Der Spiegel - 09.11.2019

(Jacob Rumans) #1

Ab der kommenden Woche wird der Demokrat Adam Schiff die
Ermittlungen des US-Kongresses zu einem Amtsenthebungsver-
fahren gegen Donald Trump öffentlich weiterführen – und nicht
wie bisher hinter verschlossenen Türen. Der 59-jährige Vorsitzen-
de des Geheimdienstausschusses rückt damit in den Mittelpunkt
des Prozesses, es kommt jetzt auf Adam Schiff an: Die An hörungen
könnten der Anfang vom Ende Trumps sein – oder verpuffen, wie
im Frühling der Bericht des Russlandermittlers Robert Mueller.
Letzteres wünschen sich die Republikaner. Es fällt ihnen ange-
sichts der wachsenden Last der Beweise immer schwerer, Trump
in der Ukraineaffäre zu verteidigen. Zuletzt war ihre Strategie
die Flucht nach vorn: alles zugeben, nichts bereuen. Trump setzt
darauf, dass er die Maßstäbe dessen verschieben kann, was für
einen Präsidenten akzeptabel ist.
Schiff, früher Staatsanwalt in Los Angeles, scheint wie ge -
schaffen für diese Herausforderung. Seine Statements sind


durchdachte Plädoyers, seine Fragen höflich – doch voller
Fallstricke. Trump versucht, Schiff einzuschüchtern: »Zwie -
lichtig« sei der Mann, »korrupt«, ein »Schwächling«, ein
»verlogener Dreckskerl«. Doch der Geschmähte lässt die Tira-
den an sich abtropfen.
Ein Amtsenthebungsverfahren kann nach hinten losgehen. Als
die Republikaner Bill Clinton stürzen wollten, ahnten sie nicht,
dass die Wähler sie für ihre Verbissenheit abstrafen würden.
Schiff muss aufpassen, dass es den Demokraten nicht ähnlich
ergeht. Zumal ein Schuldspruch im Senat, in dem die Republika-
ner die Mehrheit haben, bis heute unwahrscheinlich bleibt. Ab
Mittwoch können die Amerikaner im Fernsehen verfolgen, wie
hochrangige Zeugen die Machenschaften des Präsidenten schil-
dern. Noch halten die meisten Anhänger in den Umfragen
erstaun lich loyal zu Trump. Die Demokraten hoffen darauf, dass
sich die Stimmung in den kommenden Wochen wendet.Marc Pitzke

Analyse

Alles zugeben, nichts bereuen


Die Impeachment-Untersuchung wird öffentlich. Bringt das Donald Trump in Bedrängnis?

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Ausland


»Mama, ich liebe dich und Papa so sehr. Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann.«‣S.84

DER SPIEGEL Nr. 46 / 9. 11. 2019

Nach einem Angriff auf eine Mormonenfamilie im Norden Mexikosbegutachten Angehörige ein Fahrzeug-
wrack. Es waren wohl Killer eines Drogenkartells, die am Montag das Feuer auf einen Konvoi eröffneten
und drei Frauen und sechs Kinder töteten. Mormonen aus den USA siedeln seit dem 19. Jahrhundert in
Nordmexiko. Sie waren zuletzt häufiger in Konflikte mit Drogenbanden geraten.

HERIKA MARTINEZ / AFP
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