Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1

und Fregatten. Bei der Cybersicher-
heit würde es Sinn machen, die neue
EU-Agentur für Rüstung und Welt-
raum zu nutzen, um unsere nationa-
len Fähigkeiten europaweit zusam-
menzulegen.


Und Bayern prescht derweil allein
mit seinen Programmen vor?
Bayern kann ja schon mal vorfliegen
(lacht).


Planen Sie auch Hackbacks?
Was ich gelernt habe: Die beliebte
Filmszene „Ich werde gehackt und
hacke mal schnell zurück“ entspricht
nicht der Realität. Erst muss geklärt
werden: Ist das ein militärischer
Schlag oder Kriminalität? Es muss ge-
klärt werden, wem das eindeutig zu-
rechenbar ist. Das ist schwierig. Erst
dann kann man das Go geben. Aber
es ist eine der Möglichkeiten, die
man im Bereich der Cyberabwehr
hat, aber über die kann man immer
nur auf der Grundlage eines gesicher-
ten rechtlichen Rahmens und nach
einer klaren Entscheidung der Politik
nachdenken.


Wie hoch ist das Risiko, dass die Fal-
schen neue Technologien für Macht-
missbrauch nutzen?
Das ist nicht nur eine theoretische,
sondern eine sehr reale Gefahr. Bei
den Internetgerüchten, dass deut-
sche Soldaten in Litauen Vergewalti-
gungen begehen würden, gibt es eine
Spur, die nach Russland weist. Die
baltischen Staaten erleben Angriffe
auf ihre Infrastruktur jeden Tag. Da-
hinter steckt Machtpolitik. Die politi-
sche Reaktion ist immer, erst einmal
zu reden, also die Diplomatie. Aber
wir müssen auch wehrhaft sein.


Wir debattieren in Deutschland über
den richtigen Umgang mit China.
Was empfehlen Sie in der Bundesre-
gierung zum Umgang mit dem Netz-
ausrüster Huawei, wenn die Aufträge
für den Bau der neuen 5G-Mobil-
funknetze ausgeschrieben werden?
Das ist eine wirklich schwierige Fra-
ge, die uns und viele andere Staaten
umtreibt. Es gibt Staaten, die schlie-
ßen den Konzern direkt vom Anbie-
terverfahren aus. Wir haben gesagt,
wir definieren Sicherheitsstandards
für alle teilnehmenden Unternehmen
und entscheiden dann, ob sie erfüllt
sind. Hinter Huawei allerdings steht
der chinesische Staat, und deshalb
stellen wir uns auch in der Nato die
Frage, was ein zielführendes Vorge-
hen ist.


Das Kanzleramt ist für Sicherheits-
standards, die Unionsfraktion für
den Ausschluss von Huawei. Wo ste-
hen Sie?
Für mich ist entscheidend: Können
wir die Risiken anhand der Sicher-


heitsstandards ausschließen? Wenn
das nicht geht, muss man, wie ande-
re Länder auch, darüber nachden-
ken, Huawei auszuschließen.

Ist Vertrauenswürdigkeit da nur eine
technische oder doch eine politische
Frage?
Es ist beides. Es ist eine technische
Frage, die eine darüber hinausgehen-
de Dimension hat. Die chinesische
Politik ist ja auch im analogen Be-
reich ambivalent. Im Südchinesi-
schen Meer wird die Lage schwieri-
ger, wir reden darüber unter ande-
rem mit den Australiern. Man darf da
nicht naiv sein.

Was ist Ihre Haltung: Müssen wir Si-
cherheitsinteressen über Wirt-
schaftsinteressen stellen?
Wir sind eine Nation, die neben Chi-
na mit die meisten Container per
Schiff transportiert. Als Exportnation
sind wir auf freie Seewege angewie-
sen, da mischen sich Wirtschafts- mit
Sicherheitsinteressen. Seewege müs-
sen geschützt werden, das hat für
mich als Verteidigungsministerin ei-
nen hohen Stellenwert.

Wenn es um den Einsatz militäri-
scher Mittel geht, stehen Sie ja gele-
gentlich im Konflikt mit Ihrem Ko-
alitionspartner. Im Syrienkonflikt
hat Außenminister Heiko Maas Ih-
nen deutlich widersprochen, sogar
im Ausland. Haben Sie sich über
Maas geärgert?
Das hat mich weniger beschäftigt.
Das Verhalten steht auch ein Stück
weit für sich selbst. Mich treibt viel
mehr um, wie es auf lange Sicht wei-
tergeht mit Syrien. Das Sotschi-Ab-
kommen zwischen der Türkei und
Russland kann nicht die Dauerlösung
sein. Man braucht an dieser Stelle
„strategische Geduld“. Für uns Euro-
päer stellt sich doch die Frage, was
mit den Bevölkerungsgruppen pas-
siert, die in Nordsyrien leben. Und
wie stellen wir sicher, dass nicht syri-

sche Flüchtlinge aus der Türkei
zwangsumgesiedelt werden? Auf all
das müssen wir Antworten geben,
auch damit der Verfassungsprozess
weitergehen kann. Mir war es wich-
tig, dass wir Deutschen die Debatte
auch einmal von vorn führen und
uns das auch zumuten.

Sprechen Sie mit Maas darüber?
Wir sind Landsleute, und wir spre-

chen ständig miteinander.

Die „New York Times“ nannte die
Große Koalition eine „Zombie-Koali-
tion“. Ist sie ein Sicherheitsrisiko?
Nein, wir sind keine Zombie-Koaliti-
on. Wir sind zusammen mit Frank-
reich und Großbritannien sehr aktiv
etwa im Versuch, das Atomabkom-
men mit dem Iran weiter zu erhalten.
In den Missionen im Rahmen der
Nato und der UN sind wir einer der
größten Truppensteller, sowohl in Af-
ghanistan als auch in Mali. Und wir
führen die Speerspitze der Nato in Li-
tauen. Wir werden unserer Verant-
wortung gerecht. Ein Sicherheitsrisi-
ko sind wir ganz sicher nicht.

Wenn wir uns in einem Jahr treffen:
Wird es die Koalition noch geben?
Wenn es nach mir geht, gibt es im
nächsten Jahr die Große Koalition
noch.

Als Sie Ihr Amt als Verteidigungsmi-
nisterin angetreten haben: Haben
Sie da alle Passwörter erneuert?
Dafür hat die Bundeswehr gesorgt.

Frau Kramp-Karrenbauer, vielen
Dank für das Interview.

Verteidigungsminis-
terin Annegret
Kramp- Karrenbauer
und Handelsblatt-
Chefredakteur Sven
Afhüppe: Wie kann
sich die Bundeswehr
vor Cyberan griffen
Dietmar Gust schützen?

Die CDU-Politikerin ist seit Dezem-
ber 2018 Parteivorsitzende und seit



  1. Juli 2019 Bundesministerin der
    Verteidigung. Sie trat 1981 in die
    Partei ein.


Die 57-Jährige wuchs im saarländi-
schen Püttlingen auf. Sie studierte
Politikwissenschaften und Öffentli-
ches Recht in Trier und Saarbrü-
cken. Seit 1984 ist sie mit dem
Bergbau-Ingenieur Helmut Karren-
bauer verheiratet und hat drei
inzwischen erwachsene Kinder.


Ihre politische Karriere begann sie
als Referentin des damaligen Saar-
CDU-Chefs und Bundesumweltmi-


nisters Klaus Töpfer. 1998 saß sie
kurzzeitig als Nachrückerin für
Töpfer im Bundestag. Ab 1999 war
sie Landtagsabgeordnete im Saar-
land und wurde im Jahr 2000 als
erste Frau in Deutschland Innenmi-
nisterin eines Bundeslandes.

Die Langzeitministerin wechselte
über die Jahre in verschiedene
Ressorts. 2011 wurde sie Minister-
präsidentin des Saarlandes, ließ die
Jamaika-Koalition dort 2012 plat-
zen und gewann die Wahl gegen
Heiko Maas (SPD). Sie regierte das
Saarland bis 2018 und wurde dann
auf Bitten von Kanzlerin Angela
Merkel Generalsekretärin der CDU.

Vita Annegret Kramp-Karrenbauer



      



 
 
  
 



 
 
 

  




  








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Cybersicherheit
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
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