Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.11.2019

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FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen DONNERSTAG, 14.NOVEMBER 2019·NR.265·SEITE 25


S


eitMärzistdiedeutscheUmlaufren-
ditenegativ .Nacheinem Tiefpunkt
vonfast-0,8 Prozent Anfang Sep-
tember stieg sie in denvergangenenTa-
gensogar wieder über -0,3 Prozent.Die
Exzesse auf dem Anleihemarkt sind also
vorersteinmal vorbei, dochdie Situation
bleibt fürKapitalanleger auf der Suche
nachauskömmlichenRenditenweiterhin
extrem angespannt.Das zeigt sichanfol-
gender Emission: Der Pharma- und Che-
miekonzernBayer begibt eine Anleihe in
zwei Tranchenüber 1,75MilliardenEuro.
Die Laufzeiten sind sehr lang. DieRück-
zahlung istjeweils in 60 Jahrenvorgese-
hen. Das KreditratingvonBayer is tnicht
exzellent.Moody’sstuftesauf Baa3 ein,
das bedeutet übersetzt „Lowermedium
grade“ oder durchschnittlich.Aufdersel-
benmittlerenStufe,dieindereigenenRa-
tingwelt BBB- heißt,stuftder Wettbewer-
ber Fitch das Unternehmen ausNord-
rhein-Westfa len ein. Gemessen daran
sind dieKupons mit 2,375 Prozent und
3,125 Prozent aus Sicht des Unterneh-
mens durchaus günstig.
Die dreifacheRenditeließ sic hindie-
ser Wochemit einer Anleihe des nord-
amerikanischen Videospielherstellers
Scientific Games International erzielen –
allerdings im Dollarraum, wo die Zinsen
insgesamt deutlichhöher sind. Bei Lauf-
zeitenvonneun oder zehn Jahrenkam
die Anleihe aufKupons vonsieben bezie-
hungsweise 7,25 Prozent.Das in LasVe-
gasansässigeUnternehmen istauf digita-
le Spiele und digitale Lotterien speziali-
siert. Spieler sollen gutdesignteSpielean
ihrem jeweiligen Aufenthaltsortzujeder
Zeit betreibenkönnen. Der Aktienkurs

istinnerhalb desvergangenen Jahres um
gut 50 Prozentgestiegen. Damit wurde
aber nur einTeil der Verluste seit Mitte
vergangenen Jahres wieder ausgeglichen,
als derKursauf etwa die Hälfte fiel. 9500
Mitarbeiter auf derWelt kümmernsich
um diekomplette Wertschöpfungskette
des Spieleanbieters.Spiegelbildlichzur
Entwicklung an der Börse istdie Rating-
einstufung. Standard&Poor’s sieht die
Bonität derzeit bei B-. Das istgleichbe-
deutendmiteinerhochspekulativenGeld-
anlage. Gemessen daran, istdie Rendite,
die derzeit für Geldanleger bei einer In-
vestition in AnleihenvonScientific Ga-
mes herausspringt, überschaubar.
Am anderen Ende des Spektrums gibt
esnaturgemäßkaumBe wegung.Diezwei-
jährig eAnleihe des Landes Schleswig-
Holstein is tgenauso mit einemNull-Pro-
zent-Kupon ausgestattetwie die einjähri-
ge Anleihe derStadt Rotterdam.Für die
als sicher eingestufte Anleihe des Landes
Slowakeilassen sichnoch zwei Prozent
Renditevereinnahmen–allerdingsbeiei-
ner stattlichen Laufzeitvon28Jahren.
WersichnurzehnJahrelangbindenwoll-
te,konnteimmerhin1,625ProzentRendi-
te einplanen. Die Slowakeiist mit einem
A2-RatingvonMoody’s im „Upper medi-
umgrade“–alsoineineralsrelativsicher
eingestuftenKategorie. In Deutschland
fällt das Land Berlin mit einer Landes-
schatzanweisung und einemKupon von
0,1 Prozent bei einer Laufzeitvonzehn
Jahrenetwa saus der Reihe. Es bleibt da-
bei: Die Erholung der Anleiherenditen ist
nur eineRückkehr aus demgrößten Zins-
tief der Finanzmarktgeschichte, mehr
aber auchnicht. pik.

S


eit sichder Umweltgedanke im-
mer stärkerimAlltag durchsetzt,
haben Hersteller vonnachhalti-
genProdukten dieNase vorn.Nutznie-
ßerda vonsindauchVerpac kungsprodu-
zenten, die auf denRohstoff Holzset-
zen. DazugehörtMayr-Melnhof(MM).
Diemehrheitlichvondergleichnamigen
FamiliekontrollierteGruppeistderwelt-
größte Herstelle rvon Recyclingkartons
und EuropasführenderProduzentvon
Faltschachtelnsowieeinbedeutendereu-
ropäischer Verpackungsspezialistfür Zi-
garetten und Süßwaren. DerenErtrags-
kraf tund Kursentwicklungverlau fen
überviele Jahrestetig.Zwarwirdder Ti-
telimVergleich zu seinem Allzeithoch
von130,95EuroimNovember 2017der-
zeit mitAbschlä gengehandelt, und nur
knappein Drittelder An teileist im
Streubesitz.
Dochspricht vieles dafür, dass sich
der Kurserholenkönnte. So gibtesgute
Argumente fürVerpackungen ausKar-
ton: Sie erfüllenamehestendie Vorga-
ben de rEUeinerseitsund dienen dem
ErholungsprozessdesgeschundenenPla-
netenandererseits. In Europawerden
Kartons undFaltschachtelnzumehr als
der Hälfteaus Recyclingmaterialherge-
stellt.Gut 90 Prozent derKartons wer-
dengesammelt,mehralsvie rFünftelda-
vonwerden wiederverwertet, de rRest
wirdverbrannt.Aus Karton wir dwieder
Karton. Das funktioniert bei Produkten
aus Holz am besten.
MM hat bisher auf eine klugeÜber-
nahmepolitikgesetzt .Eine de rjüngs ten
Zukäufeist die imVorjahr er worbene
Tann-Gruppe.Siebedrucktundveredelt
zugekauftesFeinpapier zu Zigarettenfil-
terpapier und istdamit Weltmarktfüh-
rer. Durch diesenZukauf er weiter tMM
die be stehende ProduktionvonZigar et-
tenverpackung um dieHerstellungvon
Zigar ettenmundstückpapier.Zielwares,
durch dieAusweitungder Wertschöp-
fung dieErtragskraf tzustärken. Dieses
Ziel wurdeinder Halbjahresbilanz er-
reicht .TrotzeinesschwierigenMarktum-
felds kletterte derUmsatz im Jahresab-
stand um neun Prozent auf 1,28 Milliar-
denEuro.UnterdemStrichbliebeinGe-
winnvon92,3Millionen Euro(plus 10,3
Prozent).Die Lei stungen der traditions-
reichen Gesellschaftkonzent rieren si ch
ausschließlichauf diese Kernsparten,
die in zwei operativen Segmenten, MM
KartonundMMPackaging, geführtwer-
den.
Derzeit steht MM hochimKursvon
Analysten: Das Anlegerportal Seeking
Alpha hat sichineiner umfassenden
Analyseder Aktiegewidmetund nennt
das traditionsreicheUnternehmen ei-
nen verborgenen Edelstein.„Es is tein

großartigerMoment,umdieseneuropäi-
schen Champion für die Altersvorsorge
zu kaufen“ ,titelt derVerfasser .Das Un-
ternehmen sei perfekt für Anleger,die
ihr Vorsorgeportfolio diversifizieren
möchten. Seeking Alphaist überrascht,
dassder Markt diesesUnternehmen so
ignoriert. Schließlichliefer tess eit Jahr-

zehntenRenditen. Es deutealles darauf
hin, dassdies auchinZukunf tder Fall
sein werde. Das Chancen-Risiko-Ver-
hältnissei her vorragend. Esgebe so-
wohlkurzfristigalsauchlangfristigAuf-
wärtspotential.Das langfristigePotenti-
al lieg eweit über der Inflation undweit
über normalen Anleihen. Im Gegenzug
würden Anleger einen Marktführer er-
halten, der sehr gut positioniertund
sehr gutgemanagt sei.Eine In vestition
habe kaum Nachteile, heißtes. Selbst
im Falle einerRezession investierten
Anleger schließlichvor allem in einUn-
ternehmen, das auf solcheAbschwünge
zumeistflexibel reagierenkann und
eine attraktiveDividende zahlt.
Das französischeResearchhaus Al-
phavalue bezeichnetdas Unte rnehmen
als widerstandsfähig und hältein Kurs-
ziel von144 Eurofür realistisch. MM
profitiere vonsicherholendenPapier-
preisen, heißt es. Das solltedie Ertrags-
kraf tweiter stärken. ela.

AKTIE IMBLICK: Mayr-Melnhof NEUE ANLEIHEN


Was Analysten meinen
Ana lysehaus Empfehlung Kur sziel
Alpha Value Kauf en 144 Euro
Erste Group Kauf en 138 Euro
Rai ffeisen Centro.Kauf en 137 Euro
Deutsche Bank Kauf en 132 Euro
Quelle Bloomberg

G


oldman Sachs hat Erfahrung
mit schlechter Presse. Wäh-
rend der Finanzkrisewurde
die In vestmentbankzum Prü-
gelknaben undAushängeschild für frag-
würdigeGeschäftsmethoden der Wall
Street.DerdamaligeVorstandschefLloyd
Blankfein wurde stundenlanginKon-
gressausschüssenvorgeführt, und Ermitt-
lungen derAufsichtsbehördenwarenan
der Tagesordnung. Daswarzwarschlecht
fürdasöffentlicheImagederBank,führte
aber nicht zu einem Massenexodus von
Privatkunden. Denn Goldman-Kunden
warenmeistens Profis, andereBanken,
mit denen GoldmanWertpapiere handel-
te,oder Unternehmen,für die die Bank
Fusio nen oder Börsengängen, einfädelte.
Bei diesen Geschäftenführte an derWall
Streetkaum einWeganGoldmanvorbei.
Undwenn Privatkunden einKontobei
Goldmanhatten, warensie reich.
Das is tmittlerweile anders. Goldman
betreibtseit2016dieOnline-Verbraucher-
kreditplattformMarcus und hatteindie-
sem Jahr zusammen mit dem Elektronik-
konzernApple eine Kreditkarte auf den
Marktgebracht .Die Apple Cardsorgte
über dasWochenendenun für negative
Schlagzeilen, die die neue Privatkund-
schaf tvon Goldmanverstimmenkönnte.
Der prominenteSoftwareentwickler Da-
vid Heinemeier Hansson hatteden Algo-
rithmus,derdenKreditrahmenderApple
Cardfestlegt, aufTwitter als „sexistisches
Prog ramm“ bezeichnet. Ihmsei einzwan-
zigmal höherer Kreditrahmen einge-
räumt worden als seinerFrau, ob wohl die
beiden ihreSteuererklärunggemeinsam
einreichten und seineFrau nochdazu
eine bessereKreditwürdigkeit habe
(F.A.Z.vom12. November). Hanssons
Tweetverbreit etesichraschund wurde

vonApple-MitgründerSteveWozniak be-
stätigt,dervonähnlichenEr fahrungenbe-
richtete.SowohlHanssonalsauchWozni-
ak fordertenApple auf, Mitverantwor-
tung zu übernehmen und sichnicht „hin-
terGoldman Sachs zuverstecken“.
An der Börse wurde allerdings nur
Goldman Sachs abgestraft, nachdem die
NewYorkerFinanzaufsicht NYDFS Er-
mittlungenwegenmöglicher Geschlech-
terdiskriminierung eingeleitet hatte. „Wir
werdenuntersuchen,obderAlgorithmus,
der die Entscheidungen über die Kredit-
rahmen getrof fenhat, gegenGesetze des
Bundesstaates verstoßen hat“,teilteLin-
daLacewellmit,dieLeiterinderNewYor-
kerFinanzaufsicht.
Der Aktienkursvon Goldmanfiel am
Montaggegenden allgemeinen Markt-
trenddeutlichum1,7 Prozent.AmDiens-
tagerholtesichder Kurs zwar wiederet-
wasvon denRückschlägen,tendierte am
Mittwoch im frühen Handel allerdings
schwächer. DerAktienkursvonAppleleg-
te am Montag und Dienstagdagegen
leicht zu und setzteden positivenTrend
auchamMittwochfort.Insgesamtliegt
die Goldman-Aktie in diesem Jahr aller-

dings immer noch um mehr als 30 Pro-
zent im Plus. Apple hat sichmit einem
Kursplusvonzuletzt66Prozentindiesem
Jahrjedochmehralsdoppeltsogutentwi-
ckelt wie Goldman Sachs. Beide Titel
sind Mitglieder im Dow-Jones-Index, der
seit Anfang des Jahres um knapp 19 Pro-
zent gestiegen ist.
GoldmanSachs wies dieVorwürfe zu-
rück. „Wir habenkeine Entscheidungen
auf Basis vonFaktoren wie dem Ge-
schlechtgetrof fenund werden das auch
niemals tun“,teilteCarey Halio mit, die
Vorstandschefin der GoldmanSachs
BankUSA,derSparte,die dasamerikani-
sche Einlagen- und Kreditgeschäftbe-
treibt .„Genaugenommen,kennen wir
weder dasGeschlechtnoch denFamilien-
stand bei der Anmeldung für die Apple
Card“, schrieb Halio aufTwitter .Gold-
mansei aberoffen,dieKreditrahmenvon
Kunden neu zu bewerten, falls deren Li-
mit niedriger ausgefallen sei als erwartet.
In vielenFällen hättenKunden einen en-
gerenRahmen,wennihr ebisherigenKar-
tenals Zweitkartenzum Kontodes Ehe-
partnersgeführtwurden. Dadurchsei die
eigeneKredithistoriebegrenzt,diefürdie

Höhe des Kreditrahmens eine wichtige
Rolle spielt.Bei einem Antrag auf eine
Kreditkarte inAmerikawerdendiebishe-
rigenKreditkar tenoder Verbraucherdar-
lehengeprüft,die der Antragsteller in der
Vergangenheit hatte. Je nachBonität und
dem bisherigenZahlungsverh alten wer-
den auf dieser Basis das Kreditlimit und
der Zinssatzfestgelegt.
Die Ermittlungen der Finanzaufsicht
und die negativen Schlagzeilenkommen
zur Unzeit für Goldman,weil das Privat-
kundengeschäftzukünftiggenerell eine
wichtigereRollespielensoll.DerWertpa-
pierhandelwarinden vergangenen Jah-
renzumTeilwegenregulatorischerÄnde-
rungen schwierigergeworden, und Gold-
man suchtenachneuenGeschäftsfel-
dern. DieFirma identifizierte angesichts
der starkenVerbreitung vonSmart-
phones und anderertechnologischerUm-
wälzungen Chancen im Geschäftmit Pri-
vatkunden und Mittelständlern. Diegro-
ßen Technologiefirmen drängen ihrer-
seits ins Bankgeschäf t. So will Google ab
kommendem Jahr Girokonten anbieten,
die unter anderenvonder Großbank Citi-
group betriebenwerden.

Goldman Sachs stolpert

Profiteur des Umweltschutzes 2,4 Prozent für 60 Jahre


DerVorstoß in den


Massenma rktist für die


feineInvestmentbank


holpri gerals er wartet –


auchwegen eines


Skandalsum Apple.


VonNorbertKuls,


NewYork


Internationale Neuemissionen


Emittent ISIN


Betrag Zinsen
(%) Fällig keit

Aus gabe-
kurs (%) Rat ing^1

Mindes tanlage
WährungMio. in Tsd.
Bayer XS2077670342 Euro 750 3,125 11/79 – Baa3/– 100
Bayer XS2077670003 Euro 1000 2,375 05/79 99,4 Baa3/– 100
Schleswig-Holstein DE000SHFM717 Euro 500 0,000 01/22 101,1 –/– 1
Berlin DE000A2NB9V2 Euro 250 0,100 01/30 99,8 –/– 1
Slowakei SK4120013400 Euro 1655² 2,000 10/47 99,4 A2/A+ –
Slowakei SK4120011420 Euro 2414² 1,625 01/31 99,9 A2/A+ –
DeutscheRohstoff DE000A2YN3Q8 Euro 100 5,250 12/24 100,0 –/– 1
Helaba XS2080581189 Euro 1000 0,125 11/24 99,7 –/– 100
EFSF EU000A1GOEEO Euro 3500² 0,050 10/29 99,9 Aa1 /AA 1
Harley-Davidson XS2075185228 Euro 600 0,900 11/24 99,9 –/BBB+ 100
Scientific Games USU8067TAR78 Dollar 500 7,250 11/29 100,0 –/B– 2
Scientific Games USU8067T AQ9 5 Dollar 700 7,000 05/28 100,0 –/B– 2
Cytokinetics US23282WAA80 Dollar 120² 4,000 11/26 – –/– 1
Electrolux XS2081016920 SEK 750 0,885 11/24 – –/A– 2
Electrolux XS2081014982 SEK 750 STIB+0,75 11/24 100,9 –/A– 2
1 ) Be wertung der Bonität durch die Agenturen Moody’s(links) undStandard&Poor’s (rechts). 2)Aufstockung.STIB =3-Monats-Stibor (Stockholmer Interbankenzins, der-
zeit 0,039 Prozent). Quelle: Bloomberg

Tagesschlusskurse. 13.11. im Tagesverlauf. KGV: IBES-Konsens-
Schätzung. Quelle: Thomson Reuters / F.A.Z.-Grafik Heß

Höchst-/Tiefststand 52 Wochen
Börsenwert
KGV 12/2019

121,80/105,20 €
2,260 Mrd. €
12,3

Mayr-Melnhof Karton
in Eu ro ISINDEAT0000938204

50

65

80

95

110

125

31.12.2008 13.11.2019

Gold m an Sachs
AktienkursimTagesverlauf ,in Dollar

Diskriminierungsvorwürfeumdie AppleCardbelastetenamMontag dieGoldman-Sachs-Aktie. Quelle:Bloomberg/FotoApple /F.A.Z.-GrafikBro cker


  1. Nov. 201 91 2. Nov. 2019^217


218

219

220

221

222

BRI EFE AN DIE HERAUSGEBER


Zu „Ma ßlos“vonKlaus-DieterFranken-
bergerzuAußenminister HeikoMaas
(F.A.Z.vom5.November): DieReakti-
on des Bundesaußenministers Maas auf
die Kritik an seinemVerhalten gegen-
überderVerteidigungsministerin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer istzuRecht
als „maßlos“bezeichnetworden. Das
Verhalten vonMaas waraber auchver-
antwortungslos. Denn seine abwerten-
de Einschätzung zumVorschlag seiner
Kabinettskollegin,inSyrieneineSicher-
heitszone zurTürkei hin einzurichten,
durfteeri mAusland nicht zur Sprache
bringen.
Ganz gleich, wie man zu dervorge-
schlagenen Sicherheitszonesteht, und
ganz gleichauch, dassMaas zuRecht
verärgertwar, nicht vorabdarüberunter-
richtetworden zu sein,gehören Diffe-

renzenzweierBundesministeramKabi-
nettstischerörtertundnichtimAusland
thematisiert. Indem Außenminister
Maas sichhierüber hinweggesetzt hat,
hat er der Bundesrepublik geschadet.
Genau deshalb hättedie Bundeskanzle-
rinden Außenminister ohne jedes Zö-
gernentlassenundihrenKoalitionspart-
ner auffordernmüssen, einen anderen
KandidatenfürdasAußenamtzubenen-
nen. Hättedie SPD dann dieKoalition
aufgekündigt,wäredies alleinvonihr
zu verantwortengewesen. So aber ha-
ben wir eineKanzlerin, die nicht mehr
willens ist, ein Bundeskabinett zu füh-
ren. Ihr eUntätigkeit istgenausoverant-
wortungsloswiedas VerhaltenihresAu-
ßenministers.

KNUT WIEBE,KÖLN


Zu „ReligionderMitte“vonDanielDe-
ckersund ReinhardBingener inder
F.A.Z. vom2.Novembererlaube ich
mir eine Korrektur :Hinduisten gibt
es nicht, der Pluralheißt „die Hindus“.
Die Korrektur geht bitteanHerrn
Hohberg! Ichhabe von1959 bis 1964
in derNähe vonBombaygelebt, wo
auchzweiunserer Kinder geboren
sind.
SABINEBRAUN, MÜNCHEN

ZumInterview mitdem Lei terdes nord-
rhein- westfälische nVerfassung sschut-
zesBurkhar dFreierüber den legalisti-
schenIslamismus(„DieGefahrdersozia-
len Spaltung“,F.A.Z. vom11. Novem-
ber) :ImIntervi ewwirdüberdielangfris-
tigausgerichteteundgeschicktverschlei-
erte Strategie derMuslimbrüderberich-
tet. Warumwirdeinsolc hbrisan tesThe-
ma nic ht breiter publiziert?Lasse nwir
zu,dasseinefundamentalistischausge-
richteteOrganisationaufdenUmbauun-
seresRecht sstaats zielt,odersind wir
nurzublauäugig,umdieGefahrfürunse-
renRechts staatzuerkenne n? Hierüber
wird in de nMedien zuwenig berichtet.
Kaumjemandkanndoc hobjektivun-
terscheiden, ob die Muslimbruderschaft
und die Milli-Görus-Bewegung zum le-
galistischen Extremismus zu rechnen
sind, die Ditib dagegen nicht.Das geht
schon in kleineren Gemeinden los.Vor
wenigenJahrenwurdeinderInnenstadt
BruchsalsderAntragaufNut zungsände-

rung einer Gewerbeeinheit zu einem is-
lamischenKulturzentrum mit Gebets-
und Büroräumengestellt.Der Antrag-
steller und Bauherrwar Vorsitzender
der Dresdener Organisation SBS (Säch-
sische Begegnungsstätte). Er und diese
Organisationstehen wegenenger Kon-
taktezur Muslimbruderschaftunter Be-
obachtungdessäc hsischenundthüringi-
schen Verfassungsschutzes, die beide
ausdrücklichvor diesen Leutenwarnen.
Der Bruchsaler Gemeinderat hat die-
sesVorhaben genehmigt,weilof fenkun-
dig Hintergrundwissenfehlt.Deshalb
meinAppell: Wennder wegenseiner an-
gelegtenLangfristigkeitundseinerZiel-
richtung gefährliche legalistische Isla-
mismus heutekaum zu erkennen ist,
muss die Öffentlichkeit umso detaillier-
teraufgeklärtwerden, um dieser Ge-
fahr,inder sic hunserRechtsstaat befin-
det, mit entsprechendem Hintergrund-
wissen entgegentreten zu können.

DIETRICHREUTHER,BRUCHSAL


Zu BertholdKohlersLeitartikel „Im-
mernocheinGlück“(F.A.Z.vom8.No-
vember): Ein kleines Gedankenexperi-
ment:Wir postieren uns in der Mitteei-
ner beliebigen ostdeutschenStadt mit
mehr als 10 000 Einwohnern–viel-
leicht garinLeipzig, dem Ausgangs-
punkt der friedlichenUmwälzung. Die
Grundstücke und Bautenrund um uns
färben wir nunvorunseremgeistigen
Auge etwasein: rotfür Eigentümer,die
Mitte1989 nochimOsten gewohnt hat-
ten; rosa für damaligeDissidenten; blau
fürgeboreneWessis.Undlilafürdiejeni-
gen, die vor1989 in denWesten „rüber-
gemacht“ hatten.
Nahe um uns herumwäre dann alles
blau,mitimmerhindeutlichenlilaEinla-
gerungen. Rotwärehöchs tens der Hori-
zont, und vielleichtgäbe es dortdrau-
ßensogareinpaarrosaSprenkel.Tja:Ei-
gentum und Erbrecht sind, so der hell-
sichtig eösterreichisch-amerikanische

Nationalökonom Schumpeter, das Fest-
werden sozialen Erfolges. Eines Erfol-
ges, der jetzt auf Generationenhin ze-
mentiertist.Schli chtweil den lokalen
Akteuren für einigeentscheidende Mo-
natedas spielentscheidende strategi-
sche Wissen um Recht, Vernetzung, Or-
ganisation,Finanzen undTechnologien
fehlte. Undnatürlic hauchdas Geld
selbst.
Dieses Bildkennt jeder im Osten.
DeswegenwerdeninderTatmehrRen-
te,mehrBehördenodermehrFührungs-
positionenanFrustundagg ressiverLan-
geweilewenigänder nkönnen,nichtein-
mal in Jahrzehnten.Wasaber zu allen
Zeiten verlässlic hfunktioniert: Den
Hassauf Sündenböcke zu lenken, und
das wirkt selbstdann perfekt, wenn die-
ser RatimKernaus demWesten inji-
ziertist.DasGlückwirdsonochein we-
nig Geduldgebrauchen.

DR.KARLULRICHVOSS,BURSCHEID


Zu „Herbstdes Unbehagens“ in der
F.A.Z. vom9.November: Gerald Braun-
bergerspricht mir aus der Seele. Diese
überzeugende Analysegehörtnicht nur
auf den Schreibtischeines jedenAb-
geordne teninBund, Ländernund Kom-
munen, sondernjeder Entscheidungs-
träger und alle klugen Köpfemüssen
unüberhörbar nachihrer Umsetzungru-
fen.
MARTIN LÄMMERT, ROTTENBURG

Verantwortungslos!


Zu „BestesWerkzeugforensischerGe-
netik –Rechtsmedizinerforderndie
Feststellungder biogeographischen
Herkunftbei DN A-Spuren“ vonKarin
Truschei t(F.A.Z. vom8.November):
VielenDankfürdenArtikel,dersicher-
freulic hkritischmit der Haltungder
Bundesregierungzur Möglichkeit der
Feststellungder biogeographischen
HerkunftbeiDN A-Spurenauseinander-
setz t.
Als langjähriger Ermittlungsrichter
–nunim Ruhestand–machtesmichna-
hezu fass ungsl os, mitwelche rIgnoranz
undBeharrlichkeitderdeutscheGesetz-
geber seit Jahren ausfalschverstande-
ner Rücksichtnahmeden Ermittlungs-
behörden Instrument ezur Er kenntnis-
gewinnung und Wahrheitsermittlung
vorenth ält, die den Ermittlungsbehör-
deninanderenRechts staatenselbstver-
ständlic hzur Verfügungstehen und
nicht unwesentlic hdazu beitragenkön-
nen,dassStraf taten(schneller) aufge-
klärtwerden. Dazupasst,dassdie Bun-
desregie rung in ihrem EndeOktober
2019 beschlossenen Gesetzentwurfzur
„Modernisierung desStrafver fahrens“
wegenangeblicherDiskriminierung
aufdieMöglichkeitder Feststellungder
biogeographischenHerkunftanhand
vonDNA-Spurenverzicht et hat, die es
den Ermittlungsbehörden auf einfache
Weise ermöglichenkönnte, den Kreis
der Tatverdä chtigen frühzeitig einzu-
grenzenundunnötige–zeit-undperso-
nalaufwendige–Ermittlungen zuver-
meiden,die of tauchdrittePersonen

tref fen, die so alsTatverdä chtigevon
vornherein au sscheiden könnten .Was
soll denndaran diskriminierendsein,
wenn über die DNA-Phänotypisierung
die biogeographische Herkunft eines
Tatverdä chtigen ermittelt wird?Wenn
die BundesjustizministerinLambrecht
glaubt, dieHerkunfthelfeermittlungs-
taktischnicht weiter ,stelltsienurunter
Beweis, da ss sie vonder Alltagsarbeit
der Ermittlungsbehörden keine Ah-
nung hat.Meines Erachtenskrank tes
bei der Behandlungstrafprozessualer
Fragen durchden Gesetzgeber,insbe-
sonderedurch den Bundestag, daran,
dasseszuwenig eAbgeordnetegibt,die
über ausreichende praktischeErfah-
rung im Strafprozessverfügen,vonden
Justizministern derletzten Jahreganz
zu schweigen.
Wirdürfenfrohdarüber sein, dass
wir vondortzulässigen Ermittlungs-
möglichkeitenandererStaatenprofitie-
ren.SotrugendieinÖsterreicherhobe-
nenMautdaten dazu bei, denTäterzu
überführenund verurteilen zukönnen,
der am 6.November2016 in derNähe
vonFreiburg eine27Jahre alte Jo gge-
ringetötet hat.Mit den in Deutschland
rechtlich zulässigen Ermittlungsmög-
lichkeitenwäredasnichtmöglichgewe-
sen. DerTäterbefändesichwomöglich
immernochauf freiem Fußund könnte
weiterhin schwereStraf tatenbegehen.
Das sollte der Bundesregierung undal-
lenMitgliedernunsererGesetzgebungs-
organe zu denkengeben.

CLEMENSBECKER, FRANKFURT AMMAIN


Gefährlicher legalistischer Islamismus


DieHindus


DNA-Phänotypisierung nicht diskriminierend


Das spielentscheidendeWissenfehlte


Überzeugend

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