Der Stern - 24.10.2019

(ff) #1
Seit 2004 veröffentlicht die „New York
Times“ eine überaus populäre
Zeitungskolumne, die wahre Liebes-
geschichten aus der Großstadt erzählt.
Die Macher der romantischen Comedy-
Serie „Modern Love“ (bei Amazon
Prime) haben sich aus diesem Fundus
bedient. Leider geht diese Rechnung
trotz starker Hollywoodbesetzung
selten auf. Nur zwei Episoden mit Anne
Hathaway und Tina Fey verströmen
Charme und Leichtigkeit, die ansonsten
fehlen. 22222

STREAM


Das muss Polizistin Yvonne erst mal
sacken lassen: Ihr verstorbener Mann
und Kollege war kein Held, sondern
korrupt und hat einen Unschuldigen
in den Knast expediert. Sie fühlt
sich verantwortlich und stolpert in
eine mal wüste, mal zärtliche und
konsequent unsere Erwartungen aus-
hebelnde Groteske. Vor allem Adèle
Haenel, sonst eher ernste Arthouse-
Kino-Heldin, hat in „Lieber Antoine
als gar keinen Ärger“ sichtlich
ihren Spaß. 22222

Wer den Überblick behalten möchte:
„Terminator: Dark Fate“ ist bereits
der sechste Film der Science-Fiction-
Erfindung von 1984, hinzu kommen
eine Serie fürs TV und zwei fürs Inter-
net. Vielleicht ist es da ganz natürlich,
dass dem Epos über den Kampf gegen
Killerroboter aus der Zukunft langsam
die Ideen und der Actionsaft ausge-
hen – ähnlich wie schon bei Rambo.
Das Wiedersehen mit Linda Hamilton
und Arnold Schwarzenegger macht
zwar Laune, der Rest fühlt sich an wie
tosender Leerlauf. 22222

KINO


FOTOS: HOME BOX OFFICE; CLAIRE NICOL; CHRISTOPHER SAUNDERS/AMAZON STUDIOS

Die Serie hat aufgrund ihrer drastischen
Sex- und Drogenkonsumdarstellungen
schon im Vorfeld in den USA für Aufregung
gesorgt. Es gab Kritiker, die sich die Mühe
machten, die Anzahl der gezeigten Ge-
schlechtsteile pro Episode zu zählen. Ein
anderer Rezensent behauptete nach dem
Anschauen der Serie, niemals eigene Kin-
der bekommen zu wollen.
Die Hysterie zeigt, wie radikal und
schonungslos hier vom Teenager-Dasein
im Internetzeitalter erzählt wird. Rue,
die überragend gespielt wird von der ame-
rikanischen Schauspielerin und Sänge-
rin Zendaya Coleman, hat nichts zu tun
mit Weltsicht und Engagement einer Gre-
ta Thunberg, sie ist viel zu sehr damit be-
schäftigt, sich selbst zu retten. Sie sucht
nach einer emotionalen Verbindung in
einer digitalisierten Welt, in der Youporn
die Liebe gekillt und Instagram die Freund-
schaft ersetzt hat. Wie ein Junkie hängt sie
am Tropf der Zustimmung eines anony-
men Internetmobs. Hannes Roß

(^22222)
A
lles nicht so schlimm, sagt die
Mutter aufmunternd, während sie
ihrer schon am Morgen weggetre-
tenen Teenager-Tochter auf dem
Küchentisch die bunten Pillen für
den Tag sortiert. „Viele interessan-
te, intelligente, komische und kreative
Menschen haben die gleichen Probleme wie
du: Nimm nur Vincent van Gogh, Sylvia
Plath und deinen Liebling Britney Spears.“
Die Eltern in der US-Serie „Euphoria“
(auf Sky) sind nur hilflose Randfiguren. So
wie die Mutter von Rue, einem 17-jährigen
Mädchen aus einer gesichtslosen Mittel-
standsvorstadt. Rue nimmt alles, was ihre
Gefühle betäubt: Pillen aus dem Badezim-
merschrank, Joints auf dem Schulflur und
Kokain auf der Toilette. „Euphoria“ erzählt
vom Erwachsenwerden einer traumati-
sierten Generation Instagram. Es gibt
keine Männer auf Bahnhofsklos mehr
wie einst bei Christiane F. Die sexuellen
Demütigungen landen mit einem Pling auf
dem Handy: Penis-Bilder, Gewaltfantasien
und Rache-Pornos.
Die US-Sängerin
und Schauspielerin
Zendaya, 23,
in „Euphoria“
Die Serie „Euphoria“ zeigt ein ungeschminktes Bild der
Süchte und Neurosen in der Instagram-Generation
Das Ende der Unschuld
108 24.10.2019
KULTUR
FILM

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