Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1
Berlin: In der Hauptstadt
hält die Deutsche Woh-
nen rund 70 Prozent ih-
rer Objekte.

imago/Jürgen Ritter

Deutsche Wohnen


HANDELSBLATT
Quellen:Bloomberg,Thomson Reuters, Unternehmen, IBES

1) Geschäftsjahr zum 31.12.2018; 2) 13.11.2019; 3) IBES-Prognose

1.11.2018 13.11.2019


+20

+10

±0

-10

-20

-30

% % % % % %

Umsatz
Börsenwert
Nettoergebnis
Dividendenrendite
Eigenkapitalrendite
Ergebnis je Aktie

Kurs-Gewinn-Verhältnis
Kurs am
Hoch/Tief (52 Wochen)
ISIN
Hauptversammlung
Homepage

Kennzahlen


Prozentuale Veränderung seit 1.11.2018


Aktienkurs


Stoxx 600 Real Estate


Dez. 2018
Dez. 2019
Dez. 2020
Dez. 2019
13.11.2019 (16 Uhr)

1,26 Mrd.
12,25 Mrd.
1,83 Mrd.
2,0
17,1
5,15
1,43
1,47
23,8
34,53
44,83/28,5
DE000A0HN5C6
5.6.2020
http://www.deutsche-wohnen.com

€ € € % % € € € € €
1 2 1 1   

Erfurt


D


er Berliner Mietende-
ckel macht der Deut-
schen Wohnen zu
schaffen. Deutschlands
zweitgrößter Vermie-
ter rechnet in den kommenden fünf
Jahren mit Mindereinnahmen von
bis zu 330 Millionen Euro. Das geht
aus einer Präsentation zur Neunmo-
natsbilanz des MDax-Unternehmens
hervor. 70 Prozent der 150 000 Woh-
nungen der Deutschen Wohnen be-
finden sich in Berlin. 190 Millionen
Euro entfallen auf geplante Mieter-
höhungen, die unter einem Deckel
nicht mehr möglich wären. Das Risi-
ko, das aus Mietreduzierungen resul-
tiert, beläuft sich auf 140 Millionen
Euro. Finanzchef Philip Grosse be-
tonte, dass es sich bei der Kalkulati-
on um den schlimmsten Fall han-
delt, die tatsächlichen Effekte also
geringer sein können. Der Berliner
Senat hat einen Gesetzentwurf vor-
gelegt, der einen Mietendeckel vor-
sieht. Obergrenzen liegen zwischen
3,92 und 9,80 Euro pro Quadratme-
ter. Laut dem Berliner Gesetzent-
wurf müssen alle Mieten, die 20 Pro-
zent über den festgelegten Obergren-
zen liegen, reduziert werden.
Die Durchschnittsmiete bei der
Deutschen Wohnen liegt mit 6,83
Euro pro Quadratmeter neun Pro-
zent über dem Schnitt der Ober -
grenzen. Für 2020 rechnet das Un-

ternehmen noch nicht mit bedeu-
tenden Effekten. Das hat mit dem
Gesetzentwurf zu tun: Sobald das
Gesetz in Kraft gesetzt wurde, wer-
den zunächst die Mieten eingefro-
ren. Erst neun Monate nach Inkraft-
treten können Mieter Anträge auf ei-
ne Reduktion ihrer Miete stellen.
Daher rechnet die Deutsche Woh-
nen erst für 2021 mit Mindereinnah-
men im Cashflow, zwischen 30 und
40 Millionen Euro jährlich. Das ent-
spricht rund sieben Prozent des
operativen Gewinns.

Die Aktie steigt


Trotz der millionenschweren Prog-
nose und der Aussicht, dass der
operative Gewinn nach Jahren des
Anstiegs sogar stagnieren oder gar
fallen könnte, klettert die Aktie am
Mittwoch um zwei Prozent auf rund
34 Euro. Die Reaktion am Kapital-
markt hat zwei Gründe: Zum einen
laufen die Geschäfte noch sehr gut.
Zum anderen hat das Unternehmen
Aktienrückkäufe im Wert von 750
Millionen Euro angekündigt. Weil
das Aktienangebot damit verknappt
wird, winken Aktionären höhere
Gewinnausschüttungen pro Aktie.
In den ersten neun Monaten des
Jahres konnte die Deutsche Wohnen
ihren Gewinn aus dem operativen
Geschäft um 13 Prozent auf 416 Mil-
lionen Euro steigern. Dazu beigetra-

gen haben Mieterhöhungen von 3,4
Prozent. Zugleich bestätigte das Un-
ternehmen seine Jahresprognose:
535 Millionen Euro sollen 2019 er-
löst werden.

Weniger Gewinn


Kräftige Einbußen wurden indes
beim Konzerngewinn verbucht, der
neben dem operativen Geschäft un-
ter anderem auch Verkäufe, das
Pflegesegment und die Immobilien-
bewertung umfasst. Anders als die
Konkurrenz hatte die Deutsche
Wohnen zuletzt nur geringe Aufwer-
tungen des Bestands vorgenommen.
Das belastet den Konzerngewinn,
der im Vergleich zum Vorjahr um 16
Prozent auf 635 Millionen Euro fiel.
Der Bestand wird derzeit bei 24,7
Milliarden Euro nur rund vier Pro-
zent höher bewertet als im Vorjahr.
Zum Vergleich: Konkurrent Vonovia
hatte seinen Bestand um 14 Prozent
aufgewertet. Die nächste Bewertung
des Portfolios steht mit den Jahres-
zahlen an. „Ich glaube, dass die
Werte dann noch einmal deutlich
steigen“, sagt Julius Stinauer, Ana-
lyst von Hauck & Aufhäuser.
Der Mietendeckel hat der Deut-
sche-Wohnen-Aktie in diesem Jahr
deutlich zugesetzt. Seit Jahresbe-
ginn hat sie 17 Prozent an Wert ver-
loren. Zudem notiert sie rund ein
Viertel unter dem NAV pro Aktie.
Dahinter verbirgt sich der auf eine
Aktie heruntergerechnete Nettover-
mögenswert des Unternehmens,
das Immobilienvermögen abzüglich
der Schulden. Die Kennziffer gilt als
Maßstab für den Wert einer Immo-
bilienaktie.
In anderen Worten: Der aktuelle
Aktienkurs wirkt günstig im Ver-
gleich zu den dahinterstehenden
Werten. So sieht es offenbar das
Gros der Analysten. Laut Handels-
blatt-Analystencheck raten 16 Ana-
lysten zum Kauf, acht zum Halten
und nur drei zum Verkauf. Andre
Remke von der Baader Bank, der
ebenfalls zum Kauf rät und ein Kurs-
ziel von 38 Euro prognostiziert, gibt
aber zu bedenken: „Trotz der Zah-
len, die die Deutsche Wohnen heute
zu den Auswirkungen des Mietende-
ckels vorgelegt hat, wird Unsicher-
heit bleiben.“

Erweiterung im Portfolio


Die Deutsche Wohnen wird zwar
nicht müde zu betonen, dass sie
den Mietendeckel für verfassungs-
widrig hält. Im Hintergrund wird
aber schon an einer Strategie getüf-
telt. Wie die aussieht, will das Unter-
nehmen aber erst mit den Jahres-
zahlen präsentieren.
Schon heute stehen 5 000 Woh-
nungen in Berlin zum Verkauf. Alle
bereits angestoßenen Investments
in Berlin sollen laut Deutscher Woh-
nen zwar abgeschlossen werden. Al-
le weiteren Projekte werden jedoch
gestoppt. Wohnungsbau und Moder-
nisierungen sollen außerhalb Ber-
lins stattfinden. Es scheint außer-
dem, als wolle das Unternehmen
sein Portfolio außerhalb Berlins
stärken. Bereits im März hat die
Deutsche Wohnen knapp 3 000
Wohnungen gekauft, die sich über-
wiegend in der Metropolregion
Rhein-Main, Köln und Düsseldorf
befinden.

Aktie unter der Lupe


Mindereinnahmen


durch Mietendeckel


Die Deutsche Wohnen rechnet mit Hunderten Millionen Euro


weniger Mieteinnahmen. 5 000 Wohnungen in Berlin stehen zum


Verkauf. Investiert werden soll nun außerhalb der Hauptstadt.


Private Geldanlage
DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220

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