Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1
A. Dörner, K. Kort, M. Koch,
K. Schneider New York, Berlin,
Frankfurt

K


eine vier Wochen ist es
her, dass sich Mark Zu-
ckerberg vor dem US-
Kongress verteidigen
musste. Die Abgeordne-
ten begegneten dem Facebook-Chef
mit Skepsis und Häme und machten
deutlich, dass die geplante Kryptowäh-
rung des sozialen Netzwerks kaum
Chancen hätte, die nötigen Genehmi-
gungen zu bekommen. Davon ließ sich
Zuckerberg nicht abschrecken. Am
Mittwoch kündete das Technologieun-
ternehmen den neuen Bezahldienst
Facebook Pay an. Nutzer sollen künftig
über alle Dienste des Konzerns, Face-
book, Messenger, WhatsApp und
Insta gram, Geld an andere Nutzer, Stif-
tungen und ausgewählte Unterneh-
men schicken können. Das wird ganz
ohne Kryptowährungen möglich sein
und Facebook dennoch ein Stück nä-
her an Zuckerbergs erklärtes Ziel brin-
gen: Finanzdienstleistungen auf den
Plattformen zu ermöglichen und so-
mit einen besseren Einblick zu bekom-
men, wofür Nutzer Geld ausgeben.
Auch die Alphabet-Tochter Google
kündigte am Mittwoch einen Vorstoß
in die Bankenwelt an. Unter dem Co-
denamen Cache plant Google wohl,
im kommenden Jahr ein Girokonto
anzubieten, wie der Google-Manager
Caesar Sengupta dem „Wall Street
Journal“ mitteilte. Dank Cache sollen
Kunden bei Google Konten und da-
mit verbundene Debit-Karten bekom-
men können.
Damit geht das Unternehmen ge-
genüber der App Google Pay einen
Schritt weiter. Google Pay ist eine App
für Smartphones, die auf dem Be-
triebssystem Android basiert. In
Deutschland gibt es Google Pay seit Ju-
ni 2018. Die App lässt sich mit Kredit-
karten und Paypal-Konten verbinden
und kann Kundenkarten wie etwa Mi-
les & More speichern, ersetzt jedoch
nicht das Girokonto. Für Cache arbei-
tet Google mit der Citigroup zusam-
men, ebenso wie mit einer genossen-
schaftlichen Bank aus dem kaliforni-
schen Stanford, bei der auch viele
Google-Mitarbeiter ihre Konten haben.

Schon seit Jahren dringen die Tech-
Konzerne in die Finanzwelt vor und
sind für Banken und Kreditkartenan-
bieter gleichzeitig zu Konkurrenten
und wichtigen Kunden geworden.
Die Grenzen zwischen Technolo-
gie- und Finanzwelt verwischen.
Apple brachte erst im Sommer ge-
meinsam mit Goldman Sachs eine
Kreditkarte heraus. Die Paypal-Toch-
ter Venmo, mit der sich Nutzer unter-
einander Geld hin und her schicken
können, bietet nun eine eigene Debit-
karte in Zusammenarbeit mit Master-
card an. Der Onlinehändler Amazon,
aber auch die Bezahldienstleister
Paypal und Stripe bieten schnelle
und unkomplizierte Kredite für
Händler an, die ihre Dienste nutzen.
Apple betreibt bereits seit fünf Jah-
ren den Bezahldienst Apple Pay. Da-
bei können Kunden per iPhone mit
einer hinterlegten Kreditkarte bezah-
len. Die notwendigen Daten werden
über die sogenannte NFC-Schnittstel-
le – kurz für Near Field Communicati-
on – zwischen Smartphone und Kasse
übertragen. Für andere Bezahl-Apps
gibt Apple diese NFC-Schnittstelle bis-
her nicht frei.
Technologiekonzerne sehen Fi-
nanzdienstleistungen als einen Weg,
um noch näher an ihre Kunden he-
ranzukommen und somit zusätzliche
und besonders wertvolle Daten ver-
markten zu können. Facebook wollte
Libra unter anderem dazu nutzen,
den Verkauf von Waren und Dienst-
leistungen über die Plattform zu er-

höhen. „Wenn mehr Handel stattfin-
det, dann werden kleine Unterneh-
men mehr Waren verkaufen und
damit mehr Anzeigen schalten wol-
len, was gut für unser Werbegeschäft
ist“, sagte Facebooks Chef der Kryp-
to-Einheit, David Marcus, bei der Vor-
stellung des Projekts im Sommer. Li-
bra ist jedoch international auf ex-
trem viel Kritik gestoßen. Ob die
digitale Währung überhaupt starten
kann, ist derzeit unklar.
Kurz vor dem Start waren Libra-
Partner Paypal, Stripe, Mastercard
und Visa ausgestiegen, weil der
Druck der Aufsichtsbehörden zu
groß wurde. Nun jedoch arbeitet das
soziale Netzwerk bei Facebook Pay
genau mit diesen Partnern zusam-
men. Die Nutzer sollen ihre Bezahl -
informationen bei Facebook hinterle-
gen und auch in anderen Apps mit
Facebook Pay bezahlen können. Das
erspart den Nutzern, ihre Daten im-
mer wieder eingeben zu müssen.
Analysten begrüßten den Schritt.
„Facebook und Instagram eignen
sich sehr gut für Impulskäufe. Besse-
re Bezahlfunktionen werden höhere
Umsätze ermöglichen“, meint Mark
Mahaney, Analyst von RBC Capital.
Für Google sind vor allem die Da-
ten interessant, die es durch den Zu-
gang zu Girokonten erfassen könnte.
Dort erfahren sie, wie viel die Men-
schen verdienen, wo sie einkaufen
und wie sie ihr Geld ausgeben. Aller-
dings steht das Unternehmen aus
Mountain View genau wegen dieser

Einsichten immer stärker in der Kri-
tik. Erst diese Woche wurde bekannt,
dass Google dank einer Zusammen-
arbeit mit einem Versicherer über
Millionen von Gesundheitsdaten von
Menschen verfügt, die dazu nie eine
Zustimmung erteilt haben. Sengupta
versicherte, dass Google die Daten
über die Girokonten nicht weiterver-
kaufen werde. Auch heute würde das
Unternehmen die Daten von Google
Pay nicht für Werbung nutzen und
auch nicht weiterverkaufen.

Apple in der Kritik


Doch der Unwille gegenüber den
Tech-Konzernen wächst, in den USA
genauso wie in Deutschland. Das US-
Justizministerium hat bereits im Som-
mer eine Untersuchung gegen die
Konzerne sowie gegen Apple und
Amazon eingeleitet, um herauszufin-
den, ob sie ihre Marktmacht miss-
brauchen und den Wettbewerb be-
hindern. Beobachter gehen davon
aus, dass die Vorstöße von Facebook
und Google in die Finanzwelt von
den Regulierungsbehörden genau
untersucht werden.
Apples Monopol auf die NFC-
Schnittstelle gerät derweil in
Deutschland ins Visier der Politik.
Am Mittwoch haben die Regierungs-
fraktionen den Entwurf zu einer Ge-
setzesänderung in den Finanzaus-
schuss des Bundestags eingebracht,
mit dem Apple dazu verpflichtet wer-
den soll, die Schnittstelle für andere
Zahlungsdienstleister freizugeben.
Der Antrag wurde vom Ausschuss an-
genommen und soll noch diese Wo-
che im Plenum verabschiedet wer-
den. „Gerade in Zeiten der Plattform-
ökonomie ist es im Bereich des
digitalen Zahlungsverkehrs notwen-
dig, allen Wettbewerbern den glei-
chen Marktzugang zu ermöglichen“,
sagte Bettina Stark-Watzinger, Vorsit-
zende des Finanzausschusses, dem
Handelsblatt.
Apple reagierte am Mittwoch
prompt, beschwerte sich zunächst im
Kanzleramt und schaltete nach Infor-
mationen des Handelsblatts dann
auch die US-Botschaft ein. Findet die-
ser Gesetzesentwurf eine Mehrheit,
würde das Monopol von Apple Pay
zumindest in Deutschland gebrochen.

US-Technologiekonzerne


Neuer Angriff auf


die Banken


Facebook startet einen neuen Bezahldienst, Google


bietet Bankkonten mit der Citigroup an. Das


Geschäft bietet Zugang zu lukrativen Daten.


Facebook


und


Instagram


eignen sich


sehr gut für


Impulskäufe.


Bessere


Bezahlfunk -


tionen werden


höhere


Umsätze


ermöglichen.


Mark Mahaney
Analyst RBC Capital

Getty Images [M]

Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220

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