Süddeutsche Zeitung - 14.11.2019

(Michael S) #1
von johannes schnitzler

T


ray Tuomie war jetzt nicht mehr
nach Freundlichkeit zumute. Klar, je-
der kann mal einen schlechten Tag
haben, jeder macht mal Fehler und, ja
doch, keiner spielt mit Absicht schlecht.
Aber genug ist irgendwann genug.
Tuomie, 51 und nach eigenen Worten
„ein freundlicher Mensch“, wollte die Sa-
che jetzt geklärt haben. Also verließ der
Amerikaner seinen exponierten Posten
auf der Bank, stellte sich ganz nah an die
Bande, damit man ihn auf dem Eis auch
gut hören konnte, und begann, Wörter zu
bellen. Erst bellte er ein englisches Wort
mit vier Buchstaben, beginnend mit einem
F, und nur für den Fall, dass man ihn nicht
verstanden haben sollte, schickte er noch
ein Wort mit acht Buchstaben hinterher,
der erste ein B, das übersetzt so viel bedeu-
tet wie Verdautes vom Stier. Dazu gestiku-
lierte er heftig mit seinem Ellenbogen.
Die meisten Menschen, die seit seinem
Amtsantritt im August als Cheftrainer der
Augsburger Panther mit ihm zu tun hat-
ten, konstatieren, dass dieser freundliche
Herr Tuomie durchaus ein ausgeglichene-
res Temperament besitzt als sein biswei-
len recht impulsiver Vorgänger Mike Ste-
wart. Aber manchmal, verdammt, platzt es
auch aus dem Freundlichsten heraus. Fuck
you! Bullshit! Vermutlich hat sogar der Da-
lai Lama Tage, an denen er nicht lächelt.


Am Tag danach lächelte Tray Tuomie
wieder, vor allem über sich selbst. Seine
Panther hatten am Vorabend im Achtelfina-
le der Champions Hockey League (CHL) ge-
gen den EHC Biel, den Tabellenzweiten der
Schweizer National League, eine 2:0-Füh-
rung vergeben; das 2:2 (1:0, 1:0, 0:2) lässt ih-
nen vor dem Rückspiel am nächsten Diens-
tag alle Chancen auf das Viertelfinale, für
einen Debütanten in der kontinentalen Eli-
teklasse ein durchaus ehrenwertes Ergeb-
nis (die Gäste aus dem Kanton Bern, wie-
wohl selbst Neulinge in der CHL, hatten
sich zuvor beglückwünscht, dass sie von
den vier Schweizer Klubs in der Runde der
letzten 16 das leichteste Los erwischt hät-
ten). Aber wer die Monate seit Tuomies
Amtsantritt verfolgt hat, konnte seine Ent-
täuschung nachvollziehen. Und als die
Schiedsrichter einen vermeintlichen Ellen-
bogenschlag gegen Verteidiger Patrick
McNeill nicht ahndeten, fing Tuomie an zu


bellen. „In dem Moment“ habe er die Situa-
tion wohl schlimmer eingeschätzt als sie
war, sagte er. Der Frust musste raus.
Dabei gab dieses Spiel durchaus Anlass
zur Hoffnung, dass die bislang eher freud-

lose Saison in der Deutschen Eishockey Li-
ga (DEL) von jetzt an etwas freundlichere
Züge annehmen könnte. Gerade 28 Sekun-
den dauerte die Partie, als Jaroslav Hafen-
richter eine Vorlage von Drew LeBlanc zum

1:0 ins Netz schob. Im zweiten Drittel ver-
gingen 55 Sekunden, bis Matt Fraser auf
2:0 erhöhte – der achte Treffer im siebten
CHL-Spiel für den Kanadier, der damit die
Torschützenliste anführt. „Wir hatten

Chancen auf das 3:0 und 4:0“, sagte Tuo-
mie, einmal spielten sie fast zwei Minuten
lang mit zwei Mann mehr, einmal tauchte
Hafenrichter völlig frei vor Biels Schluss-
mann Elian Paupe auf. „Aber es ist uns

nicht gelungen.“ Vielleicht wäre ein 3:0
oder 4:0 auch ein bisschen zu viel des Gu-
ten gewesen gegen die läuferisch und tech-
nisch überlegenen Schweizer. Anderer-
seits aber zählt im Sport nun mal das Ergeb-
nis, weshalb Tuomie alle Eventualitäten
flugs abhakte: „Hätte, hätte, hätte. Es ist so
oder so ein Spiel über 120 Minuten, nächs-
ten Dienstag müssen wir nach Biel. Wir ha-
ben nichts gewonnen und nichts verloren.“
Das war freilich nur bedingt richtig. Ge-
wonnen haben dürften die Panther, vergan-
gene Saison Dritter der DEL, ein wenig
mehr Zuversicht als ihr zwölfter Tabellen-
platz in der heimischen Liga eigentlich zu-
lässt. „Wir haben eine gute Leistung ge-
zeigt und wie in jedem CHL-Spiel gepunk-
tet. Die Jungs haben gezeigt, dass sie noch
Eishockey spielen können.“ Anders als in
vielen DEL-Spielen waren sie jeweils zu
Drittelbeginn wach, erspielten sich Chan-
cen und kamen zu Toren. Die Zuschauer,

5580 waren es am Dienstag im Curt-Fren-
zel-Stadion – mehr als im DEL-Saison-
durchschnitt – honorierten die couragier-
te Leistung, auch wenn Biel durch ein Zu-
fallstor des Österreichers Stefan Ulmer
(48.) und einen fulminanten Schlagschuss
des finnischen Weltmeisters Toni Rajala
(54.) noch zum Ausgleich kam (bei beiden
Gegentreffern sah der ansonsten wieder
einmal gute Torhüter Olivier Roy unglück-
lich aus). Wie immer, wenn die Panther die
Champions-League-Trikots überziehen,
wirkte es so, als ob sie damit in einer Art
Reinigungsritual zugleich den Grauschlei-
er des DEL-Alltags abstreifen könnten. Zwi-
schendurch war die Stimmung so gut wie
in den Playoffs im April.
Rund 1000 Fans werden die Panther
nächste Woche nach Biel begleiten. Ihre
drei bisherigen Auswärtsspiele in der CHL
gewannen die Augsburger jeweils 3:2. Zu-
vor müssen sie in der DEL am Freitag ge-
gen Meister Mannheim und am Sonntag in
Krefeld ran. Die Vorhersagen sind seit
Dienstag wieder etwas freundlicher.

Irgendwann sollte man mal ein Auswärts-
spielgewinnen, ja, schon, findet auch Paul
Zipser. Der 25-Jährige sitzt sehr entspannt
in der sogenannten Tagesbar eines bekann-
ten Münchner Modehauses, Platinpartner
der FC-Bayern-Basketballer, und erzählt
ein bisschen von seinem Alltag. Momentan
geht es ihm gut, er ist schmerzfrei, was für
den 2,03 Meter großen Athleten keine
Selbstverständlichkeit ist: Von seinem
zweijährigen Engagement beim NBA-Klub
Chicago Bulls brachte er eine Verletzung
mit, die ihn eine halbe Saison lahmlegte.
Weil Zipser dennoch einer der besten
Basketball-Profis hierzulande ist, spielt er
inzwischen auch wieder für den besten Ver-
ein, den die Republik zu bieten hat. Und
weil dessen Ambitionen wiederum stetig
steigen, wirkt sich das auf die Belastung
der Spieler aus. Neben dem Alltag in der
Basketball-Bundesliga (BBL) will der deut-
sche Meister in dieser Saison erstmals in
die K.-o.-Runde der Euroleague, der höchs-
ten Spielklasse in Europa. Das bedeutet an-
strengenderweise einen zweiten, parallel
laufenden Ligabetrieb, mit Gegnern, deren
Qualität die der Bundesliga weit übertref-
fen. Fünf Spiele stehen wettbewerbsüber-
greifend allein in den kommenden zehn Ta-
gen an, da darf man sich schon mal nach
dem Zustand von Muskeln, Sehnen und Ge-
lenken der Profis erkundigen.
Am Freitagabend gastiert der FC Bayern
bei Valencia Basket (21 Uhr), der spanische
Erstligist hat sich mit dem Gewinn des


zweitklassigen Eurocups in der vergange-
nen Saison für die höchste kontinentale Li-
ga qualifiziert. Derzeit aber läuft es bei den
Spaniern nicht rund, in der heimischen Li-
ga ACB dümpelt der Vorjahresvierte auf
dem 13. Platz. Noch schlimmer stellt sich
die Situation international dar, da ist Valen-
cia als 18. der Tabellenletzte; das Team hat
nur eine von sieben Partien gewonnen. Die

Münchner Bilanz sieht mit 3:4 deutlich bes-
ser aus, die Partie ist also eine gute Gele-
genheit, den ersten Auswärtssieg einzufah-
ren. Findet auch Zipser: „Es ist ganz wich-
tig, seine Heimspiele zu gewinnen, dann
ist man schon mal gut dabei. Aber ein paar
Auswärtsspiele sollte man in der Eurolea-
gue schon auch für sich entscheiden.“ Zip-
ser reist jedenfalls mit dem Vorsatz in die
Stadt an der spanischen Südostküste, dort
damit anzufangen.

Sein Teamkollege Maodo Lo gibt frei-
lich zu bedenken, dass man der momenta-
nen Tabellenkonstellation nicht viel Bedeu-
tung beimessen sollte: „In der Euroleague
kann jeder jeden schlagen.“ Besonders der
Heimvorteil schlage zu Buche, der Münch-
ner Spielmacher erinnert sich an hitzige
Spiele vor einer aufgeladenen Kulisse in Va-
lencia. Von einem Pflichtsieg könne also
keine Rede sein, allerdings schätzt auch
der 26-Jährige die Chancen als, nun ja, in-
takt ein: „Ich habe schon die Erwartung,
dass wir dort gewinnen.“ Das darf man
dem deutschen Meister zutrauen, denn im
Kreis der kontinentalen Elite kommt es
eher selten vor, dass die Bayern nominell
deutlich besser besetzt sind. Einen wie
Greg Monroe, den aus der NBA geholten
Center, hat Valencia jedenfalls nicht.
Gleichwohl spielen bei den Spaniern zahl-
reiche Nationalspieler und Euroleague-er-
fahrene Akteure, sie haben genug Talent,
wie sie beim 81:72-Erfolg im jüngsten
Heimspiel gegen Asvel Villeurbanne bewie-
sen haben.
Der deutsche Meister ist gewarnt, wie
Münchens Berufsmahner Dejan Radonjic
bestätigt. Der Meistertrainer hofft wenigs-
tens auf die Rückkehr des angeschlagenen
Nihad Djedovic ins Team, ein wichtiger
Faktor im Spiel der Münchner, „vorne wie
hinten“. Für den französischen National-
center Mathias Lessort werde es am Frei-
tag noch nicht reichen, so Radonjic, er ha-
be zwar wie Djedovic mittrainiert, aber „oh-

ne Kontakt“ zu den Mitspielern. Lessort
soll den Kader in den kommenden Woche
wieder verstärken, wovon Josh Huestis
und T.J. Bray noch weit entfernt sind. „Der
Spielplan ist sehr hart und anstrengend“,
stöhnt Münchens Trainer noch, eine Chan-
ce zum ersten Auswärtssieg in der Eurolea-
gue sieht aber auch er: „Valencia ist ein
sehr erfahrenes Team, aber ein Sieg ist
möglich.“ ralf tögel

Champions League, Achtelfinale, Hinspiele
Junost Minsk– RB München 2:3 (2:0, 0:1, 0:2)
Augsburger Panther – EHC Biel 2:2 (1:0, 1:0, 0:2)
HC Pilsen – Lausanne HC 1:2 (0:0, 1:1, 0:1)
Skelleftea AIK – Djurgarden IF 3:3 (2:1, 1:1, 0:1)
F. Karlstad – Frölunda Indians 6:3 (3:0, 2:1, 1:2)
Tappara Tampere – EV Zug 3:3 (0:2, 3:0, 0:1)
SC Bern – Lulea HF 0:3 (0:0, 0:3, 0:0)
Mountfield HK - Adler Mannheim Mi.

Uli Hoeneß war und ist die „Abteilung At-
tacke“ bei Bayern München. Am Freitag
endet seine Zeit als Präsident des deut-
schen Fußball-Rekordmeisters. Geredet
hat er immer gerne und viel. Hier eine
Auswahl:

„Ich werde dem Verein solange dienen,
bis ich nicht mehr atmen kann.“

„Ein Uli Hoeneß lässt den FC Bayern nie
im Stich. Und wenn irgendein Problem
entsteht, würde ich zur Not hier sogar
ein halbes Jahr den Platzwart machen.“

„Jetzt, da ich keine offizielle Funktion
mehr habe, werde ich die Attacke Abtei-
lung wieder ausfahren. Immer, wenn ich
Unsachliches höre und sehe, werde ich
den Verein wie eine Glucke bewachen.“

„Ich habe mich um jeden Scheiß geküm-
mert, Abfahrtszeiten, Busunternehmen,
Trikots, zur Not habe ich den Spielern
die Stollen reingeschraubt.“

„Wenn Klinsmann Obama ist, dann bin
ich Mutter Teresa.“

„Der soll hierherkommen und nicht stän-
dig in Kalifornien rumtanzen und uns

hier den Scheiß machen lassen.“ (über
den damaligen Bundestrainer Jürgen
Klinsmann)

„Die Bremer sollen ruhig oben stehen
bis Weihnachten. Aber der Nikolaus war
noch nie ein Osterhase.“

„Ich bin kein Besserwisser, sondern ein
Bessermacher.“

„Ich traue mir jedes Amt zu, auch das des
Papstes.“

„Solange Karl-Heinz Rummenigge und
ich etwas beim FC Bayern zu sagen ha-
ben, wird der bei diesem Verein nicht
mal Greenkeeper im neuen Stadion.“
(über Lothar Matthäus)

„Hoffentlich hat die Frau Merkel dem-
nächst nicht zuviel Arbeit, die diplomati-
schen Beziehungen zu verbessern.“
(über den Wechsel von Matthäus zu Mac-
cabi Netanya)

„Das war ein Affentheater, wie ich es
noch nie gesehen habe. Ich sehe Real Ma-
drid auf der Entwicklung vom Fußball-
klub zum Zirkus.“ (über die Präsentation
von David Beckham). sid

Große Ziele an der Tagesbar


Die Basketballer des FC Bayern München wollen in Valencia den ersten Euroleague-Auswärtssieg der Saison feiern


Dalai Lama bellt


Die Augsburger Panther treten in der Champions League mal wieder munterer auf als in der DEL: Das 2:2 gegen
Biel wahrt die Chance aufs Viertelfinale – bisher hat das Team von Tray Tuomie alle Auswärtsspiele gewonnen

Drei Unentschieden


„Nikolaus war nie Osterhase“


DenkwürdigeSätze von Bayern-Präsident Uli Hoeneß


„Die Jungs haben gezeigt, dass sie


noch Eishockey spielen können“,


sagt der Coach des DEL-Zwölften


FC-Bayern-Bilanz in der Euroleague

FC Bayern – Olimpia Mailand 78:64
ZSKA Moskau – FC Bayern 79:68
FC Bayern – Villeurbanne 104:63
FC Bayern – Khimki Moskau 74:87
FC Bayern – Real Madrid 95:86
Baskonia Vitoria-Gasteiz – FC Bayern 93:60
Fenerbahce Istanbul – FC Bayern 90:82

DEFGH Nr. 263, Donnerstag, 14. November 2019 (^) SPORT IN BAYERN HBG 25
„In der Euroleague kann jeder jeden
schlagen“, sagt Maodo Lo. FOTO: IMAGO
Unruhestifter: Matt Fraser (Zweiter von rechts) erzielte gegen Biel seinen achten Treffer im laufenden Wettbewerb. Der Kanadier führt damit die Torschützenliste
der Champions League an. FOTO: THOMAS HIERMAYER, DE FODI / IMAGO
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