Sprecher der DDR-Oppositionsbewe gung
„Neues Forum“ geklagt hatte. Dagegen, den
wirtschaftlichen Erfolg des Landes aufs
Spiel zu setzen, wie der damalige Präsident
der Industrie- und Handelskammer ge-
warnt hatte. Ramelows Ehefrau Germana,
eine Italienerin, es ist seine dritte, erhielt
Drohanrufe. „Was glauben Sie, was da los
war? Wir haben da einiges durch“, sagt
Ramelow. Er sitzt jetzt fast reglos auf dem
Rücksitz der dunklen Limousine.
Stolz und Schläge
Ramelow hat es viel weiter gebracht, als
es vorgesehen war für einen, der aufwuchs
in Osterholz-Scharmbeck, nördlich von
Bremen – direkt an der Bahnlinie, mitten
in Armut, als Kind von Flüchtlingen. Der
Vater, krank seit dem Krieg, stirbt, da ist der
Junge elf. Die Mutter, überfordert, die vier
Kinder durchzubringen, verprügelt den
vermeintlich faulen Schüler mit der Peit-
sche. Aus dieser Zeit hat Ramelow nicht
nur den norddeutschen Klang behalten,
auch sein proletarischer Stolz ist geblieben
und: eine gewisse Härte.
Stille breitet sich aus im Wagen. Es ist
kein leichtes Gespräch mit diesem
Ministerpräsidenten. Das liegt auch an
seiner ewig unberechenbaren Laune.
Wenn er eine Unterstellung wittert oder
gar eine Falle, dann ist Schluss mit Ge-
schichten über Attila. Dann beißt Herrchen
selber zu – und es wird sehr eng im geräu-
migen Fond.
Vor annähernd 30 Jahren, es war der
- Februar 1990, ist Ramelow das erste Mal
als Gewerkschafter in den Osten gekom-
Ramelow fiel etwas ein, und er kam wie-
der, immer wieder, und weil er mit seiner
ersten Frau schon in Trennung lebte, blieb
er irgendwann ganz in Thüringen, um
die Gewerkschaft Handel, Banken & Ver-
sicherungen (HBV) aufzubauen. Um gegen
Kündigungen zu kämpfen und für Tarif-
verträge. Um Streiks zu organisieren und
Abfindungen zu verhandeln. Wilde Zeiten,
„man wusste morgens nicht, wie und wo
der Tag enden wird“, erinnert sich Rame-
low, als er an einem Freitagabend auf der
Bühne der Alten Oper in Erfurt sitzt. „Gre-
gor Gysi trifft Bodo Ramelow. Zwei Leben
in Ost & West“ heißt die Veranstaltung. Die
meisten Geschichten der beiden linken
Herren spielen in den Nachwendejahren,
die den Osten bis heute im Griff halten.
Ramelow lernte Gysi kennen, als die
Kali-Kumpel in Bischofferode in den Hun-
gerstreik traten, um gegen die Schließung
ihres Werks zu protestieren. Die PDS unter-
hielt damals vor Ort ein Verbindungs büro,
und Ramelow führte die Verhandlungen
mit den neuen Eigentümern des Kali-
werks, als Privatmann, wie er sagt, die Ge-
werkschaft hatte sich jede Ein mischung
verbeten. Doch ebendieser Privatmann
men. Im Erfurter Centrum Warenhaus hat-
ten die Kolleginnen und Kollegen nach
einem Westgewerkschafter gerufen, und
weil Ramelow Verwandtschaft im Osten
hatte, die er öfter mal besuchte, schickte
man ihn aus Hessen nach drüben. „Was soll
ich denen denn erzählen?“, hatte Ramelow
gefragt. „Dir wird schon was einfallen“,
hatte sein Chef gesagt.
ER IST RUHIGER GEWORDEN,
ABER MANCHMAL BRICHT
DER VULKAN DURCH
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