Der Stern - 24.10.2019

(ff) #1

ILLUSTRATION: KATRIN FUNCKE/STERN


S


pielsucht, Versagensangst, Alko-
hol probleme – nicht selten leiden
Spitzensportler trotz aller Betreu-
ung unter psychischen Erkran-
kungen und Abhängigkeit. Vor-
letzte Woche hat Timm Klose, 31,
Fußballprofi bei Norwich City, den Finger
in diese Wunde gelegt.
Kloses Leben verlief vollkommen anders
als das Ideal, das die meisten mit dem Leis-
tungssport verbinden: Mit 13 habe er zu
trinken begonnen, früh geraucht, und doch
machte er Karriere beim FC Basel, dem

1. FC Nürnberg und dem VfL Wolfsburg. Er
trank dort keinen Alkohol mehr, doch
gelöst waren seine Probleme nicht. Spiel-
sucht und Essattacken hießen nun seine


zent gaben riskanten Alkoholkonsum an.
Mehrere schwere Verletzungen, das zeigte
die Studie, erhöhen obendrein die Gefahr,
psychisch zu erkranken.
Vor allem in Deutschland würden psy-
chische Probleme bis heute als Schwäche
stigmatisiert, und dort besonders im Fuß-
ball, so ein langjähriger Bundesliga-Mana-
ger: „Dabei funktioniert eine intensivere
Begleitung in anderen Sportarten auch,
nicht nur in Individualdisziplinen.“
Verpflichtend ist ein Teampsychologe
nur in Nachwuchsleistungszentren der
Bundesligisten. Im Profibereich, wo der
Druck am größten ist, bleibt er eine Rand-
erscheinung: Noch immer hängt es vor
allem vom Trainer ab, wie stark ein Psycho-
loge wirklich eingebunden ist. Umso
schwerer fällt es Profis, sich aus der Isola-
tion zu wagen.
Der ehemalige Nationalspieler Uli
Bo rowka, der sich vor Jahren zu seiner
Alkoholkrankheit bekannte, sagt, es fehle
bis heute ein adäquates Hilfsangebot:
„Man muss umdenken in den Vereinen.
Wir haben aus der Geschichte mit Robert
Enke nichts gelernt.“ 2
Mathias Schneider

Kompensatoren für den Druck. Immer tie-
fer vergrub sich Klose in sich selbst, saß bis
in die frühen Morgenstunden am Compu-
ter, trat nach zwei Stunden Schlaf zum Trai-
ning an. Am Ende durchbrach ein Psycho-
loge das Muster. Noch heute, Jahre später,
spricht Klose einmal wöchentlich mit ihm.
Das ist kein Einzelfall. Der Spitzensport
mag professioneller geworden sein – und
doch sind jene, die den Betrieb buchstäb-
lich am Laufen halten, allzu oft auf sich
allein gestellt. Nach einer in Finnland,
Frankreich, Norwegen, Spanien und
Schwe den durchgeführten Studie der welt-
weiten Vertretung der Profifußballer FIF-
Pro klagten 37 Prozent der Befragten über
Angstzustände und Depressionen, 14 Pro-

Fußballprofi Timm Klose wirbt
für Offenheit in Sachen Abhängigkeit –
er war lange Jahre selbst betroffen

WAS WISSEN WIR EIGENTLICH ÜBER ...


STRESS UND SUCHT IM SPORT


GESUNDHEIT

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