Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.11.2019

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FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG^ Wirtschaft DONNERSTAG, 14.NOVEMBER 2019·NR.265·SEITE 15


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Die Pr otest eder Landwirte dauern


an. Fachleuterechnenvor, wasauf


die Branche zukommt.


Florida is tseit jeher dasTraumziel


vieler Rentner –nun auc hfür den


berüchtigten InvestorCarlIcahn.


Der W indkraf tausbau kommt nicht


in Schwung. Entlassungen und


Verlustmeldungen häufen sich.


WÜTENDEBAUERN GEFÜRCHTETERJÄGER ALARMIERTE BRANCHE


E


swar ein Momentganz nach
dem Geschmackvon Elon
Musk.Der amerikanischeUn-
ternehmer hatteeine Galaveranstal-
tung mit Spitzenvertreternder deut-
schen Autoindustrie in Berlin ge-
wählt, um eine spektakuläreAnkün-
digung zu machen: Dervonihm ge-
führt eElektroautohersteller Tesla
wolle sein nächstesgroßes Werk in
der Nähe der deutschen Hauptstadt
errichten. Es wäre nacheiner gerade
fertiggestellten Produktionsstättein
Schanghai erst die zweite sogenannte
„Gigafactory“ desUnt ernehmens au-
ßerhalb seines amerikanischen Hei-
matmarktes.DiedeutscheAut oindus-
trie kannTeslasEntscheidungfürBer-
lin alsKompliment undKampfansa-
ge gleichermaßen verstehen. Musk
wagt sic hauf das Revier der Marken,
an denen er sichselbstgerne misst.
UndgenaudieseHerstellerbereiten
ihrerseits große Offensiven in der
Elektromobilitätvor, dieTesladasLe-
ben erschwerenkönnten. Mit seiner
Standortwahl gibt Musk ein selbstbe-
wusstesSignal, dasserdie Herausfor-
derung annimmt.
Die Versuchung liegt nahe, dem
Tesla-Chef sogar Größenwahn zu un-
terstellen. Er istschließlichbekannt
für seinen Hang zur pompösen Insze-
nierung,undoftgenughabensichsei-
ne Versprechungen nicht oder erst
mit gewaltiger Verzögerung erfüllt.
Neue Modellekamen viel später auf
den Markt als erhofft,wiederholt
wies Tesla tr otzanderslautenderVor-
hersagenvonMusk Verluste aus. Bis
heutestehtder Aut oher stelleraufkei-
nem stabilen finanziellen Funda-
ment.Aber gerade in jüngsterZeit
hat Musk berechtigteHoffnungenge-
weckt, zumindestauf gutemWegin
diese Richtung zu sein.Unddamit
auchArgumentegeliefert,warumsei-
nekühnen Pläne inDeutschland sehr
erns tgenommenwerden sollten.
Es mag MusksNaturell widerspre-
chen, aberTesla wirktezuletzt wie
ein verwandeltes Unternehmen.
Noch imvergangenenJahr schien das
blankeChaoszuherrschen,Muskhat-
te daran mit zeitweise erratischem
VerhalteneinengroßenAnteil.Erbe-
schimpfte Analysten und gabInter-
views,die Sor genumseinen Gesund-
heits- und Gemütszustand weckten.
Erbracht esichundTeslainTurbulen-
zen, als er öffentlichüber einen mög-
lichen Rückzug des Unternehmens
vonderBörsesinnierteunddamitdie
Finanzmärkteund Aufsichtsbehör-
den in Aufruhrversetzte. All daswar
eine unnötigeAblenkungvomGe-
schä ftineinerZeit,inderTeslaohne-
hin Herausforderungengenug hatte,
etwa in der Fertigung seines jüngsten
und wichtigstenProdukts „Model 3“.
Nunaber scheint ungewohnte
Ruhe und eine neue Disziplin einge-

kehrtzusein. Muskmacht injüngster
Zeit nicht mehr mit Eskapadenvon
sichreden, sondernmit Fortschritten
im Geschäft.Tesla meldetegerade
zum ersten Mal seit einigen Quarta-
len wieder einen Gewinnundgabda-
bei auchAnlasszur Hoffnung, profi-
tab elbleibenzukönnen.TeslasLiqui-
ditätspolster istimMoment recht
komfor tabel, und Musk hob die Be-
deutungvonKostenkontrolle hervor,
wasineiner Zeit, in derTechnolo-
gieunternehmen wie Uber mit hohen
Verlustenauffallen, an der Wall
Street eine willkommene Botschaft
ist .ImMomentgelingt es Musk so-
gar, sichanseineeigenenZeitverspre-

chen zu halten, denn er meldete,die
ersten Produktionstestsimneuen
WerkinSchanghaiseienfrüheralser-
wartet angelaufen.
Es is tkeineswegsgewiss, dassder
jüngst eAufwärtstrend anhält.Tesla
mussnochbeweisen, auf Dauer Ge-
winne erzielen zukönnen. Auchbe-
steht die Gefahr,dassdie Kostensen-
kungen, die Musk selbstals „Hard-
core“ bezeichnethat, zu weit gehen.
Sie könnten zum Beispiel die Quali-
tät der Autos beeinträchtigen, über
die es in derVergangenheit ohnehin
schon öfterKlagen gab. Tesla kämpft
derzeitaußerdemmiteinerbeunruhi-
gendenAbschwächungdesGeschäfts
auf seinem amerikanischen Heimat-
markt,wo die Umsätze zuletzt deut-
lichgefallen sind. Das mag damit zu
tun haben, dassdie staatlichenFör-
derprämien für denKauf einesTesla-
ModellsinAmerikaindiesemJahrge-
senkt worden sind. Anfang 2020wer-
den sie sogarganz wegfallen, wasdie
Nachfrag enach Autosvon Tesla zu-
sätzlichbelastenkönnte. Deutschen
Herstellernkönntedas Anlasszur
Hoffnunggeben, dassTesla auf sei-
nem eigenenRevier angreifbar ist.
Es unterstreicht nicht nur dieglo-
balen AmbitionenvonTesla, in Chi-
naundinEuropaeigeneWerkezuer-
richten. Die gegenwärtigen Sorgen
in Amerikazeigen, dassdas Unter-
nehmen dazu auchein Stück weit ge-
trieben wird. Ob sichTesla langfris-
tigals festeGröße im Automarkt eta-
blierenkann, um ein sogewaltiges
Vorhaben wie das Projekt in Berlin
zu rechtfertigen, wirdsichnochzei-
genmüssen. Zu unberechenbarwar
das Unternehmen in derVergangen-
heit.Esgibt aber heutegewissmehr
Anlassals noc hvor einem Jahr,dar-
an zu glauben.

D


ie Finan zwelt stellt sichzu-
nehmend darauf ein, dass
eine Welt mit Negativzinsen
dieneueNormalitätis t.GroßeInstitu-
te wie die Deutsche Bank und die
CommerzbankdenkenlautüberStraf-
zinsen auf die Einlagen ihrer Privat-
kunden nach.Nungeht diestaatliche
Förderbank KfW den nächsten
Schritt zurZementierung dieser ab-
surdenZinswelt,indemsieihr eKredi-
te auchzuNegativzinsen herausge-
ben will.Werspart, wirdbestraft,
wersichverschuldet, wirdbelohnt.
Dassdie Staatsbank dieses Spiel nun
weitertreibt,umPrivatleutenundUn-
ternehmernpart outnocheinen et-
wasgünstigeren Kredit anzubieten
als die privaten Institute, istäußerst
fragwürdig. Auchohnedies bekommt
fast jeder,der eine halbwegs sinnvol-
leIn vestitionangehenwill,schonseit
geraume rZeitgünstiges Geld dafür
vonden Banken. Die sind schließlich
heilfroh,wennsieihreEinlagennicht
selbstzuNegativzinsen bei der Euro-
päischen Zentralbank parkenmüs-
sen. ZurTränkesind die Pferde also
längstgeführt, die KfW drückt ihnen
nun sinngemäß nochden Kopf ins
Wasser.ObInvestitionen, die sich
erstdurch Zinsgeschenkerechnen,
sinnvoll sind, istfraglich.

Kompliment und Kampfansage


VonRoland Lindner,New York


loe./magr. BERLIN/FRANKFURT. Bis-
her wardas nächste Fahrzeugmodell des
amerikanischen Elektroauto-Herstellers
Tesla vorallem für das Untern ehmen
selbstein großer Hoffnungswert. Spätes-
tens vomJahr 2022 an willTesla das „Mo-
del Y“ produzieren, ein Crossover-SUV,
alsoeineMischungaussportlichemGelän-
dewage nund Limousine.Nunbetrifftder
Erfolg oder Misserfolg des mindestens
56 000 Euroteuren AutosauchDeutsch-
land. Denn wieTesla-Gründer Elon Musk
währendeinesAuftrittsinBerlinbekannt-
gab, will sein Untern ehmen nahe der
Hauptstadt eineFabrik hochziehen und
das ModelYauchhierzulande produzie-
ren. DasWerk sollinder brandenburgi-
schen Gemeinde Grünheide entstehen –
nicht weit ent ferntvom Flughafen BER.
Die Bauarbeiten auf der 300 Hektargro-
ßen Fläche sollen schon imkommenden
Frühjahr beginnen, die Produktion Ende
des Jahres 2021starten. 6000 bis 7000 Ar-
beitsplätze sollen dadurchentstehen –in
Berlin selbstwill Musk zudem ein Inge-
nieur-und Designzentrumaufbauen.
Regierungssprecher SteffenSeibert
zeigtesicherfreut, das sTesla seine erste
europäische Fertigungsstätte in Deutsch-
land bauen will. Die Entscheidung zeige,
wie Deutschlands Innovationskraftüber-
zeuge–um dasWerk hatten sichauchan-
dereeuropäische Länder bemüht.Ein
Treffender Kanzlerin mit dem umtriebi-
genUnternehmerhabeesabernichtgege-
ben. Tesla produziertseine Autosderzeit
in zweiWerken in denVereinigtenStaa-
ten. Zudem hattedas Unternehmen im
Juli vorigenJahres angekündigt, in der
chinesischenStadt Schanghai einen Pro-
duktionsstandortaufzubauen. DieseFa-
brikis tsogutwie fertigun dläuftnachAn-
gaben Teslas schon im Probebetrieb.
Bundeswirtschaftsminister PeterAlt-
maier (CDU)wertetedie Entscheidung
vonTesla als „weiteren Beweis für dieAt-
traktivität des Automobilstandortes
Deutschland“.WarumsichTesla ausge-
rechnetfürBrandenburgentschiedenhat,
einBundeslandmitbislangwenigAutoin-
dustrie?MinisterpräsidentDietmarWoid-

ke (SPD) erklärtesso: „Wir haben Platz.“
Ein halbesJahr zogen sichdie Verhand-
lungen mitTesla hin. Mit wie viel Geld
BrandenburgTesla lockt, istnochnicht
klar.Altmaier sagte, über Subventionen
sei noch nichtgesprochenworden. Nach
dem Regelwer kder brandenburgischen
WirtschaftsförderungkönnenGroßunter-
nehmengrundsätzlichbis zu 10 Prozent
der In vestitionssumme anUnterstützung
erhalten. IngrenznahenRegionenkön-
nen weiter e10Prozent hinzukommen.
Grünheide liegt ungefähr 50 Kilometer
entferntvonder polnischen Grenze.
ZurInvestitionshöhe gibt esvonTesla
bislangkeine Aussage, sie dürfteaber
mehr als zwei Milliarden Eurobetragen.
Der amerikanische Autohersteller will
amdeutschenStandortsowohlFahrzeuge
als auc hdie dazugehörigen Akkus produ-

zieren.DerNeuaufbaueinerFahrzeugpro-
duktiondürftealleinmindestenseineMil-
liardeEurokosten. Um eineBatterieferti-
gung wettbewerbsfähig zu betreiben, ist
eine Kapazitätvon16Gigawattstunden
notwendig,wasnocheinmal ungefähr1,
Milliarden Eurokostenkönnte.
Diese Summen dürften Tesla in den
nächs tenJahren empfindlichbelasten.
Ohnehin hat dasUnternehmen für den
bisherigen Jahresverlauf einegemischte
Bilanz aufzuweisen. DerNettoverlus tbe-
trugindenerstendreiQuartalenfasteine
Milliarde Dollar. Weil sic hTesla derzeit
aufdieProduktiondesgünstigerenMittel-
klassefahrzeugs „Model 3“konzentriert,
istder Umsatz desUnternehmens zuletzt
gesunken–imdrittenQuartalerlösteTes-
la mi tdem Autoverkauf 5,4 Milliarden
Dollar,imVorjahreszeitraumwarenes

noch6,3 Milliarden Dollargewesen. Vor
allemdankdes„Model3“istTesl aderzeit
derMarktführer in SachenElektromobili-
tätinDeutschland.Nach Angaben des
Kraftfahrt-Bundesamtesverkaufte Tesla
zwischen Januar und Oktober 9301Au-
tos,waseinemAnteilvon17,6Prozentan
den Neuzulassungen mit Elektroantrieb
entsprach. Zweitplazierter is tmit 15,
Prozent der französische KonzernRe-
nault.Auf Platz dreirangiertmit 15 Pro-
zent das erste deutscheUnternehmen:
BMW.DieElektromobilitätistfreilichim-
mernocheineNische–nur1,7Pr ozental-
lerNeuzulassungenimlaufendenJahrver-
fügten über einen Elektromotor.
Die deutschen Tesla-Konkurrenten
wollten sichoffiziell nicht zu MusksAn-
kündigung äußern. Grundsätzlich sei
eine solche Investition aber positiv zu be-
werten, hieß es aus Branchenkreisen. Sie
zeige, dassder Tesla-Gründer daranglau-
be, dasseszueinem Systemwechsel in
Deutschlandkomme, wegvom Verbren-
nungsmotorund hin zu mehr Elektromo-
bilität. Er begrüße die Entscheidung, sag-
te Au toverbands-PräsidentBernhardMat-
tes. „Sollten die Pläne in einigen Jahren
umgesetztwerden, bedeutet dies einen
weiteren Schub für die Elektromobilität.“
Sorgenmüsstensichdie deutschen Her-
steller nicht, sie seien gut aufgestellt.
Bedenken gibt es aber in der branden-
burgischenLinkspartei.Teslaseinichtnur
durch positive Visionen aufgefallen, son-
dernauchdurch schlechteArbeitsbedin-
gungen,kritisierte derFraktionsvorsitzen-
deSebastianWalter .Erforder te,Teslasol-
le sic hand ie Tarifbindung halten.Nach
den Zahlen der PlattformGehalt.dever-
dienenVollzeit arbeitende Ingenieurein
BrandenburgimMittel 46 000 Euroim
Jahr,während es in Bayern und Baden-
Württembergmehr als 60 000 Eurosind.
Ostdeutschland wiederum entwickelt
sichmehr und mehr zu einemZentrum
der Elektromobilität.Erstkürzlic hstarte-
te Volkswagen die Produktion des elektri-
schen Serienmodells ID.3 in Zwickau. In
der Nähe vonErfurtbaut derchinesische
CATL-Konzerneine Batteriezellenfabrik,
die unter anderem BMW beliefernsoll.

J


ahrelang haben hohe Manager-
gehälter für Empörunggesorgt,
inzwischen istdie Luft etwas
raus. Es gibtgenug anderes, über das
man sichempörenkann. Dennoch
gibt es jetzt ein paarNeuerungen,
weil Deutschland endlich die EU-Ak-
tionärsrechterichtlinie in nationales
Rechtumsetzt :Aktionäremüssen
künftigaufderHauptversammlung
über die Vorstandsgehälter abstim-
men. Das istgut, weil es die Eigentü-
merseitestärkt. Die meistengroßen
Unternehmen machen das aber
schon.Neuhinzugekommen istnach
zähem Ringen auch, dassder Auf-
sichtsratverpflicht et wird, Obergren-
zen festzulegen, die später allenfalls
die Aktionärenochherabsetzenkön-
nen. Mankann monieren, das sei ein
unzulässiger Eingriff in di eVertrags-
freiheit, die es in anderen Berufen
nichtgibt.Zumindestaberis tderEin-
griffgeringer,als viele Manager zeit-
weise befürchten mussten. Die SPD
hättedie Gehälter am liebstengede-
ckelt auf einfestes Maximalverhält-
niszwischenVorstandsgehälternund
Durchschnittsgehalt der Angestell-
ten. Den Aufsichtsräten bleibt jetzt
zumindestein großer Spielraum. Die
Hauptversammlungen dürften auf je-
den Fall spannenderwerden.

D


ie Niedrig- undNegativzinsen
sind für viele Sparer ein Ärger-
nis.WerhingegeneineImmobi-
lie finanziertoder sic hander-
weitig verschuldet, kannsic hdarüberfreu-
en, dafürkaum nochZinsen zahlenzu
müssen. Die staatlicheFörderbank KfW
gehtnunnocheinenSchrittweiter:Vom
Jahresbeginn2020anwillsieFörd erkredi-
te zunächstanBanken auchzunegativen
Zinssätzen ausgeben–das heißt,werein
solches Darlehen aufnimmt, bekommt
idealerweise monatlichGeld gutgeschrie-
ben anstattwelches bezahlen zu müssen.
DassollfürdasganzeSpektrumderstaatli-
chen Förderung gelten, sowohl für private
Häuslebauer als auchfür Mittelständler
und Kommunen, wie der KfW-Vorstands-
vorsitzende Günther Bräunigwährend ei-
ner Konferenz inFrankfurtsagte.
Hinter grundist,dassdievomBundund
den LänderngetrageneKfW sic hschon
seit Jahren teilweise zuNegativzinsen an
den Kapitalmärkten refinanzierenkann.
DurchihreNähezumBundgiltsieInvesto-
renals eine der sichersten Adressen der
Welt. Daher nehmen sie inKauf, das ssie
Geld draufzahlen müssen,wenn sie eine
Anleihe der KfW zeichnen. Im Sommer
dieses Jahreskonntesichdie Förd erbank
nachAngabenvonBräunig zeitweise zu
Negativzinsenvonbis zu 0,4 Prozentrefi-
nanzieren. BislangwaresBräunig zufolge
tech nischnicht möglich, diesenVorteil an
die Förderkunden weiterzureichen, da die
Computerprogramme schlichtkein Minus
für Darlehenszinsenkannten. Das Geld
blieb bei der KfW als Gewinn hängen. Da
auf absehbareZeit aberkein Ende der ak-
tuellen Zinsniveaus in Sicht ist,reagiert
die Förderbank nun.
Bis die negativen Zinsen tatsächlichbei
den Endkunden ankommen,kann aller-
dings nocheinigeZeit verstreichen. Die

KfW darfnämlichnicht einfachdirekt an
die Endkunden herantreten, sondern
muss dieFörd erkrediteimmer über deren
Hausbankausgeben.DashatzweierleiFol-
gen: Zumeinen darfdie Hausbank noch
eine Bearbeitungsgebühr obendrauf auf-
schlagen,imFallevonHauskreditenbiszu
0,75 Prozent.Der Endkundekommt also
imZweifelerstindenGenussvonNegativ-
zinsen,wenn sic hdie KfW zu minus 0,
Prozent oderweniger refinanzierenkann.
Da manche Hausbanken aber auchgerin-
gere eigene Gebühren aufschlagen,kann
esinvielenFällenschonfrüherdazukom-
men. Kommunen dürften als Ersteprofi-
tieren, da sie auchdirekt Geldvonder
KfWabrufenkönnen. Zuletzt wardasZins-
niveau an den Märkten allerdings wieder
etwasgestiegen.
FürPrivatleuteund Unte rnehmer
kommt es nun zusätzlichdarauf an, wie
schnell die Banken und Sparkassen ihrer-
seits ihreComputer für die neue Zinswelt
fitmachen. „Da es aber um einenVorteil
für denKunden geht, bin ichzuversicht-
lich,dasssichdieBankenhi erbeeilenwer-

den“, sagteBräunig in einem Pressege-
spräc hzudem Thema. Ergehe da vonaus,
dassbis zum Herbst2020 alle Banken und
Sparkassen in der Lagesein sollten, den
Negativzinsweiterzugeben.
In einerÜbergangsphase will sichdie
KfW mit einer Behelfslösung begnügen:
Die Kredite sollen an die Hausbanken zu
null Prozent ausgegebenwerden, und die
Endkunden erhalten dann nocheinen Zu-
schuss. Auchsomussder Kunde am Ende
weniger Geld zurückzahlen, als er bekom-
men hat.Ähnlichmacht es die KfW übri-
gens schon jetzt in derFörderung zum
energieeffizienten Bauen. Hier beträgt
der Ef fektivzins für denKunden aktuell
0,75 Prozent–inklusiveder Hausbankge-
bühr.Jenachdem, wie umweltfreundlich
die Immobilie ist, bekommt der Häusle-
bauer einen sogenannten Tilgungszu-
schus svon bis zu 15 Prozent.
Warumarbeitet die KfW nicht einfach
weiter mit solchen Zuschüssen? Aus Sicht
vonBräunig lässt sichdie Förderung fei-
ner steuern,wenn man die Zinssätze dem
aktuellen Marktniveau anpassenkann –

also künftig auchins Negative. Der Staat
will sic hsodie Möglichkeit erhalten, auch
im Niedrigzinsumfeld überVergünstigun-
gensolche Investitionen zufördern, die
aus seinerSicht wünschenswertsind. Da
UnternehmerundHausbauerauchaufher-
kömmlichemWege günstigeKonditionen
bekommen,wardie Nachfragenachden
KfW-Krediten zuletzt deutlichgesunken.
Die Banken reagierten am Mittwoch
skeptisch.Aufder Konferenzwarf unter
anderemMarkusBeumerfürdieHypover-
einsbank dieFrageauf, wie ein Darlehen
mit Negativzinsen eigentlichrechtlichzu
behandeln sei. Christian Ossig, Hauptge-
schäftsführer des Bankenverbandes, sagte
aufAnfragederF.A.Z.:„SinkendesFörder-
volumen alleine mit immer tieferen Zin-
sen zukompensierenfunktioniertnicht.“
Es sei wie bei den Leitzinsen der EZB:
„Die einfache Gleichung ,Zinssenkungen
bedeutenmehrInvestitionenundNachfra-
ge‘geht imNegativzinsumfeld nicht mehr
auf. Es mangeltvorallem an einer soliden
Nach frag enachKrediten,nichtanattrakti-
venFinanzierungsangeboten.“

Elon Muskskühne
Pläne sollten in
Deutschland sehr ernst
genommenwerden.

Werbaut, bekommt Geld geschenkt

Richtfestinden Zeiten niedriger Zinsen FotoLucas Bäuml


Wa rumsichTesla für Grünheide entscheidet


DerElektroauto-PrimusinvestiertnahedemFlughafenBER/WieviellässtBrandenburgsichdaskosten?


Berlin istseit Jahren die einzige
Hauptstadt in Europa, die ihr Land
wirtschaftlichnicht nachoben, son-
dernnach unten zieht.Zwarkonnte
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop
(Grüne)zuletzteinigeErfolgevermel-
den. So will Siemens 600 Millionen
Euroine inen Innovationscampus in
Berlininvestieren –undnichtinSinga-
pur,das auc himGespräc hwar.Goo-
gle wiederum hat in diesem Jahr ein
neues BüroinMittebezogen und an-
gekündigt, in keiner anderen deut-
schen StadtwerdedieMitarbeiterzahl
so starkwachsen wie in Berlin.Nun
soll zwar nicht dasWerk,aber zumin-
destdas DesignzentrumvonTesla
ebenfalls nachBerlin kommen. An
demRufderStadt,daswirtschaftliche
Schlusslicht Deutschlandszusein,

wirddas allerdingskaum etwasän-
dern. Berlin istweiter der mitAb-
stand größteNettoempfänger im Län-
derfinanzausgleich–wasdie Ba yern
als größter Nettozahler immer wieder
gerneerwähnen. Zwar istdas Brutto-
inlandsprodukt 2018 mit 3,1 Prozent
so starkgewachsen wie inkeinem an-
deren Bundesland.Trotzdemgehen
die Forscher vomIWKölndavon aus,
dassBerlin beim Bruttoinlandspro-
duktjeKopfweiterunterdurchschnitt-
lichbleibt.DiesliegtandenvielenZu-
züglern, oftjungeLeute, die (noch)
nicht vielverdienen. Nicht überall in
der Stadt werden Unte rnehmen mit
offenen Armen empfangen: ImStadt-
teil Friedrichshain gibt es derzeit Pro-
test egegen dengeplanten Bau eines
HochhausesvonAmazon. loe.

Absurde Zinswelt


VonTim Kanning


Freie Obergrenze


VonTillmannNeuscheler


Die Staatsbank KfWwill


erstmals Kreditemit


Negativzinsenvergeben.


Profitieren sollen


Privatleute,Mittelstand


undKommunen.


VonTim Kanning,


Frankfurt


Berlin holt wirtschaftlichauf


–aber nichtgenug

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