SPIEGEL:Herr Hermann, wann fangen
Sie an, sich Sorgen um einen Spieler zu
machen?
Hermann:Vor allem dann, wenn ich eine
stark negative Veränderung der Persön-
lichkeit oder des Verhaltens der Person
über eine etwas längere Zeit wahrnehme.
SPIEGEL:Am 10. November 2009 beging
Nationaltorwart Robert Enke Suizid. Sie
waren damals schon Teampsychologe der
Nationalelf, haben Sie sich Sorgen um ihn
gemacht?
Hermann:Zunächst nicht, aber als bei ihm
ein undefiniertes Müdigkeitssyndrom fest-
gestellt und in den Medien über eine un-
Das Gespräch führte Redakteur Jörn Meyn in
Dortmund.
bekannte Viruserkrankung spekuliert wur-
de, habe ich angefangen, mir Sorgen zu
machen. Da wusste ich, dass ich nachfra-
gen muss. Und das habe ich getan – An-
fang September 2009.
SPIEGEL:Was ist damals passiert?
Hermann:Robert war aufgrund seines Ge-
sundheitszustands bei den September-Län-
derspielen 2009 nicht im Kader. Ich hatte
ihn aber zu uns in die Sportschule Barsing-
hausen in der Nähe von Hannover eingela-
den und ihm gesagt, dass es durchaus mög-
lich sei, dass hinter einer solchen Müdigkeit
auch eine Depression stecken könnte. Ich
habe ihm angeboten, ihn zu unterstützen
und für ihn den Kontakt zu einem Psycho-
therapeuten herzustellen. Robert aber hat
mir geantwortet, dass ich komplett auf dem
Holzweg sei. Dass er und seine Frau wieder
ein Kind adoptiert hätten. Er sagte: »Das
Leben ist gerade ganz wunderbar.«
SPIEGEL:Heute weiß man, dass er sich
schützen wollte.
Hermann:Ich wollte ihn damals nicht be-
drängen, das hätte auch nicht geholfen. Es
war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen
habe.
SPIEGEL:Wie haben Sie von seinem Tod
erfahren?
Hermann:Wir waren in Bonn mit der Na-
tionalmannschaft und saßen abends beim
Essen. Auf einmal zeigte mir jemand auf
seinem Handy eine Meldung: »Robert
Enke ist tot.« Das war gar nicht vorstellbar.
Oliver Bierhoff hat es dann der Mannschaft
gesagt. Danach war bleiernes Schweigen.
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CATHRIN MÜLLER / MIS
Torwart Enke am 8. November 2009, zwei Tage vor seinem Tod: »Danach war bleiernes Schweigen«
»Wir dürfen den Spitzensport
nicht verniedlichen«
SPIEGEL-GesprächVor zehn Jahren nahm sich Fußballnationaltorhüter Robert Enke das Leben.
Hans-Dieter Hermann, Teampsychologe der Nationalmannschaft, machte sich damals
Vorwürfe. Heute, sagt der 59-Jährige, sei die psychologische Betreuung von Spielern viel besser.