Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

(nextflipdebug5) #1
Der Kultur- und Freizeit-Service
mit Tippsvom 7. bis 13. November

Politik


DieGrünen diskutieren, ob sie


ihre deutschen Erfolge auf die


EU-Ebene übertragen können 6


Panorama


Wie weit ist die Einheit


des Humors 30 Jahre


nach dem Mauerfall? 8


Wirtschaft


Die Bahn steckt in einer


tiefen Krise, zwei Manager


könnte das den Job kosten 19


Medien


Schauspieler Maximilian Brückner


über Mut zur Bösartigkeit


im Fernsehen 25


Sport


Dortmund gelingteine


spektakuläre Wende


im Spiel gegen Mailand 33


TV-/Radioprogramm 26
Forum & Leserbriefe 13
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 25
Traueranzeigen 18


Die Redewendung „den Gegner mit den ei-
genen Waffen schlagen“ existiert im Deut-
schen wie im Spanischen. Gut möglich,
dass sie kürzlich einem Regierungsmitar-
beiter in Havanna in den Sinn kam. Das
kommunistische Kuba ist in den vergan-
genen Wochen in eine tiefe Versorgungs-
krise gerutscht – vor allem, weil die USA
immer härtere Sanktionen gegen die In-
sel verhängen. Nun versucht Havanna,
sich mit den Mitteln des Gegners wieder
aus der Krise herauszuwinden. Genauer
gesagt: mit dessen Zahlungsmitteln. Vor
wenigen Tagen führte die kubanische Re-
gierung ausgerechnet den US-Dollar wie-
der ein, wenn auch in engen Grenzen.
Es ist noch nicht lange her, da wirkte
es, als stünden die Zeichen zwischen Ha-
vanna und Washington nach Jahrzehnten
der Erzfeindschaft endlich auf Versöh-
nung. Die damaligen Staatschefs Raúl
Castro und Barack Obama tauschten ab
2013 mehrfach Handschläge aus, die

Länder eröffneten wechselseitig Botschaf-
ten. US-Touristen kamen in Scharen nach
Kuba. Seit aber Donald Trump im Weißen
Haus sitzt, ist die alte Feindschaft wieder
da. Er belegt die Insel fortwährend mit
Strafen, die Touristen bleiben weg – und
damit auch die Devisen. Diese bräuchte
Kuba jetzt aber so sehr wie nie, da der sozi-
alistische Bruderstaat Venezuela nur
noch mit sich selbst beschäftigt und die ei-
gene Wirtschaft wie eh und je schwach ist.
In Kuba mangelt es inzwischen an Essen-
ziellem, an Speiseöl und Mehl etwa und
an Benzin.
Die Not aber hat gerade die Kubaner
immer schon erfinderisch gemacht, da-
her nun also die Idee der Regierung mit
dem US-Dollar. Vor wenigen Tagen eröff-

nete sie in Havanna, in Santiago und in ei-
ner Handvoll anderer Städte sogenannte
„Dollarläden“. Die Kubaner können dort
Tiefkühltruhen, Waschmaschinen und
andere technische Geräte kaufen, manch-
mal auch Ersatzteile für Autos. Besonders
beliebt sind Klimaanlagen, was ange-
sichts der Temperaturen auf der Insel
nicht verwundert.
Einzige Bedingung: Die Kunden müs-
sen in Dollar oder in einer anderen harten
ausländischen Währung bezahlen. Im Ge-
genzug bietet die Regierung die Waren
viel günstiger an, als das bisher in den
staatlichen Läden der Fall war, in denen
man nur mit der eigenen kubanischen De-
visenwährung CUC bezahlen konnte. Ei-
ne Klimaanlage vom Typ „Split“ etwa, für

die man auf Kuba sonst umgerechnet lo-
cker 600 Dollar berappen musste, ist nun
schon für 360 zu haben. Entsprechend
lang sind die Schlangen vor den Dollarlä-
den. Manche kampierten dort schon Ta-
ge, bevor sie öffneten.
Für die gut betuchten Kubaner, die
sich solche Preise leisten können, etwa,
weil die Verwandten aus dem Exil Geld
schicken, sind die Dollarläden eine gute
Nachricht. Für die kubanischen Maultie-
re aber sind sie schlecht. Als Maultiere
werden in Kuba nicht nur Vierbeiner be-
zeichnet, sondern auch diejenigen, die pri-
vat in andere Länder fliegen, um von dort
Klimaanlagen und andere Geräte auf die
Insel zu schaffen. Sie sind Teil eines Im-
portsystems, das von Exilkubanern domi-
niert wird und dessen Erträge meist im
Ausland bleiben. Das kann sich der Staat
nun nicht mehr leisten – und die Maultie-
re werden sich wohl einen neuen Job
suchen müssen. benedikt peters

von robert roßmann
und mike szymanski

Berlin– Verteidigungsministerin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer will, dass
Deutschland die Bundeswehr stärker im
Ausland einsetzt als bisher. Die Ministerin
und CDU-Vorsitzende sagte derSüddeut-
schen Zeitung, Deutschland müsse künftig
„offen damit umgehen, dass wir – so wie je-
des andere Land dieser Welt – eigene stra-
tegische Interessen haben“. Die Bundesre-
publik sei wie kein anderes Land „darauf
angewiesen, dass wir einen freien Handel
haben, der auf Regeln basiert“ und dass es
„offene Handelswege“ gebe.
Bereits auf der Münchner Sicherheits-
konferenz 2014 sei ein Konsens erreicht
worden, sagte Kramp-Karrenbauer. Da-
mals hätten „Joachim Gauck als Bundes-

präsident, Frank-Walter Steinmeier als Au-
ßenminister und Ursula von der Leyen als
Verteidigungsministerin unisono gesagt:
Deutschland muss mehr Verantwortung
übernehmen“. Deutschland sei den Erwar-
tungen, die in München geweckt wurden,
aber „bisher nicht immer gerecht gewor-
den“. In den vergangenen Jahren „haben
wir oft nicht aktiv genug gehandelt: Wir
sind zu Einsätzen dazugekommen, wenn
wir gefragt worden sind – mal haben wir
uns stärker beteiligt, mal weniger“.
Deutschland müsse in Zukunft „aber
auch selbst die Initiative ergreifen, Impul-
se setzen, Optionen aufzeigen“. Und es
müsse bereit sein, „die damit verbunde-
nen Kosten zu tragen – finanziell, politisch
und moralisch, wie Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble es jüngst formuliert
hat“. Nur so könne Deutschland „ein inter-

nationales Umfeld beschützen und gestal-
ten, das unseren Werten und Interessen ge-
mäß ist“. Dabei müsse man „grundsätzlich
bereit sein, das Spektrum an Fähigkeiten,
über das wir verfügen, auch zur Verfügung
zu stellen“. Kramp-Karrenbauer sagte, sie
wisse, „wie schwer das ist, wie viele Opfer
das verlangt“. Trotzdem müsse man sich
„darauf einstellen, dass eine Frage in Zu-
kunft häufiger auf uns zukommen wird:
Was leistet Deutschland?“ Sie sei der „Auf-
fassung, dass wir uns hier nicht immer ver-
weigern können“.
Auf den Einwand, dass deutsche Solda-
ten dann häufiger in Zinksärgen aus dem
Einsatz zurückkämen, sagte die Verteidi-
gungsministerin, jeder Einsatz sei gefähr-
lich. Aber man müsse sich zum Beispiel die
Situation in der Sahelzone vor Augen füh-
ren. Dort gebe es „eine der größten Dreh-

scheiben für islamistischen Terrorismus“.
Es gehe um die Frage, ob dieser Terroris-
mus nach Europa exportiert werde. Mali
gehöre „zu den Regionen mit dem höchs-
ten Anteil an illegaler Migration und orga-
nisierter Kriminalität“. Deshalb gelte: „Die
Sicherheit in der Sahelzone ist Teil unserer
eigenen Sicherheit.“
Die Bundeswehr befindet sich aktuell
mit knapp 4200 Soldaten im Auslandsein-
satz. Zu den Schwerpunkten gehören die
Missionen in Afghanistan und in Mali, mit
jeweils etwa 1000 deutschen Soldaten. Al-
lein beim Einsatz in Afghanistan sind bis-
her 58 deutsche Soldaten umgekommen.
Insgesamt ist die Bundeswehr derzeit in 17
mandatierten Einsätzen und Missionen en-
gagiert. Hinzu kommen Tausende Solda-
ten, die für Einsatzszenarien etwa der Nato
vorgehalten werden müssen.  Seite 2

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nehmer Michael Poliza feiert die Schönheit
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klusiv.  Seite 27

Berlin– Trotz öffentlicher Kritik und an-
haltender Konflikte haben Bundeskanzle-
rin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler
Olaf Scholz (SPD) den Willen der großen Ko-
alition zur Weiterarbeit unterstrichen. Von
300 großen Vorhaben der Regierung seien
zwei Drittel vollendet oder auf den Weg ge-
bracht, sagte Merkel am Mittwoch in Ber-
lin. „Das zeigt, dass wir arbeitsfähig und ar-
beitswillig sind.“ Zuvor hatte das Kabinett
die Halbzeitbilanz der Regierung gebilligt.
Sie war auf Wunsch der SPD im Koalitions-
vertrag vereinbart worden, um festzustel-
len, ob konkrete Erfolge erzielt werden.
Diese Bestandsaufnahme habe wesentlich
dazu beigetragen, Regierungsvorhaben zu
beschleunigen, sagte Scholz.
Weder Kanzlerin noch Vizekanzler verlo-
ren am Mittwoch ein Wort darüber, dass

die Koalitionsparteien bis zuletzt vergeb-
lich um eine Einigung bei der Grundrente
gerungen hatten. In der Halbzeitbilanz, de-
ren Einleitung in eher nachdenklichem
Ton gehalten ist, sind neben Erfolgen der
Regierung auch unvollendete Vorhaben
aufgelistet. „Wir leben in einer Zeit, in der
die politischen und gesellschaftlichen
Fliehkräfte zunehmen“, heißt es. „Der Aus-
gleich unterschiedlicher Interessen und
die in einer Demokratie unabdingbare Be-
reitschaft zum Kompromiss verlieren an
Akzeptanz.“ Die Regierung habe viel er-
reicht, aber es bleibe „noch viel zu tun“.
Scholz betonte, es seien „große Fort-
schritte“ bei der sozialen Sicherung, der Fa-
milienpolitik sowie beim Thema Wohnen
und Mieten erreicht worden. Gemeint wa-
ren auch Mietpreisbremse und Baukinder-

geld. Unerwähnt blieb, dass der angekün-
digte Bau von 100 000 Sozialwohnungen
stockt und auch bei gleichwertigen Lebens-
verhältnissen und Integration wenig voran-
geht. Scholz räumte ein, es sei „noch was
zu tun“. Zu den noch nicht erreichten Zie-
len gehöre für die SPD der Abbau sach-
grundloser Befristungen bei Arbeitsverträ-
gen. Merkel nannte den Ausbau von Elek-
tromobilität und erneuerbaren Energien
sowie die Digitalisierung als noch zu lösen-
de Zukunftsaufgaben der Koalition.
„Ich bin heute stolz, dass die Sozialde-
mokraten für so viele Menschen etwas be-
wegt haben“, sagte die kommissarische
SPD-Vorsitzende Malu Dreyer in Mainz.
Die Maßnahmen der Koalition bedeuteten
„die größte Nettoverbesserung seit über
zehn Jahren“. Bei der Opposition stießen

solche Töne auf Unverständnis. Die große
Koalition habe abgewirtschaftet, sagte die
Linken-Vorsitzende Katja Kipping. „Höchs-
te Zeit, dass sie beendet wird. Weitere Fol-
gen aus der Reihe Pleiten, Pech und Pan-
nen kann keiner gebrauchen.“
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner
merkte an, die Koalition habe viele Gesetze
gemacht und „viele Fleißkärtchen ver-
teilt“. Das könne aber nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass sie „keine Impulse“ für
die „Weiterentwicklung des Landes“ gebe.
Ein miserables Halbzeitzeugnis stellte
auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofrei-
ter aus. „Die Bilanz ist leider desaströs“,
sagte er. „Diese Regierung ist kraft- und an-
triebslos. Ihr einziger Kitt ist die pure
Angst vor der eigenen Zukunft.“
constanze von bullion  Seiten 4, 5

München– Deutlich weniger Familien-
angehörige von Flüchtlingen kommen
nach Deutschland, als ursprünglich von
der Regierung erwartet. Rund 32 000 engs-
te Verwandte haben seit August 2018 ein
Visum bekommen. Innenminister Seeho-
fer (CSU) hatte dagegen mit bis zu 300 000
Angehörigen gerechnet.sz  Seite 5

Frankfurt– Die Lufthansa muss wegen
des Streiks der Flugbegleiter am Donners-
tag und Freitag 1300 der rund 6000 geplan-
ten Flüge streichen. Etwa 180 000 Passagie-
re sind betroffen. sz  Wirtschaft

Brüssel – Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) will den Widerstand Deutsch-
lands gegen eine EU-Einlagensicherung
unter Umständen aufgeben. In Europa
gibt es nur nationale Sicherungssysteme,
die bei Bankenpleiten für die Spargutha-
ben der Bürger garantieren. Pläne für ein
EU-weites System scheiterten bislang an
Bedenken Berlins. Scholz schlug am Mitt-
woch vor, eine europäische Rückversiche-
rung zu schaffen, die einspringt, wenn nati-
onale Töpfe erschöpft sind. Er stellte aber
Forderungen an die anderen EU-Mitglied-
staaten, das Bankensystem krisenfester zu
machen. bfi  Wirtschaft

München –Der FC Bayern München hat
das Achtelfinale der Champions League er-
reicht. Im ersten Spiel unter Interimstrai-
ner Hansi Flick besiegten die Bayern am
Mittwoch Olympiakos Piräus mit 2:0. Die
Torschützen waren Robert Lewandowski
(69.) und Ivan Perisic (88.) sz  Sport

Xetra Schluss
13180 Punkte

N.Y. Schluss
27493 Punkte

22 Uhr
1,1071 US-$

HEUTE


Die SZ gibt es als App
fürTablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

In Bayern, Sachsen und Brandenburg ist es
nach Frühnebellänger sonnig. Gleichzei-
tig zieht neuer Regen von Westen in den
Norden und die Mitte. Zwischen fünf und
zwölf Grad.  Seite 13 und Bayern

Merkel: Koalition ist „arbeitsfähig und arbeitswillig“


In ihrer Halbzeitbilanz verweisen Union und SPD auf ihre Erfolge, die Konflikte in der Regierung finden keine Erwähnung


Mit den Waffen des Klassenfeindes


Kuba führt in bestimmten Läden den US-Dollar wieder ein


Familiennachzug


geringer als erwartet


Lufthansa streicht


1300 Flüge wegen Streik


Bundeswehr soll öfter ins Ausland


Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer fordert ein entschiedeneres Eintreten Deutschlands


für seine Interessen. Offene Handelswege müssten notfalls auch militärisch durchgesetzt werden


FC Bayern im Achtelfinale


der Champions League


ILLUSTRATION: STEFAN DIMITROV

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Mit 63 in Rente


Vieleträumen vom vorzeitigen Ruhestand.


Hunderttausende erfüllen sich den Wunsch, aber


das kostet. Wer Geld übrig hat, kann sich


auch für eine private Zusatzrente entscheiden


 Wirtschaft, Seite 16


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FOTO: DPA

Scholz für EU-weite


Einlagensicherung


Finanzminister gibt Widerstand
gegen neue Regeln für Banken auf

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Hinter Mauern: Jüdische Kinder in Deutschland Die Seite Drei


(SZ) Die solide Gebildeten unter uns wis-
sen, dass als einer der ersten geschichtlich
überlieferten Betrüger ein gewisser Jakob
gilt, der sein Unwesen im Alten Testament
getrieben hat. Dessen Wirken wurde aller-
dings durch den offiziellen Segen des Va-
ters und den inoffiziellen Segen der Mutter,
die den Schwindel unterstützt hatte, mit
dem Eltern-TÜV versehen. Jakob kaufte
seinem Bruder Esau sein Erstgeburtsrecht
zunächst für ein Linsengericht ab, was Esau
entweder als ahnungslosen Tropf erschei-
nen lässt oder das Linsengericht im Nach-
hinein in den Rang einer kulinarischen
Kostbarkeit erhebt. Vegetarier werden die-
se historisch belegte Wertschätzung ent-
sprechend zu feiern wissen. Jakob, derart in
der familiären Hackordnung aufgestiegen,
ließ es damit aber nicht bewenden, sondern
verkleidete sich als Esau, um sich so den Se-
gen für den Erstgeborenen vom sterbenden
Vater zu erschleichen, der von dieser Scha-
cherei nichts ahnte.
Jakob wurde auf diese Weise zum be-
rühmtesten Betrüger der Weltgeschichte.
Wenn es das Wort schummeln schon gege-
ben hätte, wären Jakob und seine Mutter ei-
nig gewesen, dass Betrug ein viel zu starker
Begriff ist und diese kleine Trickserei ein-
deutig dem stets von einem kecken Augen-
zwinkern begleiteten Schummeln zuzu-
rechnen wäre. Generationen von Schülerin-
nen und Schülern, die Prüfungen und Klas-
senarbeiten dank vollgekritzelter Spick-
zettel überstanden haben, werden dieser
Interpretation der biblischen Ereignisse
vorbehaltlos zustimmen und Jakob zu ih-
rem Säulenheiligen erklären, der hinter
seinem Versteck hervorlugt und ihnen die
wichtigsten Lösungen zuflüstert. Wie sehr
wir uns bei diesem Thema im Graubereich
der Deutungshoheit bewegen, zeigt schon,
dass Kluges „Etymologisches Wörterbuch“
nicht erklären kann, woher das Wort
stammt, und daher nur vermutet, dass „die
älteste Bedeutung von schummeln viel-
leicht handeln“ ist. Jakob war also nicht nur
ein Lügner, sondern auch ein Kaufmann!
Einen Austausch von Informationen
könnte man all die aufwendigen Manöver
nennen, die sich Menschen ausdenken, um
bei Prüfungen weniger Leistungsdruck zu
spüren und sich somit den Weg in ihre be-
rufliche Erfüllung zu erleichtern. Dabei mo-
derne Technik einzusetzen, kann für den
späteren Einstieg in Handel und Wandel
nicht schaden. Bei einer Führerscheinprü-
fung in Engelskirchen bei Köln erdachte
nun ein 32-Jähriger ein aufwendiges Sys-
tem. Mit einer versteckten Kamera filmte
er die Aufgaben und schickte sie dem Sup-
porting Team. Seine beiden Assistenten
hielten sich in der Nähe der Fahrschule auf
und diktierten ihm die Lösungen übers Han-
dy ins Ohr. Der Prüfer war aber um einiges
aufmerksamer als Esaus und Jakobs Vater
und deckte den Schwindel auf. Nun sehen
sich die Schummler um den Lohn ihrer
Trickserei betrogen. Den Schein gibt es
nicht. Vielleicht gibt es eine Linsensuppe.


DAS WETTER



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