Der Spiegel - 09.11.2019

(Jacob Rumans) #1
28 DER SPIEGEL Nr. 46 / 9. 11. 2019

Attentäter von Halle

»Mein Kampf« auf dem PC


 Bei der Auswertung von Festplatten
des Doppelmörders Stephan Balliet
sind Ermittler auf einschlägiges, natio-
nalsozialistisches Propagandamaterial
gestoßen. Unter anderem entdeckten
die Fahnder Dateien mit Hitler-Bildern,
Hakenkreuzen sowie ein PDF-Doku-
ment mit Hitlers antisemitischer Hetz-
schrift »Mein Kampf«. Daneben fan-
den sich Videos mit drastischen Gewalt-
darstellungen und ein Mitschnitt des
antimuslimischen Massakers von
Christchurch mit 51 Toten. Der 27-jähri-
ge Balliet hatte am 9. Oktober versucht,
während des Jom-Kippur-Gottesdiens-
tes eine Synagoge in Halle (Saale) zu
stürmen, um die dort versammelten
Gläubigen zu töten. Nachdem sein Ver-
such gescheitert war, in das Gotteshaus
einzudringen, erschoss er zwei Men-
schen in der Umgebung und wurde
wenig später verhaftet. Vor dem Ermitt-
lungsrichter bezeichnete er sich selbst
als Versager und Antisemiten. JDL, SRÖ

Pkw-Maut

Teure Schummelei


 Das Bundesverkehrsministerium hat
mehr Kosten für das gescheiterte CSU-
Prestigeprojekt Pkw-Maut angehäuft als
bislang bekannt. Auf Anfrage des FDP-
Verkehrsexperten Oliver Luksic räumte
das Ressort von Andreas Scheuer (CSU)
ein, dass der staatliche Lkw-Mautbetrei-
ber Toll Collect seit dem 1. Januar 2019
Leistungen für die geplante Infrastruktur-
abgabe in Höhe von 727 000 Euro

erbracht habe. Toll Collect sollte dem
Pkw-Mautbetreiber Autoticket unter
anderem seine Mautstellenterminals und
Kontrollbrücken zur Verfügung stellen.
Bis zum EuGH-Urteil vom 18. Juni, das
das Projekt stoppte, liefen die Vorberei-
tungen dazu. Weitere, noch nicht beziffer-
te Kosten entstanden offenbar bei Subun-
ternehmen von Toll Collect, wie interne
Dokumente nahelegen. Die zusätzlichen
Kosten für die Pkw-Maut sind auch des-
halb problematisch, weil der Lkw-Maut-
betreiber an deren Einführung gar nicht
hätte mitwirken dürfen: Der Geschäfts-
zweck ließ diese Tätigkeit nicht zu.
Der Bundesrechnungshof moniert
zudem Vergabeprobleme: Andere, zuvor
ausgeschiedene Bieter seien zugunsten
des Ausschreibungsgewinners benachtei-
ligt worden. So hätte der Betreiber sein
Angebot allein durch die Mitnutzung der
Zahlstellenterminals von Toll Collect um
360 Millionen Euro senken können. Die
»vom Verkehrsministerium vorgenom -
menen Änderungen waren unzulässig«,
schreiben die Prüfer in ihrem Bericht zur
Maut. GT, SVE

INA FASSBENDER / AFP
Scheuer

Jugendstudie

Nur ein Drittel erwartet


sozialen Aufstieg


82 Prozent der Jugendlichen und jun-
gen Erwachsenen in Deutschland sehen
optimistisch in die eigene Zukunft. Aber
nur rund ein Drittel erwartet einen
sozialen Aufstieg. Das ist das Ergebnis
der Studie »25Next – Bildung für die
Zukunft« der Deutschen Kinder- und
Jugendstiftung und des
Sinus-Instituts. Forscher
hatten dafür 1102 Men-
schen im Alter von 14 bis
24 Jahren befragt.
Auf die Frage, ob sie
glauben, dass es ihnen im
Vergleich zu ihren Eltern
in Zukunft besser,
schlechter oder gleich
gut gehen wird, gingen
37 Prozent von einem
sozialen Aufstieg aus,
sie rechneten mit einer
Verbesserung. 19 Pro-
zent gehen von einer
Verschlechterung aus.
44 Prozent der Befragten
glauben, dass es ihnen
gleich gut gehen wird.
Junge Männer seien
etwas zuversichtlicher
als junge Frauen, heißt
es in der Studie. Wer jün-
ger und höher gebildet

ist, zeige sich im Schnitt ebenfalls opti-
mistischer als andere.
Deutlich weniger rosig als die eigene
Zukunft beurteilen Jugendliche und junge
Erwachsene die Zukunft der Gesellschaft
in Deutschland. Gerade einmal 3 Prozent
der Befragten zeigen sich sehr zuversicht-
lich. Rund ein Drittel ist zumindest einge-
schränkt optimistisch. Mehr als die Hälfte
der Studienteilnehmer blickt hingegen
»eher düster« in die Zukunft der Gesell-
schaft, 9 Prozent sogar »düster«. FOK

TOBIAS HASE / DPA
Jugendliche in München

Bildung

CDU berät über


Sprachtests für Kinder


 Die CDU steht auf ihrem Parteitag in
Leipzig vor einer bildungspolitischen
Grundsatzentscheidung. Der schleswig-
holsteinische Landesverband fordert,
»verpflichtende Sprachtests« für Kinder
im Vorschulalter einzuführen. Spätestens
ab einem Alter von vier Jahren sollen
demnach Sprachstandtests durchgeführt
werden. Bei besonderem Förderbedarf
müsse »eine verpflichtende, qualitativ
wirksame, durchgehende Sprachförde-
rung in einer Kindertagesstätte oder Vor-
schule« angeboten werden, heißt es in
dem Parteitagsantrag. Sollten sich Eltern
weigern, Fördermaßnahmen für das
Kind zu ermöglichen, »müssen wirksa-
me Sanktionsmechanismen greifen«. Die
Debatte um Sprachtests hatte zuletzt für
Auseinandersetzungen ge sorgt, nachdem
der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten
Linnemann in einem In terview angedeu-
tet hatte, Kinder mit sehr geringen
Deutschkenntnissen notfalls verspätet
einzuschulen. Der maßgeblich von der
schleswig-holsteinischen Bildungsminis-
terin Karin Prien erarbeitete Antrag
setzt nicht auf eine Verschiebung der Ein-
schulung. Im Falle unzureichender
Deutschkenntnisse will die Nord-CDU
neben dem Regelunterricht verpflichten-
de Zusatzstunden sowie spezielle Sprach-
förderklassen einführen. VME

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