Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

Die reden lieber mit der


Politik, die Subventionen


organisiert, als mit uns über


Krisenprävention.“


Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft
IG Bergbau, Chemie, Energie, über Unternehmen
aus der Branche der grünen Energie.

„Wenn die Chemieindustrie aus


Europa abwandert, werden


dieselben Produkte andernorts mit


viel mehr Emissionen hergestellt.“


Matthias Zachert, CEO von Lanxess


E


lon Musk ist wieder einmal ein Coup gelungen.
Fast beiläufig ließ er am Dienstag bei der Entge-
gennahme des „Goldenen Lenkrads“ fallen, dass

er südlich von Berlin eine neue „Gigafabrik“ bauen wol-


le. Nach Nevada, New York und Schanghai wird nun die


Mark Brandenburg der nächste Standort seiner Expan-


sionspläne. Seit der Ankündigung sind die Politiker in


Berlin und Brandenburg elektrisiert, winken doch Milli-


ardeninvestitionen, neue Arbeitsplätze und jede Menge


Prestige.


Der deutsche Standort ist ein besonderes Statement:


Elon Musk will sich nicht verstecken, er will in der Hei-


mat von VW, Daimler und BMW produzieren. Tesla geht


nicht nach Polen oder Ungarn, den mittlerweile bevor-


zugten Investitionsstandorten der deutschen Autobau-


er, sondern in die Höhle der Löwen. Das ist ebenso mu-


tig wie konsequent. Die deutschen Automanager, die


Musk wegen seiner hohen Anfangsverluste schon mehr-


fach abgeschrieben haben, werden einmal mehr eines


Besseren belehrt. Tesla verkauft in Kalifornien und der


Schweiz mittlerweile mehr Model S als Mercedes und
BMW ihre jeweiligen Topmodelle. Nun steht der ver-
meintliche Hasardeur in ihrem Vorgarten.
Doch auch Tesla ist unter Zugzwang. Volkswagen hat
sich nach dem Dieselskandal entschlossen, zum Vorrei-
ter der E-Mobilität zu werden. Drei deutsche Standorte
rüstet der Konzern auf die Produktion von Stromautos
um, die Konzerntochter Audi wird bis 2025 jedes zweite
Auto mit Elektroantrieb ausliefern. Mehr als vierzig Mil-
liarden Euro investiert der VW-Konzern in den kom-
menden Jahren. Auch Daimler und BMW stellen ihre
Produktionen um, flankiert von einem riesigen Anlauf-
paket der Bundesregierung. Die will in Deutschland bis
2030 eine Million Ladesäulen aufstellen und die Strom-
autos üppig subventionieren. Deutschland wird neben
China die größte Party der Elektromobilität.
Der strategische Schwenk der deutschen Politik und
der Autokonzerne ist Elon Musk nicht entgangen. Die
Deutschen haben die erste Runde der Elektromobilität
verschlafen, dafür kommen sie jetzt umso entschiede-
ner auf den Markt. Will Musk in der zweiten Runde der
Elektromobilität weiterhin vorn mitspielen, dann muss
er dahin, wo die Entwicklung maßgeblich getrieben
wird. Das ist gut für den Standort, der bereits mitten in
der Transformation vom Verbrennungsmotor zum Elek-
troantrieb steckt. Tesla wird nicht nur weitere Investi-
tionen und Fachkräfte nach Deutschland ziehen, son-
dern auch den Wettbewerb mit den etablierten Konkur-
renten aus Wolfsburg, München und Stuttgart
anheizen. Eine bessere Nachricht kann es für den Auto-
standort Deutschland gar nicht geben.

Tesla


In der Höhle der Löwen


Die Tesla-Fabrik in Deutschland
ist ein Signal: Der US-Hersteller
will dahin, wo bei E-Autos die
nächste Runde entscheiden wird,
meint Markus Fasse.

Der Autor ist stellvertretender Ressortleiter.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Tesla wird


weitere In-


vestitionen


und Fach-


kräfte nach


Deutsch-


land ziehen.


Das sind


gute Nach-


richten für


den Auto-


standort.


dpa (3)

Vergütung


Nur ein


Warnschuss


N


ach langem Ringen hat die
Koalition aus Union und
SPD jetzt einen Kompromiss
in Sachen Managergehälter gefun-
den. Zum wiederholten Mal hat sich
die Politik die Vergütung der Vor-
stände vorgenommen – mit dem
Ziel, Exzesse endgültig zu unterbin-
den. Im Wesentlichen läuft es da-
rauf hinaus, dass Aufsichtsräte dazu
verpflichtet werden, Deckel für Vor-
standsvergütungen festzulegen.
Der Laie freut sich, der Fach-
mann reibt sich verwundert die Au-
gen. Die meisten kapitalmarktorien-
tierten Unternehmen dürften sich
inzwischen der guten Praxis ange-
schlossen haben, Zielwerte für die
Vergütung der Vorstandsmitglieder
zu benennen. Sie geben Auskunft
darüber, was ein Manager maximal
für ein Geschäftsjahr bekommen
kann – wenn alles ideal läuft. Das
könnte man auch Deckel nennen,
dann wäre es vielleicht klarer, was
gemeint ist. Denn nicht jeder Aktio-
när oder Interessierte ist Vergü-
tungsexperte und in der Lage, das
Fachlatein in den Geschäftsberich-
ten richtig zu interpretieren.
Insofern ist die geplante Gesetzes-
änderung aber auch eine Präzisie-
rung, was die Politik und damit auch
die Gesellschaft erwarten: nämlich
verständliche Aussagen und Infor-
mationen über die Vergütung der
Manager. Und: Es ist auch noch et-
was anderes, ob sich rechnerisch ir-
gendwelche Zielwerte ergeben, die
je nach Ausgestaltung der Variablen
auch mal schwanken können. Oder
ob ein Aufsichtsrat sagen muss: Bei
zehn Millionen ist Schluss, egal wie
gut die Geschäfte laufen.
Die Koalition plant allerdings,
noch ein Schmankerl in das Aktien-
recht zu schreiben. Hauptversamm-
lungen sollen danach das Recht ha-
ben, Vergütungspläne nicht nur –
unverbindlich – zu billigen, sondern
den vom Aufsichtsrat vorgeschlage-
nen Gehaltsdeckel – verbindlich –
zu senken. Politisch lässt sich das
als Beitrag zu mehr Aktionärsdemo-
kratie verkaufen. Faktisch ist es ein
Fremdkörper im deutschen Gover-
nance-System. Aber es ist vor allem
ein deutliches Warnsignal der Poli-
tik an die Wirtschaft: Wir können
auch anders!

Die Regierungskoalition erhöht
den Druck, die Gehälter der
Manager zu deckeln, beobachtet
Dieter Fockenbrock.

Der Autor ist Chefkorrespondent
im Ressort Unternehmen &
Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220


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