Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.11.2019

(Greg DeLong) #1
hw./hena. BERLIN/SCHANGHAI.
Darf Huawei mitmachen, oder ist die Ge-
fahr durch mögliche Hintertürchen für
chinesische Geheimdienste zu groß? Um
diese Frage ist eine Zitateschlacht ent-
brannt: Nachdem eine Aussage der Bun-
desverteidigungsministerin und CDU-
Vorsitzenden Annegret Kramp-Karren-
bauer als Absage an den Anbieter gewer-
tet wurde, hat am Mittwoch das Bundes-
amt für Verfassungsschutz nachgelegt:
Huawei sei wie andere „den Regulierun-
gen des chinesischen Sicherheitsgesetzes
unterworfen“ und müsse deshalb Daten-
zugänge gewähren, sagte der Vizepräsi-
dent des Amtes, Michael Niemeier, in Ber-
lin, das „ist ein erhebliches Problem“.
Die Verteidigungsministerin hatte über
Twitter den warnenden Aspekt betont:
„Digitale Souveränität und der Schutz un-
serer Kommunikationsinfrastruktur“ hät-
ten „höchste Priorität“. Dass Hersteller
staatlichem Einfluss ausgesetzt sind,
schaffe „kein Vertrauen für die Zusam-
menarbeit – erst recht nicht in sensiblen
und sicherheitsrelevanten Bereichen“.
Kramp-Karrenbauers Aussagen waren
teils als Distanzierung von der Linie der
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
gewertet worden. Ein Sprecher des Bun-
desverteidigungsministeriums wiederhol-
te daher die komplette Aussage Kramp-
Karrenbauers: Diese habe gesagt,
Deutschland definiere Sicherheitsstan-
dards und entscheide dann, ob diese er-
füllt seien. „Sind sie es nicht, müssen wir

gegebenenfalls nachdenken, ob man Hua-
wei ausschließt.“ Das wäre in etwa die Li-
nie der Bundeskanzlerin. Deutsche Behör-
den senden inzwischen täglich gemischte
Signale Richtung Asien: Vor Kramp-Kar-
renbauer hatte Bundesaußenminister Hei-

ko Maas (SPD) sich mahnend geäußert.
Huawei sei „ein Unternehmen, das durch
gesetzliche Bestimmungen, die es in Chi-
na gibt, vom Staat abhängig ist und dem
Staat Informationen durchleiten muss“,
hatte der Minister dem „Redaktionsnetz-
werk Deutschland“ gesagt. Der Bundes-
nachrichtendienst ließ verlauten, die In-
frastruktur sei „kein tauglicher Gegen-
stand für einen Konzern, dem man nicht
voll vertrauen kann“. Die Bundesnetz-
agentur wiederum verlangt Anbietern
eine Erklärung der Vertrauenswürdigkeit
ab – mehr jedoch nicht.
Regierungssprecher Steffen Seibert war
am Mittwoch sichtlich bemüht, die diver-
sen Stellungnahmen zu integrieren: Er be-
tonte, man nehme Erkenntnisse des Bun-
desnachrichtendienstes ernst und fälle
eine Entscheidung „nach sorgfältiger Ab-
wägung aller Aspekte“, schließe aber kei-
nen Anbieter von vornherein aus. Huawei
verstärkt unterdessen sein Werben:
„Deutschland möchte, dass mehrere Anbie-
ter ihr System aufbauen, und ich denke,
das ist ein guter Weg“, sagte Huawei-Grün-
der Ren Zhengfei. Deutschland werde als
souveräner Staat „volle Kontrolle über die
eigenen Daten“ haben. „Es ist wie eine
Mauer, in der Ziegelsteine aus China, Zie-
gelsteine aus Japan und Ziegelsteine aus
anderen Ländern verbaut werden“, sagte
Ren, „dann mag man durch eine durchkom-
men, aber nicht durch alle – ich denke, das
ist eine sehr gute Entscheidung im Interes-
se des Landes und seiner Bevölkerung“.

itz.WIEN. Noch stemmt sich Osteuro-
pa gegen die Wachstumsschwäche in
der Welt und vor allem beim wichtigs-
ten Wirtschaftspartner Deutschland.
Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis
die Konjunktursorgen im Westen den
gesamten Erdteil erfassen. Zu diesem
Ergebnis kommt die Herbstprognose
des Wiener Instituts für Internationale
Wirtschaftsvergleiche WIIW. Der Groß-
teil der 23 untersuchten Länder habe
das schwächste Wachstum der Weltwirt-
schaft seit der Krise von 2008 gut über-
standen, heißt es in der Studie. „Doch
es ist so gut wie sicher, dass der Ab-
schwung auch Osteuropa erreicht.“ Ge-
fährlich sei, dass sich die deutsche In-
dustrieproduktion auf dem niedrigsten
Stand seit der Krise befinde. Das treffe
vor allem die eng vernetzten Länder Po-
len, Ungarn, Tschechien, die Slowakei,
Rumänien, Nord-Mazedonien und Ser-
bien: „Die Überspezialisierung auf die
Autoproduktion stellt ein Zukunftsrisi-
ko dar.“ Der Untersuchung zufolge
wächst das osteuropäische Bruttoin-
landsprodukt im laufenden Jahr noch
immer doppelt so stark wie in Westeuro-
pa, nämlich um real 3 Prozent. Die Zu-
nahme hat den Zenit von 2017 und
2018 aber überschritten und schwächt
sich immer weiter ab. Für fast die Hälf-
te der Staaten hat das WIIW seine Pro-
gnosen 2020 und 2021 gesenkt.
Am stärksten expandieren dürften –
von niedrigem Niveau aus – das Koso-
vo, Albanien und Moldawien, am ge-
ringsten Russland und Weißrussland.
Die Türkei sollte nach einer Schrump-
fung im laufenden Jahr 2020 und 2021
wieder um mehr als 3 Prozent zulegen.
Die elf östlichen EU-Länder, von de-
nen fünf den Euro eingeführt haben,
könnten zusätzlich unter dem Brexit
und unter sinkenden Transfers aus Brüs-
sel leiden.

A

n die 850 000 Menschen wer-
den in Deutschland stationär
gepflegt. Dafür stehen nach
Zählung des Bundesgesund-
heitsministeriums mehr als 11 200 Heime
mit einer Vollzeitversorgung bereit. Doch
die Heime und ihre oft privaten Betreiber
sind in der letzten Zeit immer wieder un-
ter einen hässlichen Verdacht geraten: An-
geblich machen sie sich an ihren Kunden
die Taschen voll. Hohe Verkaufspreise für
die wenigen börsennotierten Heimbetrei-
ber waren ein Grund für Forderungen, in
dem strikt regulierten Pflegemarkt nicht
nur Zimmergrößen und Kosten zu regulie-
ren, sondern auch Gewinne. In Öster-
reich, im Burgenland, übt man das schon:
Dort dürfen Betreiber demnächst über-
haupt kein Geld mehr an der Versorgung
von Pflegepatienten verdienen.
Doch es bedarf offensichtlich keiner
weiteren politischen Eingriffe, um die
Lage deutscher Heimbetreiber zu ver-
schlechtern. Sie haben schon in den Jah-

ren 2015 bis 2017 ihre Ergebnisse redu-
ziert. Zu dem Ergebnis kommen das re-
nommierte Essener Institut RWI und an-
dere Forscher im „Pflegeheim Rating Re-
port 2020“. Er beruht auf einer Stichpro-
be von 370 untersuchten Jahresabschlüs-
sen, das sind 13 Prozent des Marktes.
Zwar halten die Gutachter die wirt-
schaftliche Lage der Heime für „weiter-
hin relativ gut“, doch früher war sie bes-
ser. Im Jahr 2017 hätte sich etwa jedes 25.
Pflegeheim im „roten Bereich“ einer er-
höhten Insolvenzgefahr befunden. Drei
Viertel aller Heime seien wirtschaftlich
stabil, aber für immerhin beinahe jedes
fünfte geben die Gutachter kein „Grün“,
sondern nur „Gelb“ für erhöhte Gefahr.
Mit einer Insolvenzwahrscheinlichkeit
von 0,61 Prozent sei ihre Lage besser als
die der Kliniken. Doch das hilft den Heim-
betreibern nicht: Der Anteil derjenigen
unter ihnen, die Verlust machten, verdop-
pelte sich beinahe binnen zwei Jahren
von 14 auf 24 Prozent.
Regional betrachtet, ist die wirtschaftli-
che Lage der Heime in Sachsen-Anhalt/
Thüringen, Nordrhein-Westfalen und
Sachsen am besten, hingegen in Rhein-
land-Pfalz/Saarland, Schleswig-Holstein/
Hamburg und Bayern am schlechtesten.
Heime in Landkreisen mit einer hohen
Auslastung schnitten in der RWI-Auswer-
tung etwas besser ab als in anderen Krei-
sen. Gleiches gilt für Kreise, in denen es
viele Bewohner mit den höchsten Pflege-
graden 4 oder 5 gibt, die damit die höchs-
ten Hilfen der Versicherung bekommen.
Offenbar fruchten zusätzliche Anreize
der Politik für eine lange Betreuung der
Pflegepatienten zu Hause. So stieg der An-
teil der ambulant versorgten Pflegepatien-
ten zwischen 1999 und 2017 von 20,6 auf

24,3 Prozent. Die Forscher sehen in die-
ser „Ambulantisierung“ einen längerfristi-
gen Trend. Doch auch die Zahl stationär
betreuter Pflegepatienten stieg seit 2019
um die Hälfte auf zuletzt 850 000.
In der Branche hält der Trend zur Priva-
tisierung an. Der Anteil der von privat be-
triebenen Einrichtungen versorgten Pfle-
gebedürftigen wuchs seit 1999 um die
Hälfte auf knapp 39 Prozent an. In der am-
bulanten Versorgung decken die privaten
Anbieter schon mehr als die Hälfte der
Nachfrage. Die Heimunternehmer haben
auch auf die steigende Nachfrage reagiert
und die Zahl der Plätze in privater Träger-
schaft seit 1999 mehr als verdoppelt (plus
127 Prozent).

Private arbeiten günstiger
Laut der Untersuchung arbeiten die priva-
ten Anbieter kostengünstiger als die Kon-
kurrenz staatlicher Einrichtungen oder je-
der der freien Wohlfahrtspflege wie der
AWO, der Caritas, des Diakonischen
Werks oder des Paritätischen Wohlfahrts-
verbands. Einschließlich des Anteils der
Investitionskosten hätten die Privaten
mit ihren Preisforderungen den westdeut-
schen Schnitt um 7 Prozent unterschrit-
ten. Die Studie belegt den gravierenden
Personalmangel in der Pflege. Zwar habe
sich die Zahl der Vollzeitkräfte in Heimen
und ambulanten Diensten in den Jahren
von 1999 bis 2017 um 348 000 erhöht,
dennoch habe die Zahl der im Juli 2019
gemeldeten offenen Stellen in Heimen
mehr als doppelt so hoch wie im Juli 2009
gelegen.
Für die nächsten Jahre erwarten die
Forscher eine steigende Zahl von Pflege-
bedürftigen. Bei einem unveränderten
Verhältnis von Pflegepatienten in der je-

weiligen Altersgruppe werde deren Zahl
bis zum Jahr 2030 allein in Deutschland
nochmals um knapp eine halbe Million
auf 4,4 Millionen steigen. Im Jahre 2040
sei dann mit fünf Millionen zu rechnen.
Um die Nachfrage zu decken, muss in-
vestiert werden, in Plätze und Personal.
Allein 378 000 stationäre Pflegeplätze
müssten bis 2040 hinzukommen und be-
stehende modernisiert werden. „Die er-
forderlichen Neu- und Re-Investitionen
beliefen sich auf 109 Milliarden Euro.“
Nötig wird mehr Personal, das schon heu-
te nicht vorhanden ist. Bis 2040 sei mit
184 000 bis 396 000 zusätzlichen Vollzeit-
kräften in der stationären Pflege zu rech-
nen. In der ambulanten Pflege kämen
nochmals 107 000 bis 209 000 hinzu.
Von „großen Herausforderungen“
spricht RWI-Gesundheitsexpertin Dörte
Heger deshalb: „Die steigende Zahl an
Pflegebedürftigen erfordert mehr Perso-
nal und Kapital.“ Um durch höhere Kos-
ten nicht die Insolvenzgefahr der Pflege-
anbieter zu erhöhen, müssten die Preise
für Pflegeleistungen und damit die Belas-
tung der Pflegebedürftigen steigen. Ob
die Beitragszahler weiter belastet werden
könnten, hänge von der Abgabenlast mit
Steuern und Sozialabgaben ab. Auch müs-
se der wachsende Kapitalbedarf gedeckt
werden. Neben öffentlichem und freige-
meinnützigem Kapital werde hierfür
auch privates Kapital benötigt. „Die Poli-
tik sollte daher die Regulierungsdichte re-
duzieren und die unternehmerische Hand-
lungsfreiheit ausweiten.“ Vorgaben zur
Heimgröße oder zum Anteil der Ein-Bett-
Zimmer seien überflüssig, schreiben die
Experten. Wichtig sei vielmehr, „dass es
ein ausreichend großes Angebot an Ein-
richtungen gibt, die miteinander in einem
Preis- und Qualitätswettbewerb stehen“.

Düsterer Alltag: Bewohnerin eines Pflegeheims in der Nähe von Kassel Foto Frank Röth


Diese Kameras von Huawei dienen
offiziell der Überwachung. Foto AP

niza. FRANKFURT. Trotz Kritik der
Wirtschaftsweisen an der schwarzen
Null sieht die Bundesregierung keine
Notwendigkeit, ihren rigorosen Ver-
zicht auf neue Schulden zu überdenken.
Das machte Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) am Mittwoch deutlich,
als sie das Jahresgutachten ihres wich-
tigsten wirtschaftspolitischen Berater-
gremiums entgegennahm. Wie die
F.A.Z. vorab berichtet hatte, erkennen
die fünf Wirtschaftsweisen den Sinn
der schwarzen Null in Zeiten von Über-
auslastung an, halten diese in der gegen-
wärtigen Konjunkturflaute jedoch für
potentiell gefährlich. Die Begründung:
Spart der Staat in einer Phase ohnehin
nachlassender wirtschaftlicher Dyna-
mik, drohte er den Abschwung im
schlimmsten Fall sogar zu beschleuni-
gen. Die in der Verfassung verankerte
Schuldenbremse verteidigte der Sach-
verständigenrat dagegen mehrheitlich,
eben weil dieser ein Defizit und somit
konjunkturstabilisierende Spielräume
im Abschwung zulasse. „Wir haben mit
Interesse Ihre Ausführungen über die
Schuldenbremse verfolgt, die uns si-
cherlich Spielräume gibt. Aber Sie sa-
gen auch ganz klar – so verstehe ich es
jedenfalls – ein ausgeglichener Haus-
halt und viele Investitionen sind wich-
tig“, sagte Merkel.
Auf andere Kritikpunkte in dem
mehr als 500 Seiten langen Gutachten
ging Merkel nicht genauer ein. Der For-

derung nach einer Steuerreform konnte
zumindest Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier (CDU) etwas abgewin-
nen. Wie vom Sachverständigenrat ge-
fordert, müsse man „die Rahmenbedin-
gungen für unsere Wirtschaft verbes-
sern“, sagte Altmaier. Das heiße: „Steu-
ern senken, Sozialabgaben bei 40 Pro-
zent begrenzen und weniger Bürokra-
tie“, so Altmaier. Die schwarze Null
hält aber auch er für richtig angesichts
der weiter hohen Steuereinnahmen.
Während der Deutsche Gewerkschafts-
bund den Ruf nach niedrigeren Steuern
und nur maßvoll höheren Staatsausga-
ben zum Anlass nahm, den Wirtschafts-
weisen Rückwärtsgewandheit zu attes-
tieren, forderten Wirtschaftsverbände
zügige Reformen. Nicht nur im Außen-
handel, auch hierzulande sind die Her-
ausforderungen in puncto Infrastruktur
und Energiepolitik laut Deutschem In-
dustrie- und Handelskammertag groß.
Derweil verzeichnete die deutsche In-
dustrie im September ein überraschen-
des Auftragsplus von 1,3 Prozent, wie
das Statistische Bundesamt am Mitt-
woch mitteilte. Dazu trugen jedoch au-
ßergewöhnlich viele Großaufträge bei.
Auch Maschinenbau und Chemieindus-
trie teilten mit, noch nicht die von eini-
gen Ökonomen vermutete Trendwende
erkennen zu können. „Die Situation für
die Chemie ist aktuell nicht einfach“, er-
klärte Hans Van Bylen, Präsident des
Chemieverbands VCI.

Jedes vierte Pflegeheim macht Verlust

ami.BERLIN. Ein Großteil der Luft-
verschmutzung in Hafenstädten
stammt aus dem Dauerbetrieb der
Schiffsdiesel. Denn um ihre Energiezu-
fuhr auch am Liegeplatz zu sichern,
müssen die schweren Dieselmotoren
weiterlaufen. Dagegen gibt es seit lan-
ger Zeit Proteste von Anwohnern und
Umweltverbänden. Sie verlangen, die
elektrische Versorgung der Schiffe im
Hafen durch einen Anschluss an das
Stromnetz an Land zu sichern. Damit
das künftig leichter möglich ist, will
Bundeswirtschaftsminister Peter Alt-
maier (CDU) dafür den Rechtsrahmen
ändern. Eine entsprechende Rechtsän-
derung für den „Landstrombezug in
Seehäfen“ hat das Bundeskabinett am
Mittwoch gebilligt.
Diese sieht vor, dass die Betreiber
des regionalen Stromnetzes in Häfen
eine Netznutzung nicht nur auf Jahres-
oder Monatsbasis, sondern auch auf Ba-
sis eines Tagesleistungspreises anbie-
ten können. Das mache die Nutzung
von Landstrom für die Reeder deutlich
attraktiver. Das Zusatzangebot sei aber
an die Bedingung geknüpft, dass der
Netzbetreiber die Stromversorgung des
Seeschiffes bei Netzengpässen ein-
schränken kann. So besteht im Notfall
Vorfahrt für die Versorgung an Land,
auch weil die Seeschiffe kurzfristig auf
ihre meist dieselbetriebenen bordeige-
nen Stromgeneratoren zurückgreifen
können. Inkrafttreten wird die Verord-
nung aber erst, wenn der Bundesrat zu-
stimmt. Damit wäre die regulatorische
Hürde genommen. Bevor das neue An-
gebot breit genutzt werden kann, müs-
sen aber auch die Häfen mit entspre-
chenden „Dosen“ und die Schiffe mit
„Steckern“ ausgerüstet werden. Bisher
sind nur wenige Schiffe dazu in der
Lage.

Reuters.BERLIN. 96 Prozent aller
deutschen Firmen dringen wegen der
steigenden Zahl an Cyberangriffen
auf Hilfe vom Staat. Laut einer am
Dienstag vorgestellten Studie des IT-
Branchenverbandes Bitkom fordern
sie eine engere Zusammenarbeit mit
den Behörden. Der Staat solle die
Wirtschaft bei Fragen der IT-Sicher-
heit besser unterstützen. Grund ist
ein wachsendes Bedrohungsgefühl:
82 Prozent gehen davon aus, dass die
Zahl der Cyberattacken in den kom-
menden zwei Jahren zunehmen wird.
Bitkom schätzt den Schaden für die
deutsche Wirtschaft durch Sabotage,
Datendiebstahl und Spionage auf
jährlich 102,9 Milliarden Euro. „Staat
und Behörden können Unternehmen
noch besser bei der Gefahrenabwehr
unterstützen, etwa durch ein umfas-
sendes Lagebild und einen besseren
Informationsaustausch“, sagte Bit-
kom-Präsident Achim Berg.
Beim ersten IT-Sicherheitsgesetz
der Bundesregierung hatten Unterneh-
men in Bereichen der kritischen Infra-
struktur noch Vorbehalte gegen zu
enge Kontakte mit dem Staat und eine
Meldepflicht bei schwerwiegenden Cy-
berattacken. Jetzt fordern die Unter-
nehmen aktiv Hilfe ein. 75 Prozent der
befragten Unternehmen geben an, in
den vergangenen beiden Jahren An-
griffen ausgesetzt gewesen zu sein. Für
die Bitkom-Studie wurden 1000 Ge-
schäftsführer und Sicherheitsverant-
wortliche von Unternehmen befragt.

Zitate-Streit um Huawei


Soll das Unternehmen 5G-Ausrüstung liefern? Berlin ist weniger uneins, als es scheint


wmu. BRÜSSEL. Vordergründig
scheint schon alles klar zu sein. Die
Bonner Ökonomin Isabel Schnabel und
der Vizepräsident der italienischen No-
tenbank, Fabio Panetta, sollen zum Jah-
reswechsel in das Direktorium der Euro-
päischen Zentralbank (EZB) einziehen
und dort die zurückgetretene Deutsche
Sabine Lautenschläger und den Franzo-
sen Benoît Cœuré ersetzen. Coeurés
Amtszeit läuft zum Jahresende aus. Für
beide Stellen gibt es jeweils keine weite-
ren Kandidaten. Die Eurogruppe hat
den Italiener schon offiziell für die Co-
euré-Nachfolge nominiert und will an
diesem Donnerstag auch Schnabels No-
minierung beschließen. Anschließend
sollen die EU-Staats- und Regierungs-
chefs auf ihrem Gipfeltreffen im De-
zember die beiden neuen EZB-Mitglie-
der ernennen; diese könnten dann
schon im Januar loslegen.
Das funktioniert aber nur, wenn sich
die anderen Beteiligten an den vorgese-
henen Zeitplan halten. Vor der Ernen-
nung durch die „Chefs“ ist vorgesehen,
dass die Kandidaten vom Europaparla-
ment und dem EZB-Rat angehört wer-
den; diese sollen anschließend zu den
Vorschlägen Stellung beziehen. Wäh-
rend die Anhörung im EZB-Rat keine
Schwierigkeiten aufzuwerfen scheint,
stellt sich das Parlament einstweilen
quer – nicht aus Opposition gegen
Schnabel und Panetta, sondern aus
grundsätzlichen Erwägungen. Der fe-
derführende Wirtschaftsausschuss will

vorerst keine Anhörung terminieren,
weil die Eurogruppe einem alten
Wunsch der Parlamentarier unverän-
dert nicht entspricht. Schon im März
2018 hatten sie gefordert, künftig müss-
ten ihnen die Eurostaaten eine Liste
aus mehreren Kandidaten vorlegen, die
außerdem der Anforderung einer „Ge-
schlechterbalance“ genügen müsse.
Dass diese Balance diesmal insofern
eingehalten wird, als für die beiden Pos-
ten ein Mann und eine Frau vorgeschla-
gen sind, genügt dem Parlament nicht.
Es müsse künftig immer eine Liste von
mehreren Kandidaten vorgelegt wer-
den, fordern die Fraktionssprecher im
federführenden Wirtschaftsausschuss.
Dass die Eurostaaten auf diese Forde-
rung eingehen werden, darf ausge-
schlossen werden. „Das machen wir tra-
ditionell nicht“, sagte ein EU-Diplo-
mat.
Die Parlamentsforderungen spielten
übrigens keine Rolle, als im Sommer
die designierte EZB-Präsidentin Chris-
tine Lagarde zur Anhörung anrücken
musste. Damals forderten die Abgeord-
neten keine Liste, sondern freuten sich
darüber, dass eine Frau an die EZB-Spit-
ze rückt. Lagarde, die in dieser Woche
ihr Amt angetreten hat, will sich kei-
nem geldpolitischen Lager zuordnen
lassen. Sie wolle weder eine „Taube“
noch ein „Falke“ sein, sagte sie der
„Zeit“. Sie hoffe, sie werde „stattdessen
eine Eule sein“. Eulen seien „sehr wei-
se Tiere“.

Ohne privates Kapital


dürfte es bald an


Pflegeplätzen mangeln.


Forscher raten der


Politik, die Heime


weniger zu gängeln.


Von Andreas Mihm,


Berlin


Landstrom


für Schiffe


Angst vor


Cyberattacken


Ansteckung in


Osteuropa?


Merkel verteidigt schwarze Null


Die Kanzlerin widerspricht den Sachverständigen


Isabel Schnabel


muss abwarten


Parlament will EZB-Kandidaten noch nicht anhören


SEITE 18·DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019·NR. 259 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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