Der Spiegel - 09.11.2019

(Jacob Rumans) #1
Philippinen

Die Umarmung des


Autokraten


 Rodrigo Duterte, Präsident der Phi-
lippinen, ist berüchtigt für seine brutale
Art, mit politischen Gegnern umzu-
springen. Mal lässt er Oppositionelle
unter fadenscheinigen Vorwürfen ein-
buchten, dann landen unliebsame Bür-
germeister auf Abschusslisten im Dro-
genkrieg. Journalisten müssen, weil sie
ihrer Arbeit nachgehen, um ihr Leben
fürchten. Jetzt kommt eine neue Vari-
ante hinzu: die Umarmung. Duterte
befördert seine aktuell schärfste Kritike-
rin, Vizepräsidentin Leni Robredo, zur
Co-Leiterin des staatlichen »Komitees
gegen illegale Drogen«, nachdem sie
gesagt hat, dass seine Drogenpolitik
»offenbar nicht funktioniere«. Es ist ein
Schritt, den Oppositionelle mit höchs-
ter Skepsis betrachten. Nach seiner
Wahl zum Präsidenten im Jahr 2016
hatte Duterte die Philippinen zum
»Narco-Staat« erklärt. Todesschwadro-
nen machen seitdem unerbittlich Jagd
auf Drogensüchtige und vermeintliche
Dealer. Laut Polizeiangaben starben
bisher mindestens 6600 Menschen in
Dutertes Drogenkrieg, Menschenrecht-
ler gehen von 27 000 Opfern aus.
Längst sind die Philippinen zum großen
Teil ein gesetzloses Land geworden, in
dem die meisten Tötungen im Drogen-
krieg nicht einmal mehr untersucht wer-
den. Leni Robredo wird in ihrer neuen
Rolle innerhalb von Dutertes Kabinett
nun Zugang zu offiziellen Dokumenten
des Drogenkriegs haben und auch zu
Geheimdienstmaterial. Menschenrecht-
ler hoffen, dass sie theoretisch dazu in
der Lage sein wird, Polizeioffiziere, die
tief in die Verbrechen verwickelt sind,
zur Rechenschaft zu ziehen. Sie sei
skeptisch, was die Motive des Präsiden-
ten betrifft, teilte Robredo mit. Aber sie
wolle die Gelegenheit ergreifen, »die
Kampagne gegen illegale Drogen zu
korrigieren«. Sie hofft offenbar, dass
Duterte sie lässt. KUK


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Polen

Protest der Katholiken


 Schweigend demonstrieren seit Okto-
ber immer wieder Gläubige vor Kirchen
in Kraków, Gdańsk, Szczecin oder
Poznań. »Erobern wir unsere Kirche
zurück«, nennt sich die Gruppe.
»Wir sind Katholiken«, heißt es in einer
im Internet veröffentlichten »Bürger -
petition«: »Wir haben genug davon, in
das Gesicht einer Kirche zu blicken, die
in Polen ausschließlich Bischöfe und
Priester repräsentiert.« Man sei Hass -
predigten gegen Nichtgläubige, Juden,
Muslime und Homosexuelle satt. Die Kir-
che spalte, statt zu einen. Auch versäume
sie es regelmäßig, Fälle von sexuellem
Missbrauch durch Geistliche aufzuarbei-
ten. Und sie lasse sich von der regierenden
nationalkonservativen Partei politisch
einspannen. Die katholische Hierarchie

versucht, über den Protest einfach hin-
wegzugehen. Doch unter den Unzufrie -
denen sind sogar mindestens 16 Priester.
Sie haben einen Beschwerdebrief an
den päpstlichen Nuntius geschrieben.
Darin werfen sie Erzbischof Sławoj Leszek
Głódź Mobbing und Machtmissbrauch
vor. Auch der Geistliche und Professor
Andrzej Kobyliński springt den Unzufrie-
denen bei. Die Kirche brauche dringend
mehr Offenheit und Reformen, sie stehe
»mit dem Rücken an der Wand«. Zwar
bekennen sich noch immer 87 Prozent
der Polen zum katholischen Glauben.
Doch hat das Image von Priestern und
Bischöfen laut Umfragen in den vergange-
nen Jahren dramatisch gelitten: 42 Prozent
sind dieser Meinung. Und nur 20 Prozent
geben an, der Kirche noch »uneinge-
schränkt zu vertrauen«. Unter jungen
Leuten zwischen 25 und 29 ist der Ver-
trauensverlust am größten. JPU

Südsudan

Zwei Männer kämpfen


ums Öl


 Das jüngste Land der Welt hat prak-
tisch noch nie Frieden erlebt: Fast die
ganzen acht Jahre seines Bestehens
herrscht im Land schon Bürgerkrieg, bis
zu 400 000 Menschen sind ums Leben
gekommen. Und so bald wird sich daran
wohl nichts ändern, alte persönliche und
ethnische Konflikte lähmen den Fort-
schritt. Ein Friedensabkommen von 2018
sieht zwar vor, dass Salva Kiir, Präsident
und früherer Milizenführer, eine Regie-
rung der nationalen Einheit bilden soll.
Doch er ist mit seinem designierten Vize
und Gegner im Bürgerkrieg, Riek
Machar, zutiefst verfeindet. Schon gleich
nach der Staatsgründung 2011 hatten sie
im Namen der Versöhnung zusammen
regieren sollen. Stattdessen gerieten sie

um Geld aus den reichen Ölvorkommen
in Streit. Erschwerend kommt hinzu, dass
sie verschiedenen Volksgruppen angehö-
ren: Kiir ist Dinka, Machar aber Nuer.
Auch die Armee ist gespalten. Etliche
internationale Vermittlungsversuche sind
gescheitert, immer wieder flammen
Kämpfe auf. Derzeit tritt Machar als
Bremser auf, er wagt sich nicht in die
Hauptstadt. Uno-Diplomaten traten in
direkte Verhandlungen mit dem Warlord
und drängten ihn, den Friedensplan nicht
schon wieder zum Scheitern zu bringen.
Aber selbst wenn sich Machar doch noch
umstimmen lässt, muss das nicht viel hei-
ßen: Obwohl er sich 2016, ebenfalls nach
einem Friedensschluss, in Juba zu seinem
alten Feind Kiir gesellt hatte, kam es
wenig später wieder zu Schießereien.
Machar und seine Männer retteten sich
zu Fuß, verfolgt von Kampfhubschrau-
bern, in die benachbarte Demokratische
Republik Kongo. CTI

ROMEO RANOCO / REUTERS
Robredo, Duterte

DIMO SILVA AURELIO / AFP
Südsudanesische Rebellenmiliz
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