Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1

G


egenüber China ist An-
negret Kramp-Karren-
bauer misstrauisch, wie
sie auf der Handelsblatt-
Tagung Cybersecurity
freimütig erzählt. Hinter Huawei ste-
he der chinesische Staat, sagt die
Bundesverteidigungsministerin auf
der Bühne im Gespräch mit Handels-
blatt-Chefredakteur Sven Afhüppe.
Der Beschluss der Bundesregierung,
für den Ausbau der 5G-Mobilfunknet-
ze alle Telekomhersteller zuzulassen
und ihre Vertrauenswürdigkeit über
technische Standards zu sichern, ist
für sie nicht in Stein gemeißelt: Abso-
lute Sicherheit gehe vor, notfalls wer-
de Huawei ausgeschlossen.

Frau Kramp-Karrenbauer, es küm-
mern sich in der Bundesregierung
nicht gerade wenige Stellen um Cy-
bersicherheit in Deutschland. Die
Bundeswehr, das Innenministerium,
der Cyber Innovation Hub, jetzt ent-
stehen zwei Innovationsagenturen
des Bundes. Haben wir nicht zu viele
Köche?
Das Thema Cybersicherheit hat Rele-
vanz. Wenn wir in der Bundeswehr

da Kooperationen mit Start-ups ver-
suchen, etwa mit dem Cyber Innova-
tion Hub, dann will ich zusätzlich
auch in der Forschung vorankom-
men. Deswegen brauchen wir die
Agentur für Sprunginnovationen. Es
ist kein Geheimnis, dass ich mir auch
hätte vorstellen können, das zivil und
militärisch zusammenzufassen. Wich-
tig ist, dass wir die Akteure, die bis-
her unkoordiniert nebeneinanderher
arbeiten, näher zusammenbringen.
Aber es ist richtig, dass wir eher zu
viele als zu wenige Stellen haben, die
sich um Cybersicherheit kümmern.

Was kann die neue Bundeswehr-
Teilstreitkraft Cyber- und Informati-
onsraum denn zur Cyberverteidi-
gung leisten?
Sie schützt die gesamte IT-Infrastruk-
tur, die wir in der Bundeswehr ha-
ben, alle Computer, jede einzelne Da-
tenleitung. Sie kann nachverfolgen
und mit aufklären, woher ein Cyber-
angriff kommt. Denn das ist ja oft die
schwierigste Frage, wem man etwas
zuordnen kann. Sie kann außerdem
unsere eigenen Systeme testen, um
zu schauen, wo wir Schwachstellen

haben. Außerdem ist sie bei Aus-
landseinsätzen dabei, um ganz kon-
kret unsere Soldaten vor Sprengfal-
len zu schützen, die per Funk ausge-
löst werden.

Es gibt 5 500 Angriffe pro Tag auf die
Bundeswehr-IT. Wie viele davon wa-
ren militärisch?
Das ist eine der großen Fragen, die
wir klären müssen: Gibt es so etwas
wie einen Cyberverteidigungsfall? Es
mag ab und an im Netz eindeutig mi-
litärische Angriffe geben. Unterhalb
dessen gibt es aber eine große Grau-
zone; und oft lassen sich innere und
äußere Sicherheit da nicht genau
trennen. Die Angriffe kommen von
sehr unterschiedlichen Stellen. Es
können Staaten sein, es können terro-
ristische Gruppen sein, es kann orga-
nisierte Kriminalität sein. Von all dem
sind auch unsere Netze betroffen.

Gab es denn bereits den Fall, der aus
dem Graubereich herauskam und
klar militärisch war?
Bisher ist kein solcher Fall vorgekom-
men. Während meiner 100-tägigen
Amtszeit nicht und davor meines

Wissens auch nicht.

Haben Sie den Anspruch, dass
Deutschland eine Schlüsselrolle bei
hybrider Kriegsführung in Europa
einnehmen soll?
Wir sind in Europa als eines der
stärksten Länder eine Nation, auf die
andere schauen. In den baltischen
Staaten, in Osteuropa schauen sie auf
uns. Bei den großen Cyberübungen
der Nato schneiden wir gut ab. Aber
wenn in Zukunft das Quantencompu-
ting kommt, dann ist die Sicherheit
unserer Waffensysteme auf einen
Schlag gefährdet. Deshalb forschen
wir intensiv daran, etwa an der Bun-
deswehruniversität München. Da
müssen wir noch nachlegen.

Auch Geld?
Wenn wir darüber reden, die Vertei-
digungsausgaben bis 2024 auf 1,
Prozent und danach weiter auf zwei
Prozent des Bruttoinlandsprodukts
zu erhöhen, dann gehört dazu auch
der Bereich Cyber. Welche Funkgerä-
te, welche Software, welche Satelli-
ten wir beschaffen, ist dabei genauso
wichtig wie neue Flugzeuge, Panzer

Annegret Kramp-Karrenbauer


„Man darf gegenüber China


nicht naiv sein“


Die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende über die Zusammenarbeit mit dem


chinesischen Telekomausrüster Huawei, ihren Streit mit Außenminister Heiko Maas


über die Nordsyrien-Frage und die Zukunft der Großen Koalition.


Dietmar Gust

Was ich gelernt


habe: Die


beliebte


Filmszene ‚Ich


werde


gehackt und


hacke mal


schnell


zurück‘


entspricht


nicht der


Realität.


Cybersicherheit
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
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