Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

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Brüssel – Baerbock oder Habeck? In
Deutschland wird darüber diskutiert, wer
von den Grünen wohl am besten im Bun-
deskanzleramt wäre. In Brüssel wären die
Grünen vermutlich schon froh, wenn sie ei-
nen grünen Kommissar in der kommen-
den EU-Kommission stellen könnten: Auf
europäischer Ebene ist die viel beschwore-
ne „Grüne Welle“ bisher eher ein sachtes
Schwappen. Bei der Europawahl im Mai wa-
ren die Grünen zwar so stark wie nie und
stellen jetzt 75 der insgesamt 751 Abgeord-
neten im EU-Parlament. Das liegt aber vor
allem an guten bis sehr guten Ergebnissen
in Ländern West- und Nordeuropas. Aus
Griechenland, Kroatien oder Polen sitzt da-
gegen weiterhin kein einziger grüner Abge-

ordneter im Europaparlament, auch wenn
die Grünen in Polen zuletzt etwas zugelegt
haben (siehe unten).
Klar, dass die Grünen das ändern möch-
ten, aber wie? Darüber diskutieren die Mit-
glieder der Europäischen Dachpartei an
diesem Wochenende auf ihrem Parteitag
im finnischen Tampere. Die Chefin der Eu-
ropäischen Grünen, die Italienerin Monica
Frassoni, glaubt, dass dafür nicht mehr
nur Klimathemen eine Rolle spielen: „Fra-
gen von Demokratie und der verantwor-
tungsvollen Regierungsführung sind für
die Menschen in Osteuropa sehr wichtig“,
sagt sie, darin liege eine Chance für ihre
Partei. „In den nächsten fünf Jahren wol-
len wir eine Strategie für den Osten und für

den Süden ins Zentrum rücken“, sagt Rein-
hard Bütikofer, ihr Partner in der traditio-
nellen grünen Doppelspitze.
Für Bütikofer bedeutet dieser Parteitag
eine Zäsur: Seit 2012 war er der Chef der Eu-
ropäischen Grünen, Frassoni hatte dieses
Amt bereits seit 2009 inne. Beide geben ih-
re Ämter nun auf. Frassoni, weil die Statu-
ten keine weitere Wahl zulassen. Bütiko-
fer, der noch zweieinhalb Jahre hätte dran-
hängen können, will seinen Nachfolgern
ausreichend Zeit geben, sich auf die Euro-
pawahl 2024 vorzubereiten. „Der andere
Grund ist privat. Meine Frau ist in Rente ge-
gangen, und ich will mehr Zeit mit ihr ver-
bringen“, sagt Bütikofer, der aber weiter-
hin ein Mandat im Europaparlament be-

sitzt; der Politik wird er also erhalten blei-
ben.
Auch dünner besiedelte Regionen für
grüne Politik zu begeistern, ist für Bütiko-
fer eine Zukunftsaufgabe: „Wir dürfen die
ländlichen Räume nicht den Populisten
überlassen, sondern müssen verhindern,
dass sie zu Aufmarschräumen werden für
Rechtsradikale und Nationalisten“, sagt er.
„Wenn wir Städter das nicht begreifen,
dann werden wir das möglicherweise auf
die harte Weise spüren.“ Insoweit gebe es
Parallelen zwischen den schwachen Wahl-
ergebnissen der Grünen in manchen Län-
dern Europas und bei den ostdeutschen
Landtagswahlen der vergangenen Wochen
und Monate, etwa in Thüringen, wo die

Grünen nur knapp die Fünf-Prozent-Hür-
de überwunden haben.
Auf dem europäischen Parteitag in Tam-
pere soll es außerdem darum gehen, wie
sich die Energie, welche die „Fridays for Fu-
ture“- und auch die „Extinction Rebelli-
on“-Demonstrationen freigesetzt hätten,
auf lokaler Ebene nutzen lasse. „Die Frage
muss lauten: Bis wann ist Köln klimaneu-
tral? Bis wann ist München klimaneutral?
Bis wann Stuttgart?“ In diesen Diskussio-
nen könnten „örtliche Aktivisten eine gran-
diose treibende Rolle spielen“, sagt Bütiko-
fer, auch wenn er das Wort Klima-„Not-
stand“ lieber vermeiden würde: „Für mich
kommt da die Assoziation Notstandsgeset-
ze hoch.“
Die designierte EU-Kommissionspräsi-
dentin Ursula von der Leyen hat den
„Green New Deal“ zu einem der Kernanlie-
gen ihrer Amtszeit erklärt – jenen Slogan
also, mit dem die Europäischen Grünen
schon 2009 in den Wahlkampf gezogen wa-
ren. Kein Problem für Bütikofer: „Ich glau-
be, wenn man eine gute Idee hat, muss
man sie teilen wollen“, sagt er. Auch Frasso-
ni glaubt: „Wir Grünen müssen noch sehr
viel erreichen, bis wir überflüssig werden.“
Für Frassonis und Bütikofers Nachfolge
gibt es nur zwei Kandidaten: die Belgierin
Evelyne Huytebroeck und den Österrei-
cher Thomas Waitz. Man tut wohl beiden
kein Unrecht, wenn man feststellt, dass sie
außerhalb ihrer Heimatländer unbekannt
sind. Doch das gilt auch für die Chefs der
europäischen Parteien der Christ- oder So-
zialdemokraten: den Franzosen Joseph
Daul, den Bulgaren Sergei Stanischew.
Bütikofer jedenfalls ist überzeugt, dass
die europäischen Parteien wichtiger und
ihr Führungspersonal dadurch an Bedeu-
tung gewinnen werden. Früher sei das an-
ders gewesen: „Jahrelang sah man ja schon
blöd aus, wenn man nur vorgeschlagen
hat, dass auf den Wahlzetteln zur Europa-
wahl vielleicht neben dem Logo der natio-
nalen Partei auch das Logo der jeweiligen
europäischen Partei stehen sollte.“
karoline m. beisel, matthias kolb

 Ein Interview mit dem Grünen-Chef
lesen Sie unter sz.de/buetikofer

Für Małgorzata Tracz, Co-Vorsitzende der
polnischen Grünen,war der 13. Oktober ein
Jubeltag. Zum ersten Mal überhaupt zogen
die Grünen ins polnische Parlament ein. Künf-
tig wollen Tracz und ihre zwei Abgeordneten-
kollegen Urszula Zielinska und Tomasz
Aniśko gegen Klimawandel kämpfen und
sich um sauberere Luft in Polens smogver-
seuchten Großstädten kümmern. Der Ein-
zug ins Parlament war freilich nur huckepack
möglich, in einem Wahlbündnis mit der kon-
servativen „Bürgerplattform“. Allein hätten
die Grünen keine Chance gehabt. Beim Test-
lauf, den Lokalwahlen im Herbst 2018, stell-
ten die Grünen erstmals im ganzen Land Kan-
didaten auf – bekamen aber nur 1,15 Prozent
der Stimmen.
Neidvoll blicken Polens Grüne auf ihre deut-
schen Parteifreunde. Wie in anderen Ost-
blockländern gab es in Polen Ende der 60er
Jahre keine breite Aufbruch- und Protest-
stimmung, welche die Grundlage für eine li-
beralere Gesellschaft und den Aufstieg der
deutschen Grünen legte. Polens Dissidenten
waren mit dem Kampf gegen das kommunis-
tische Regime beschäftigt. Nach 1989 inter-
essierte Regierende und Regierte erst die
Rettung vor dem wirtschaftlichen Kollaps,
später, nach Beginn des polnischen Booms,
die Aufholjagd um persönlichen Wohlstand.

Erst 2004 wurden die polnischen Grünen ge-
gründet. Doch es fehlten charismatische
Führungspersonen; gesellschaftlich liberale
Positionen für ein gelockertes Abtreibungs-
recht oder die Gleichberechtigung für Homo-
sexuelle wurden auch von Polens linken Par-
teien gepflegt. Umfragen zufolge machen
sich auch über zwei Drittel der Polen Sorgen
um die Umwelt – nennenswerte Unterstüt-
zung für die Grünen an der Wahlurne resul-
tiert daraus bisher freilich nicht. Parteivorsit-
zende Tracz reflektierte selbstkritisch, mit
zu wissenschaftlich klingenden Formulierun-
gen hätten die Grünen den Polen lange nicht
deutlich gemacht, wofür sie eigentlich ste-
hen.
So gingen die Grünen vor der Oktober-Wahl
einen Pakt mit der „Bürgerkoalition“ ein –
und schrieben eine ganze Passage zur Um-
weltpolitik ins Programm. Im Parlament wol-
len sie für einen allmählichen Ausstieg aus
der Kohle werben und den gleichzeitigen Um-
stieg etwa auf Sonnenenergie als Jobpro-
gramm für zu entlassende Bergleute vermit-
teln. Auch freuen sich die Grünen über nun
umgerechnet 70 000 Euro staatliche Partei-
enfinanzierung jährlich, die es erstmals er-
lauben wird, einige Mitarbeiter einzustellen
und für die „grüne Welle“ zu werben, die
Tracz auch in Polen erhofft. FLORIAN HASSEL

München– Iranhat wieder damit begon-
nen, gasförmiges Uranhexafluorid in Zen-
trifugen seiner Anreicherungsanlage in
Fordow einzuleiten. Den Schritt hatte Tehe-
ran zwar der Internationalen Atomenergie-
behörde (IAEA) gemeldet, die Inspektoren
zur Überwachung entsenden sollte. Den-
noch ist diese vierte Phase im Abrücken
Irans vom Atomabkommen besonders pro-
vokativ, auch wenn sie, wie Irans Präsident
Hassan Rohani sagte, rückgängig zu ma-
chen wäre. Frankreichs Präsident Emma-
nuel Macron, der in den vergangenen Mo-
naten versucht hatte, zwischen den USA
und Iran zu vermitteln, deutete an, dass
Konsequenzen folgen könnten: „Ich den-
ke, dass Iran zum ersten Mal ausdrücklich
und unverblümt beschlossen hat, das
Atomabkommen zu verlassen, was eine
tiefgreifende Veränderung darstellt.“

Eine gemeinsame Stellungnahme der
E3, also Frankreichs, Großbritanniens und
Deutschlands, lag am Mittwoch zunächst
nicht vor. Bislang haben die Hauptstädte
dafür immer die Berichte der IAEA abge-
wartet. Macron stellte aber zumindest of-
fen infrage, ob die Europäer weiter mit blo-
ßem Schulterzucken reagieren können.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mo-
gherini hatte zuvor noch die bislang ver-
wendete Standardformel bemüht, Iran
müsse zur Einhaltung aller Vorschriften
des Atomabkommens zurückkehren.
Iran hatte die Anlage in Fordow, die tief
in einem Bunker unter einem Berg liegt,
heimlich errichtet und die IAEA erst davon
informiert, nachdem westliche Geheim-
dienste sie schon enttarnt hatten. Das ver-
stärkte den Verdacht, dass das Regime an
der Entwicklung von Atomwaffen arbeite-
te und versuchte, sich unentdeckt spaltba-
res Material dafür zu verschaffen.
Nach dem Atomabkommen darf Iran in
Fordow bis 2030 kein Uran anreichern,
nun sollen bis Samstag alle 1044 dort in-
stallierten Zentrifugen wieder hochgefah-
ren werden. Teheran verlangt von den Eu-
ropäern, sie müssten Iran ungeachtet der
US-Sanktionen Ölexporte ermöglichen. So-
lange dies nicht geschehe, werde man nach
und nach Verpflichtungen aus dem Abkom-
men nicht umsetzen. Macron hatte vorge-
schlagen, Iran eine Kreditlinie von 15 Milli-
arden Dollar zu gewähren und hatte zu-
gleich vergeblich versucht, US-Präsident
Donald Trump zu überzeugen, Ausnahme-
genehmigungen von den Ölsanktionen zu
erteilen. Er scheiterte dann auch am Ver-
such, während der UN-Generalversamm-
lung in New York Ende September ein Tref-
fen oder zumindest ein Telefonat zwischen
Trump und Rohani zu organisieren.
Seither beraten die Europäer über ihr
weiteres Vorgehen. Irans jüngster Schritt
setzt sie stark unter Druck. Zudem hatte
Irans Oberster Führer Ali Khamenei jüngst
Verhandlungen mit den USA ausgeschlos-
sen und Macrons Initiative damit zurück-
gewiesen. Selbst Russlands Außenminis-
ter Sergej Lawrow bezeichnete Iran jüngs-
ten Schritt als äußerst alarmierend. Die
USA sprachen von „nuklearer Erpres-
sung“. paul-anton krüger  Seite 4

von cornelius pollmer

Leipzig– Die Debatten um seinen politi-
schenKurs kann Mike Mohring jetzt auch
an Zahlen ablesen, sie lauten 14 und 21. Am
Mittwoch ist der Landesvorsitzende Moh-
ring als Chef der CDU-Fraktion wiederge-
wählt worden, 14 der 21 Mitglieder und da-
mit nur zwei Drittel stimmten für ihn.
Nach der Landtagswahl 2014 war Mohring
noch einstimmig gewählt worden.
In dem Wahlergebnis spiegelt sich min-
destens die Unruhe wider, welche die CDU
in Erfurt, aber auch in der Bundesspitze er-
fasst hat in der Frage, ob es nach dem en-
gen Wahlausgang in Thüringen in welcher
Weise auch immer eine Zusammenarbeit
mit der AfD geben könne. Der Thüringer
Landesvorsitzende der AfD, Björn Höcke,
bot am Mittwoch der CDU demonstrativ ei-
ne solche Kooperation an. In einem Schrei-
ben an die Landesvorsitzenden von CDU
und FDP schlug Höcke vor, „gemeinsam
über neue Formen der Zusammenarbeit
ins Gespräch zu kommen“. Konkret zog Hö-
cke die Tolerierung einer CDU-FDP-Min-
derheitsregierung durch seine Fraktion
vor sowie eine „von unseren Parteien ge-
meinsam getragene Expertenregierung“.
Nach seiner Wiederwahl lehnte Mohring
dieses Angebot ab. Die CDU strebe weder

eine Koalition mit der Linken oder der AfD
an, noch eine andere Form der Zusammen-
arbeit mit den beiden Parteien. Auch eine
„Grauzone dazwischen“ werde es nicht ge-
ben, sagte Mohring.
In sehr deutlichen Worten schloss auch
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak eben-
falls am Mittwoch erneut jegliche Zusam-
menarbeit mit der AfD aus. „Höcke ist für
mich ein Nazi und die AfD mit ihm auf dem
Weg zur NPD 2.0“, schrieb Ziemiak in ei-
nem Gastbeitrag für denSpiegel. Für ihn
sei klar, dass es im Verhältnis zwischen sei-
ner Partei und der AfD „nur klare Kante
und schärfste Abgrenzung geben kann“.

Genau diese scharfe Kante war von Be-
obachtern wie Vertretern der CDU selbst
zuletzt vermisst worden. 17 Mitglieder der
Partei, darunter ein Abgeordneter des
Landtags, hatten zuletzt in einem Appell
„ergebnisoffene Gespräche“ auch mit Lin-
ker und AfD eingefordert. Wenngleich das
Papier auch den Satz enthalten hatte, dass
Koalitionen mit diesen beiden Parteien
„unmöglich“ seien, war der Aufruf vor al-

lem als Wunsch einer Öffnung der CDU
nach rechts verstanden worden.
Bis zu seiner Wiederwahl als Fraktions-
vorsitzender hatte Mohring nicht öffent-
lich auf das Schreiben reagiert. Möglicher-
weise, weil er vor genau dieser Wahl keine
Konflikte in der Partei hatte suchen wollen
und möglicherweise auch, weil Mohring
nicht jeden Tag neu seine Position zur AfD
erläutern möchte. Am Mittwoch sagte er,
die Mitglieder seiner Partei hätten das
Recht, ihre Meinung zu äußern. Niemand
sei deshalb irre, gegen eine solche respekt-
lose Äußerung verwahre er sich, sagte Moh-
ring und nahm damit Bezug auf Ziemiak,
der die Forderung der 17 als genau das be-
zeichnet hatte: irre.
Die Landeschefin der Linken, Susanne
Hennig-Wellsow, kritisierte das Agieren
Mohrings der vergangenen Tage. Sein Kal-
kül sei derzeit überhaupt nicht erkennbar,
„und mit einer führungslosen CDU auch
nur zu reden, gestaltet sich schon schwie-
rig“. Die Linke selbst befindet sich gerade
in Gesprächen mit den bisherigen Regie-
rungspartnern SPD und Grüne. Dieses
Bündnis hat im neuen Thüringer Landtag
wie alle anderen denklogischen Verbindun-
gen auch keine eigene Mehrheit. Der Über-
legung von Mohring, die CDU könne mit
FDP, SPD und Grünen an Linker und AfD

vorbei ein „Bündnis der Mitte“ bilden, gibt
Hennig-Wellsow keine Chance. Davon ab-
gesehen, dass auch ein solches Viererbünd-
nis keine Mehrheit im Landtag hätte, sagte
sie: „Unsere beiden Partner werden expli-
zit nicht von der Fahne gehen, das ist aus
meiner Sicht glasklar so.“ Hennig-Wellsow
kann sich allerdings neue Formen der Zu-
sammenarbeit zwischen allen gewählten
Parteien außer der AfD vorstellen. Denk-
bar sei etwa, „dass diese Parteien eine Art
Zukunftsvertrag für Thüringen abschlie-
ßen, das könnte ein Hebel für eine inhaltli-
che Zusammenarbeit sein“.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen,
Dirk Adams, regte an, sich von der reinen
Fokussierung auf Mehrheiten zu verab-
schieden. Ähnlich wie bei der Bildung der
ersten von der Linkspartei geführten Re-
gierung vor fünf Jahren, gelte es in Thürin-
gen jetzt abermals, Neuland zu betreten.
Die Zeit, „in der Koalitionsverhandlungen
vor allem Phasen des Machtausübens wa-
ren“, sei vorbei. Für die Grünen sei es Zeit
für „eine Politik der offenen Tür, des wei-
ßen Blattes, der offenen Konstellation“.
Ein Zusammengehen der Grünen mit CDU,
SPD und FDP sieht Adams ebenfalls sehr
kritisch. Auch weil seine Partei sich in kei-
nem Fall von Stimmen der AfD abhängig
machen werde.

Viele Umweltsorgen, wenige Wähler


Santiago deChile –Nach wochenlan-
gen Protesten und Ausschreitungen mit
bislang rund 20 Todesopfern will die
chilenische Regierung den Mindestlohn
anheben. Präsident Sebastián Piñera
unterzeichnete am Mittwoch einen
Gesetzesentwurf, nach dem der Min-
destlohn von 301 000 auf 350 000 Pe-
sos (427 Euro) angehoben werden soll.
„Wir antworten mit Taten und nicht nur
mit guten Vorsätzen auf die Forderun-
gen der Menschen“, sagte der konserva-


tive Staatschef (FOTO: AFP). Rund 540 000
Menschen könnten von der Erhöhung
profitieren, die über staatliche Lohnzu-
schüsse finanziert werden soll. Seit
Wochen demonstrieren in Chile zahlrei-
che Menschen gegen die hohen Lebens-
haltungskosten und die soziale Un-
gleichheit. Auslöser der Proteste war
eine geplante Erhöhung der Nahver-
kehrspreise. Im reichsten Land der
Region gibt es hohe Einkommensunter-
schiede; vor allem die Bildungsangebo-
te und die Gesundheitsversorgung sind
sehr teuer. dpa


Irre oder nicht irre


Thüringen bleibt turbulent: Mike Mohring wird mit nur mäßiger Zustimmung Fraktionschef der CDU und muss sich
Avancen von rechtsaußen erwehren. Doch die Debatte um den Umgang mit der AfD treibt seine Partei weiter um

Berlin– Die Bundesregierung will Geist-
liche aus dem Ausland nur mit ausrei-
chenden Deutschkenntnissen in
Deutschland arbeiten lassen. Ein Spre-
cher des Bundesinnenministeriums
bestätigte am Mittwoch in Berlin, dass
das Kabinett eine entsprechende Ände-
rung der Aufenthalts- und Beschäfti-
gungsverordnung beschlossen hat. Die
Beschäftigungsverordnung sieht für ein
Visum „vorwiegend aus karitativen
oder religiösen Gründen“ bislang keine
Bedingungen vor. Das würde sich än-
dern und nicht nur muslimische Ge-
meinden, sondern alle Religionsgemein-
schaften betreffen. Viele Imame in deut-
schen Moscheen stammen aus dem
Ausland. Der größte deutsche Moschee-
Verband Ditib etwa beschäftigt vorwie-
gend Imame aus der Türkei.epd


Berlin– Norbert Walter-Borjans, Kandi-
dat für den SPD-Vorsitz, rät seiner Par-
tei davon ab, in ihrer jetzigen Verfas-
sung einen Kanzlerkandidaten zu kü-
ren. „Ich glaube, ich würde erst mal
dafür werben, dass wir einen Spitzen-
kandidaten aufstellen“, sagte Walter-
Borjans in einem Interview beiSpiegel
Online. Er glaube nicht, „dass wir im
Augenblick an dieser Stelle wären, ei-
nen Kanzlerkandidaten aufzustellen“,
sagte der frühere NRW-Finanzminister.
Bislang zog die SPD immer mit einem
offiziellen Kanzlerkandidaten in einen
Bundestagswahlkampf, kleinere Partei-
en dagegen treten traditionell eher mit
Spitzenkandidaten an. Walter-Borjans
Konkurrent um den SPD-Vorsitz, Vize-
kanzler Olaf Scholz, untermauerte im
gleichen Interview seine Ambitionen
auf eine Kanzlerkandidatur. Erst ein-
mal gehe es um den Parteivorsitz. Wal-
ter-Borjans betonte dagegen, es müsse
„nicht zwingend“ einer der Vorsitzen-
den als Nummer eins in den Wahl-
kampf ziehen. dpa


Tel Aviv– Die deutsche Regierung kriti-
siert den Ausbau von Siedlungen im
Westjordanland. Die Regierung betrach-
te „den Siedlungsbau in den palästinen-
sischen Gebieten als völkerrechtswidrig
und ein Haupthindernis für die Möglich-
keit einer zwischen Israel und den Paläs-
tinensern zu verhandelnden Zwei-Staa-
ten-Lösung. Sie ruft dazu auf, alle
Schritte zu unterlassen, die eine Zwei-
Staaten-Lösung weiter erschweren“,
hieß es in einer Stellungnahme. Die
oberste Planungsbehörde Israels hat
den Bau weiterer 2300 Wohnungen
gebilligt. Seit Jahresbeginn wurden für
8337 Wohnungen in Siedlungen Geneh-
migungen erteilt. Das ist ein starker
Anstieg: Im gesamten Vorjahr waren es
5618 Wohnungen. afs


Ankara– Die Türkei hat eine Frau des
toten Chefs der Terrormiliz Islamischer
Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, festge-
nommen. Das teilte der türkische Präsi-
dent Recep Tayyip Erdoğan am Mitt-
woch mit. Anfang der Woche setzten
türkische Kräfte die ältere Schwester
Al-Bagdadis in Nordsyrien fest und
bezeichneten dies als „Goldgrube“ für
die Geheimdienste und etwaige neue
Erkenntnisse über den IS. Ende Okto-
ber hatte sich Al-Bagdadi nach amerika-
nischen Angaben bei einem US-Einsatz
in der syrischen Provinz Idlib in die Luft
gejagt. Der IS ernannte den wenig be-
kannten Abu Ibrahim al-Haschimi zum
Nachfolger. „Wir haben seine Frau ge-
schnappt, aber wir haben keine große
Sache daraus gemacht“, sagte Erdoğan.
Er kritisierte die USA für die „Kommuni-
kationskampagne“ nach Al-Bagdadis
Tod. Wann und wie die Frau festgenom-
men wurde, sagte Erdoğan nicht.ap


Europa soll trotz US-Sanktionen
den Export von Öl ermöglichen

6 HMG (^) POLITIK Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 DEFGH
Wenig Grün-Flächen auf dem Land
In Europa kann die Öko-Partei mit dem Erfolg in Deutschland noch nicht mithalten. Vor dem Treffen in Tampere fordert Parteichef Bütikofer eine neue Strategie
Chiles Regierung lenkt ein
Iran beginnt
Uran-Anreicherung
Teheran provoziert mit weiterem
Verstoß gegen Atom-Abkommen
Fast alles offen im Thüringer Landtag: Mike Mohring hat zwar den Posten als CDU-Fraktionschef sicher, wer aber mit wem regiert, ist weiterhin ungeklärt. Mohring
schließtjedenfalls eine Zusammenarbeit mit Linker und AfD aus. FOTO: JACOB SCHRÖTER/IMAGO
Warnt vor den Nationalisten: Reinhard Bütikofer, der nach sieben Jahren als Ko-Vor-
sitzender der Europäischen Grünen nun aufhört. FOTO: JAN WOITA/PICTURE ALLIANCE/DPA
Die Linke denkt an neue Formen
der Zusammenarbeit zwischen
allen Parteien außer der AfD
Deutsch-Pflicht für Imame
SPD ohne Kanzlerkandidat
Berlin kritisiert Siedlungsbau
Frau al-Bagdadis festgesetzt
KURZ GEMELDET

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