ob die Robos nur
in relativ günstige, börsengehandelte
Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) oder
auch in aktiv gemanagte Fonds investie-
ren. Auf die Fonds- und Verwaltungskos-
ten des Robos sollten Verbraucher bei der
Auswahl daher ebenfalls achten. „Generell
sind die Gebühren zwar meist transparent.
Für einen Anfänger ist aber trotzdem nicht
immer so klar, was sie zahlen müssen“,
sagt Rieger. Denn: Die Robo Advisors ver-
langen eine Gebühr für ihre Arbeit. Dazu
kommen noch die Fondsgebühren. „Und
ETF mit Fokus auf sozialer Verantwortung
oder erneuerbarer Energie sind in der Re-
gel teurer als ETF, die den Markt widerspie-
geln“, sagt Wissenschaftler Rieger und
meint: „Man muss sich immer vor Augen
halten: Es gibt im Leben selten etwas gra-
tis. Auch Umweltschutz gibt es nicht gra-
tis.“
Bei klimafonds.de zum Beispiel ver-
langt der Robo 0,15 Prozent Gebühren. Ei-
ner der ETF aus dem Bereich erneuerbare
Energien kostet 0,65 Prozent. Bei aktiv ge-
managten Fonds kann es sogar deutlich
über ein Prozent gehen. „Wenn man mit Ak-
tien im Schnitt sieben Prozent Rendite pro
Jahr erzielt und ein Prozent Gebühren für
den Fonds zahlt plus, was der Robo Advisor
kostet, dann bleibt von den sieben Prozent
deutlich weniger übrig“, rechnet Rieger
vor.
Nicht immer ist die nachhaltige oder so-
ziale Anlagestrategie des Robos völlig
transparent. Eine gewisse Gelassenheit sei
daher ratsam: „Die Frage ist, wie genau der
Anleger wissen möchte, in was er inves-
tiert. Irgendwann kommt man an den
Punkt, an dem man auch vertrauen und sa-
gen sollte: Ich weiß es zwar nur zu 99 Pro-
zent, aber das ist mir immer noch lieber,
als das Geld einfach zufällig anzulegen.“
Eine Möglichkeit ist es, auf der Website
der Anbieter durchzulesen, in welche ETF
und welche aktiv gemanagten Fonds der
Robo investiert. Wer noch tiefer gräbt, lan-
det bei langen Listen von Unternehmen.
„Da dem Anleger viele Firmen nichts sa-
gen werden, ist die Frage, wie viel Arbeit er
sich machen möchte“, sagt Rieger. Wer es
genau wissen möchte, muss die einzelnen
Geschäftsmodelle der Fonds recherchie-
ren. tanja koch

Mensch gegen Maschine


Wer sich gut auskennt, kann sein Geld selbst weltweit und breit gestreut anlegen. Wer sich darum nicht selbst kümmern will, dem helfen auch digitale Anbieter.


Die Vor- und Nachteile im Vergleich


„Die Frage ist, wie genau
der Anlegerwissen möchte,
in was er investiert.“

Geldanlage für Weltverbesserer


Digitale Vermögensverwalter helfen auch bei nachhaltigen und sozialen Investments


Selbst anlegen


ist günstiger, aber ein Robo


ist bequemer


Robo Advising
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Katharina Wetzel
Illustrationen: Stefan Dimitrov
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