Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

Transferwise


Falscher Konkurrenzvergleich


Das Vorzeige-Fintech hat sich


bei einem Gebührenvergleich


teilweise kräftig verrechnet –


zum Nachteil deutscher


Geldhäuser.


Elizabeth Atzler Frankfurt


E


s gibt in Europa nur wenige Fi-
nanz-Start-ups mit Milliarden-
bewertungen. Zu dem illus-
tren Kreis zählt das britische Fintech
Transferwise, das Überweisungen ins
Ausland vergleichsweise günstig an-
bietet. Um die Verbraucher darauf zu
stoßen, dass klassische Banken für
Geldtransfers in Nicht-Euro-Länder
hohe Entgelte verlangen, vergleicht
Transferwise diese Kosten regelmä-
ßig. Zuletzt Mitte Oktober. Das zen-
trale Ergebnis der Erhebung, die die
britische Marktforschungsfirma Con-
sumer Intelligence für Transferwise
durchgeführt hat: Bei Deutscher
Bank, Postbank, Commerzbank und
anderen Instituten haben sich die
Preise für Onlineüberweisungen
nach Großbritannien in Pfund in kur-
zer Zeit kräftig erhöht – angeblich.
Transferwise taxierte die Kosten-
steigerung auf durchschnittlich 17
Prozent binnen drei Monaten. Ge-
schäftsführer Kristo Käärmann kriti-
sierte die Geldhäuser deshalb deut-
lich: „Im Vorfeld des Brexits haben
die Banken und Finanzdienstleister
ihre Preise angezogen – und dabei
wollen sie unentdeckt bleiben. Wäh-
rend die offizielle Gebühr unverän-
dert bleibt, schrauben sie heimlich
am Wechselkurs und schlagen be-
trächtliche Mehrkosten auf.“ Angeb-
lich – denn Recherchen des Handels-
blatts zeigen, dass die von Transfer-
wise veröffentlichten Kosten für eine
Überweisung von 1 000 Euro auf ein
britisches Pfund-Konto in mehreren
Fällen falsch sind und teilweise dras-
tisch über den Konditionen liegen,
die die Banken nennen. Gleich vier
Mal nannte das Fintech zu hohe
Grundgebühren, auch die Wechsel-
kurskosten stimmen den Geldhäu-
sern zufolge nicht. In der Vergangen-
heit hatte auch das Handelsblatt über
vorherige Erhebungen von Transfer-
wise berichtet. Transferwise gesteht
die Fehler ein und gibt sich zer-
knirscht: „Dem von Transferwise be-
auftragten, unabhängigen Marktfor-

schungsunternehmen sind bei der
Datenerhebung in Deutschland Feh-
ler unterlaufen. Transferwise bedau-
ert diese Fehler, die umgehend nach
dem Hinweis korrigiert wurden.“
Consumer Intelligence habe Angaben
aus den Preis- und Leistungsverzeich-
nissen falsch interpretiert. Die Quali-
tät der Untersuchung entspreche
nicht den hohen Standards, die
Transferwise sich selbst auferlegt ha-
be. Consumer-Intelligence-Chef Ian
Hughes erklärte auf Anfrage, dass es
sich um kleine Unstimmigkeiten ge-
handelt habe, die rasch korrigiert
worden seien.

Größer als behauptet
So klein sind die Abweichungen aller-
dings nicht. Ein Beispiel: Das Fintech
hatte die Kosten für eine Überwei-
sung bei der Deutschen Bank mit
21,55 Euro angegeben. Auf Anfrage
des Handelsblatts erklärte die Deut-
sche Bank, dass sie die Konvertie-
rungskosten nicht nachvollziehen
könne, die von Transferwise genann-
te Grundgebühr gelte zudem für be-
leghafte Überweisungen. Konfrontiert
damit korrigierte Transferwise die
Angaben deutlich nach unten, kon-
kret auf 16,53 Euro. Doch das liegt im-
mer noch rund drei Euro über dem
Preis, den die Deutsche Bank für eine
solche Überweisung im September
nennt. Die Fehler von Transferwise
scheinen mit Blick auf die Grundge-
bühr offensichtlich: Im ersten Anlauf
hatte Transferwise bei der Deutschen
Bank den Grundpreis für eine beleg-
hafte Überweisung von 16,55 Euro ge-
nannt, bei der Onlineüberweisung
sind es aber 11,55 Euro. Zudem nennt
das Fintech einen Wechselkursauf-
schlag von fünf Euro, die Deutsche
Bank gibt als Handelsspanne für eine
Überweisung Ende September gut
zwei Euro an. Auch andere Angaben
von Transferwise sind falsch. Wäh-
rend das Fintech für eine Überwei-
sung von 1 000 Euro bei der Postbank
19,79 Euro ansetzt, gibt die Postbank
die Gebühren mit zehn Euro an – für
Mitte Oktober, als Transferwise die
Zahlen veröffentlichte und das Han-
delsblatt daraufhin nachfragte. „Wir
können die angebliche Gebührener-
höhung nicht bestätigen. Unsere Ent-
gelte haben sich für Privatkunden seit
Januar 2018 nicht geändert“, betonte
ein Postbank-Sprecher. Die Postbank

habe auch die Aufschläge auf den
Wechselkurs seit mehreren Jahren
nicht angepasst.
Konfrontiert mit den Handelsblatt-
Recherchen hat Transferwise die Da-
ten geprüft und die Angaben zu den
Postbank-Preisen daraufhin nach un-
ten korrigiert, auf nun 12,74 Euro. Aber
auch bei den revidierten Zahlen nennt
Transferwise einen deutlich höheren
Wechselkursaufschlag, als die Post-
bank vorrechnet. Transferwise äußert
sich nicht genau dazu, welche Fehler
Consumer Intelligence unterlaufen
sind. Im Fall der Postbank drängt sich
allerdings auf, dass die Marktforscher
Promille und Prozent verwechselt ha-
ben: Die Grundgebühr bei der Post-
bank für eine solche Überweisung be-
trägt 1,5 Promille des Betrags, mindes-
tens aber acht Euro. Transferwise
hatte die Grundgebühr bei der Post-

bank mit 15 Euro angegeben – also 1,5
Prozent von 1 000 Euro. Hinzu kam,
dass das Fintech den Wechselkursauf-
schlag viel zu hoch ansetzte. Auf fast 31
Euro pro Transaktion bezifferte
Transferwise den Preis für eine
1 000-Euro-Überweisung bei der Com-
merzbank. Nach Nachfragen des Han-
delsblatts gab Transferwise die Kosten
später mit gut 28 Euro an. Die Com-
merzbank jedoch nennt 22,50 Euro –
15 Euro Grundgebühr und 7,50 Euro
sogenanntes Konvertierungsentgelt.
Ob Transferwise weiterhin Consu-
mer Intelligence mit Erhebungen be-
auftragt, ist unklar: „Die Zusammenar-
beit mit Consumer Intelligence kom-
mentieren wir zum jetzigen Zeitpunkt
nicht“, erklärte das Fintech.

Pfund und Euro: Das
Fintech ermöglicht
vergleichsweise güns-
tige Auslandsüber-
weisungen.

dpa


Immobilien


Berlin


erschwert


Geldwäsche


Frank Drost Berlin


E


in neues Gesetz soll Transpa-
renz bei Immobilienkäufen
aus dem Ausland schaffen.
Nach einer Verschärfung des Regie-
rungsentwurfs durch den Finanzaus-
schuss soll es am Donnerstag im Bun-
destag verabschiedet werden.
Künftig müssen ausländische Ge-
sellschaften sich in ein Transpa-
renzregister eintragen, wenn sie Im-
mobilien in Deutschland erwerben
wollen. Notare haben dabei die Ei-
gentums- und Kontrollstruktur zu
überprüfen.
„Die Maßnahme soll mit ihrer prä-
ventiven Wirkung den Geldwäscheri-
siken im Immobiliensektor entgegen-
wirken“, heißt es in der Begründung.
Nach Schätzungen des Bundeskrimi-
nalamtes werden jährlich rund 20
Milliarden Euro im deutschen Immo-
biliensektor gewaschen – darunter
auch Geld, das aus Drogen- oder
Menschenhandel stammt.
„Wir sorgen für mehr Transparenz
bei Immobilientransaktionen“, sagte
der SPD-Finanzpolitiker Jens Zim-
mermann dem Handelsblatt. Auch
Christoph Trautvetter vom Netz-
werk Steuergerechtigkeit lobt den
Vorstoß. Ihn stört aber, dass die Re-
gistrierpflicht nur für die Zukunft
gilt: „Das läuft auf einen Bestands-
schutz für bisherige Geldwäsche-Ak-
tivitäten hinaus.“ Zudem gebe es
Ausweichmöglichkeiten. Über die
Einschaltung einer deutschen GbR
(Gesellschaft bürgerlichen Rechts)
oder eines Investmentvehikels ohne
Anteilseigner und Stimmberechti-
gungen könnten Immobilienerwer-
ber auch künftig ihre Anonymität
wahren, befürchtet der Experte.
Das Gesetz soll auch die Schlag-
kraft der Financial Intelligence Unit
(FIU) erhöhen, der beim Zoll angesie-
delten Meldestelle für Geldwäsche.
„Die FIU erhält jetzt einen verbesser-
ten Datenzugriff auf polizeiliche und
staatsanwaltliche Register“, erläutert
Zimmermann.
Erfolg hatte aber der Protest der
Prepaid-Anbieter. Sie verhinderten,
dass sich Kunden für Auslandsüber-
weisungen künftig schon ab 20 Euro
statt ab 50 Euro identifizieren müssen.

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Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220

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