Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.10.2019

(avery) #1

SEITE 4·FREITAG, 25. OKTOBER 2019·NR. 248 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Die Zugspitze entwickelt sich allmäh-
lich zum Mekka der bayerischen Politik.
Diesmal versammelte Ministerpräsident
Markus Söder auf dem Dach Deutsch-
lands seine Amtskollegen, die so auch
einmal erfahren konnten, wie es ist, von
oben herab auf ihre Länder zu blicken.
CSU-Chef Söder war bei der Minister-
präsidentenkonferenz um Einmütigkeit
bemüht – im Rahmen der bayerischen
Möglichkeiten. „Wir stehen weniger ge-
geneinander als früher“, sagte er. Gewis-
se Friktionen ergaben sich aber trotz-
dem, etwa über eine mögliche Reform
des Föderalismus, die Söder sich neben
vielem anderen auf die Fahnen geschrie-
ben hat. So stießen Bayern, Baden-Würt-
temberg und Nordrhein-Westfalen mit
dem Vorschlag, stärkeren Ländern mehr
Kompetenzen und Rechte zu geben, zu
Beginn der Konferenz am Donnerstag

auf kräftige Gegenwehr. Ministerpräsi-
dentin Malu Dreyer (SPD) aus dem
nicht ganz so starken Rheinland-Pfalz
sagte, sie stehe zum Föderalismus –
aber nicht zu einem „Wettbewerbsföde-
ralismus nach Stärken und Schwächen
und Ausstattung“. Der Vorteil des Föde-
ralismus bestehe auch darin, „dass wir
in unserer Unterschiedlichkeit gemeinsa-
me Wege gehen“.
Der niedersächsische SPD-Regie-
rungschef Stephan Weil sekundierte:
„Die Bundesrepublik ist in den vergan-
genen Jahrzehnten gut damit gefahren,
dass starke und schwache Länder zu-
sammengehalten haben. Das wird auch
so bleiben. Punkt.“ Auch Berlins Regie-
render Bürgermeister Michael Müller
(SPD) sagte, natürlich wolle man die
Länder stärken. „Aber es ist auch ganz
klar, dass ich nicht einen Wettbewerbs-

föderalismus möchte. Sondern wir brau-
chen eben einen guten Ausgleich zwi-
schen den Ländern und ein gutes Mit-
einander auch zwischen den stärkeren
und schwächeren Ländern.“ Das Ganze
dürfe nicht zu Lasten der Schwächeren
gehen. „Jede Form von Wettbewerb ist
eine problematische Entwicklung“, sag-
te er, vermutlich aus wohlverstande-
nem Eigeninteresse. NRW-Ministerprä-
sident Armin Laschet (CDU) dagegen
verteidigte die Idee, dass stärkere Län-
der mehr Zuständigkeiten bekommen
sollen. Diese Länder sollten „selbst sa-
gen, wir wollen es alleine regeln, wir
sind stark genug“. Andere sollten aber
den Bund zu Hilfe nehmen dürfen. Sö-
der gestand zu, hin zu dem Modell ei-
nes „Föderalismus der zwei Geschwin-
digkeiten“ sei es „ein langer Weg“.
(tifr.)

Einmal wie Bayern auf das Land blicken


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Auf der Zugspitze:Die Regierungschefs der Länder beim Fototermin am Donnerstag Foto Sven Simon


STUTTGART,24. Oktober


D


ie Fridolinschule im südbadi-
schen Lörrach stand eigentlich
schon auf dem Sanierungsplan
der Stadt. Etwa zehn Millionen Euro hät-
ten in die Grundschule investiert werden
sollen. Doch die Schulleiterin Christine
Mörth informierte die Eltern am Mitt-
woch vergangener Woche, dass die Schu-
le geschlossen sei. Handwerker hatten
ihr mitgeteilt, dass vom Hauptgebäude
Dachziegel fallen könnten.
Der Lörracher Oberbürgermeister
Jörg Lutz (parteilos) zeigte sich über die
Eigenmächtigkeit der Schulleiterin „zu-
tiefst befremdet“. Nach dem Schulgesetz
muss eine Schulleiterin die Sicherheit
der Schüler gewährleisten können und
handeln, wenn Gefahr im Verzuge ist.
Sie kann also eine Schulschließung an-
ordnen, hätte das aber auch gemeinsam
mit der Stadt und dem örtlichen Schul-
amt tun können. Mörth schrieb den El-
tern der 320 Schüler direkt, bevor sie das
Schulamt informierte. Das war unge-
wöhnlich und brachte der 48 Jahre alten
Pädagogin mehr Publizität ein, als ihr
lieb war. „Leider haben sich meine

Kenntnisse in Bezug auf die Sicherheits-
lage dahingehend erweitert, dass ich
mich gezwungen sehe, die Fridolinschu-
le für den Schulbetrieb aus Sicherheits-
gründen bis auf Weiteres zu schließen“,
schrieb die Rektorin. Die Eltern stehen
hinter ihr, der Elternbeirat sammelt
schon Unterschriften, um die Stadt zum
Handeln zu zwingen.
„Man hätte die Kommunikation an-
ders machen können, dienstrechtliche
Konsequenzen hat es nicht, die Schullei-
terin handelte ja verantwortungsvoll.
Aber sie hätte uns vor dem Verschicken
des Elternbriefs informieren können“,
sagt Hans-Joachim Friedemann, Leiter
des Schulamts in Lörrach. Die Stadt ist
Trägerin der Grundschule. Normalerwei-
se hätte sich die Schulleiterin an das
Schulamt wenden müssen, das dann den
Sicherheitsbeauftragten gebeten hätte,
die Baumängel zu begutachten. Dann
wäre man wahrscheinlich ebenfalls zum
Ergebnis gekommen, dass die Schüler
sich dort nicht aufhalten sollten.
Die größte Grundschule der Stadt an
der Schweizer Grenze weist an verschie-
denen Gebäuden erhebliche bauliche
Mängel auf: Die Lehmgewölbedecke der
Turnhalle muss schon seit geraumer Zeit
mit einem Netz gesichert werden, damit
kein Lehm auf die turnenden Kinder her-
unterfällt. Mängel weisen auch die Be-
leuchtung und die elektrische Ausstat-
tung der Schule auf: In einigen Räumen
gibt es noch alte Leuchtstoffröhren mit ei-
ner ebenso altertümlichen Kondensator-
zündung: Weil aus den Röhren Gas ent-
weicht, kann es mitunter zu kleinen Ver-
puffungen kommen. Der gravierendste
Mangel besteht im Hauptgebäude: Dort
liegen die Dachziegel so unsicher, dass
das Herunterfallen einzelner Ziegel nicht
auszuschließen ist. „Das Schulhaus-
dach“, sagt Friedemann, „ist das eigentli-
che Problem. Wahrscheinlich kann der re-
guläre Schulbetrieb nach den Herbstferi-

en am 7. oder 8. November wiederaufge-
nommen werden.“ Seit diesem Montag
findet der Unterricht in Ersatzgebäuden
statt. Am Schuldach fehlen immer noch
„Dachfangnetze“, einfach weil sie derzeit
nicht lieferbar sind. Es gibt an diesem Ge-
bäude also noch keinen ausreichenden
Schutz für die Schüler. Die Mängel an der
Elektrik und am Dach der Sporthalle
konnten dagegen schnell behoben wer-
den.
Das Beispiel der Lörracher Grundschu-
le zeigt, wie groß der Sanierungsstau an
deutschen Schulen ist. Die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW)
schätzt, dass in die Schulen immer noch
mehrere Milliarden Euro investiert wer-
den müssten, obwohl auf Bundes-, Lan-
des- und kommunaler Ebene die Investi-
tionen für Schulsanierungen schon aufge-
stockt wurden. Allein in Baden-Württem-
berg wurden für etwa 800 Schulbauten Sa-
nierungsgelder in Höhe von zwei Milliar-
den Euro bewilligt. Im künftigen Doppel-
haushalt hat die grün-schwarze Landesre-
gierung noch einmal zusätzlich 200 Mil-
lionen Euro für Sanierungen eingeplant.
Kultusministerin Susanne Eisenmann
(CDU) schrieb nach dem Bekanntwer-
den der Baumängel und der Schulschlie-
ßung an den Lörracher Oberbürgermeis-
ter: „Als zuständigen Schulträger bitte
ich die Stadt Lörrach darum, dem Sanie-
rungsbedarf im hier einschlägigen Fall
so nachzukommen, dass der Unterricht
für die Schülerinnen und Schüler ohne
Abstriche gewährleistet werden kann.“
Die Stadt Lörrach wird wohl nun den Sa-
nierungsplan für ihre Schulen noch ein-
mal überdenken müssen. Das hat Schul-
rektorin Christine Mörth erreicht. Ei-
gentlich sollte ein Planungsbüro bis
Ende des Jahres ein Sanierungskonzept
für die Fridolinschule vorlegen. Danach
hätten die Arbeiten frühestens im Jahr
2023 begonnen. So lange konnte man
nun nicht warten.

elo.BERLIN, 24. Oktober. Der Untersu-
chungsausschuss des Bundestages zur ge-
scheiterten Einführung einer Pkw-Maut
soll nach Auskunft seiner Initiatoren im
November seine Arbeit aufnehmen. An
diesem Freitag wird sich der Bundestag
mit der Einsetzung des Ausschusses befas-
sen. Der Grünen-Abgeordnete Stephan
Kühn sagte am Donnerstag bei der Vor-
stellung des Untersuchungsauftrags: „Ich
gehe davon aus, dass wir Ende November
arbeitsfähig sind.“ Eine Entscheidung,
welche Fraktion den Vorsitzenden stellt,
ist noch nicht gefallen. Voraussichtlich
wird die SPD das machen.
Grüne, FDP und Linke hatten den Aus-
schuss beantragt. Sie werfen vor allem
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
vor, das Parlament und die Öffentlichkeit
nicht umfassend über die Umstände und
Details des Zustandekommens der Verträ-
ge für die geplante Pkw-Maut und sein
Verhalten nach dem Scheitern des Plans
im Sommer dieses Jahres durch ein Urteil
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
informiert zu haben. Die Opposition hegt
den Verdacht, dass Scheuer Absprachen
mit den vorgesehenen Betreiber-Unter-
nehmen getroffen hat, die nach dem
Scheitern zu erheblichen Belastungen des
Steuerzahlers führen könnten. Scheuer
hatte kürzlich dieser Zeitung gesagt, ihm
lägen bisher noch keine Forderungen der
Betreiber vor, die „laufenden Spekulatio-
nen über mögliche Schadenssummen
sind hochspekulativ und mehr als unseri-
ös“. Dagegen rechnete der verkehrspoliti-
sche Sprecher der FDP-Fraktion, Oliver
Luksic, vor, dass mit einem Schaden von
einer halben Milliarde Euro zu rechnen
sei. „Eher mehr“, sagte Luksic.
Die geplante Infrastrukturabgabe, auch
Ausländer-Maut genannt, war ein Pro-
jekt, das der damalige CSU-Vorsitzende
Horst Seehofer im Wahlkampf 2013 ange-
schoben hatte. Die Verkehrsminister Alex-
ander Dobrindt (CSU) und Scheuer hat-
ten es betrieben. Es scheiterte am EuGH-
Urteil, weil die Maut nur für ausländische
Nutzer der deutschen Autobahnen erho-
ben werden sollte; deutsche Nutzer soll-
ten nicht belastet werden. Laut Auftrag
soll der Untersuchungszeitraum die vori-
ge und derzeitige Legislaturperiode um-
fassen. Als Zeugen sollen unter anderen
Dobrindt und Scheuer geladen werden,
aber auch Beamte und Vertreter der Be-
treiber-Unternehmen.


Karambolage im Sanierungsstau


F.A.Z.FRANKFURT, 24. Oktober. Der
Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz,
Anis Amri, hat die Wohnung von Bundes-
kanzlerin Angela Merkel fotografiert.
Auf einem Bild, das die ARD veröffent-
lichte, ist Amri zu sehen, wie er vor dem
Haus in Berlin posiert. Das Bild von Ende
Oktober 2016 sowie andere Fotos aus Ber-
lin fanden die Ermittler demnach später
auf dem Mobiltelefon des Tunesiers.
Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen
Lastwagen gekapert, mit dem er über den
Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskir-
che raste. Er tötete dabei zwölf Men-
schen. Nach der Tat floh er nach Italien,
wo ihn die Polizei vier Tage später er-
schoss. Ein anderes Foto zeigt Amri vor
dem Berliner Dom. Die Ermittler des Bun-
deskriminalamts kommen in einem Ver-
merk aus dem Jahr 2017, aus dem die
ARD zitiert, zu dem Ergebnis, Amri kön-
ne den Dom als „potentielles Anschlags-
ziel in Betracht gezogen haben“. Dies wur-
de im Untersuchungsausschuss des Bun-
destages allerdings in Zweifel gezogen.
Die gefundenen Fotos seien „ohne er-
kennbare Ausspähungsabsicht“ aufge-
nommen worden, hieß es im Umfeld des
Ausschusses gegenüber der Nachrichten-
agentur AFP. Das Wohnhaus der Bundes-
kanzlerin sei auf dem betreffenden Foto
lediglich „weit im Hintergrund zu sehen“.
Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft
wollte den Bericht am Donnerstag zu-
nächst nicht kommentieren. Der Grünen-
Abgeordnete Konstantin von Notz kriti-
sierte gegenüber der ARD, dass das Bun-
deskriminalamt in seinem Auswertungs-
bericht das Haus der Kanzlerin nicht aus-
drücklich erwähnt habe. „Dass hier nicht
mal die Option, dass hier auch das Haus
der Kanzlerin betroffen sein könnte, in
den Akten vermerkt ist, hat uns sehr irri-
tiert“, sagte von Notz. „Darüber werden
die Sicherheitsbehörden Auskunft geben
müssen.“


„Grünes Band“ geschützt
Der frühere innerdeutsche Grenzstrei-
fen steht künftig in Sachsen-Anhalt un-
ter besonderem Schutz. Der Landtag er-
klärte das „Grüne Band“ am Donners-
tag mit den Stimmen der schwarz-rot-
grünen Koalition zum Nationalen Natur-
monument. Dieser Status verbindet Ele-
mente des Naturschutzes sowie der Erin-
nerungskultur. Über die Gewichtung
der beiden Aspekte war in der Koalition
lange gerungen worden. Umweltministe-
rin Claudia Dalbert (Grüne) versicherte
im Landtag, dass es keine Enteignungen
geben werde. Der Beschluss des Magde-
burger Landtags betrifft einen 343 Kilo-
meter langen Streifen. Das Nachbarland
Thüringen hat vor einem Jahr bereits
763 Kilometer des insgesamt 1400 Kilo-
meter langen Grenzstreifens zum Natur-
monument erklärt. (bin.)

EKD hilft Sea-Watch
Die evangelische Kirche hat ihre Pläne
für ein Schiff zur Rettung von Flüchtlin-
gen im Mittelmeer konkretisiert. Das
vom Rat der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) beschlossene zu-
sätzliche Rettungsschiff solle dem See-
notrettungsverein Sea-Watch zur Verfü-
gung gestellt werden. Das sagte der Bi-
schof der Evangelischen Kirche Berlin-
Brandenburg-schlesische Oberlausitz,
Markus Dröge, am Donnerstag auf der
Herbsttagung der Landessynode in Ber-
lin. Dröge, der auch dem Rat der EKD
angehört, versicherte, dass keine Kir-
chensteuermittel in das Projekt fließen
sollen. (epd.)

Wahlklage abgewiesen
Im Verfahren um die Anfechtung von
Wahlergebnissen in Polen hat sich erst-
mals die staatliche Wahlkommission zu
Wort gemeldet. Ihr Vorsitzender Wies-
law Kozielewicz sagte am Donnerstag,
man habe auf Anfrage des zuständigen
Obersten Gerichtshofs bisher eine der
sechs Klagen der Regierungspartei PiS
geprüft und für unbegründet erklärt.
Die PiS hatte im Senat ihre bisherige
Mehrheit knapp verloren und daraufhin,
ohne Hinweise auf Fälschungen zu ha-
ben, in sechs der 100 Wahlkreise für sie
ungünstige Wahlergebnisse angefoch-
ten. Die Stellungnahmen der Kommissi-
on sind allerdings für das Gericht nicht
bindend. Die Opposition befürchtet, die
PiS wolle das Wählervotum in Frage stel-
len, und hat die OSZE und den Euro-
parat eingeschaltet. (gna.)

IS-Kämpfer verlieren Pass
Dänemark kann künftig Mitgliedern der
Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die
Staatsbürgerschaft entziehen. Das Parla-
ment in Kopenhagen verabschiedete am
Donnerstag ein entsprechendes Dring-
lichkeitsgesetz. Demnach kann jeder
ohne gerichtliche Anordnung seine
Staatsbürgerschaft verlieren, der sich im
Ausland einer Terrororganisation an-
schließt. Das Gesetz soll in erster Linie
jene treffen, die für die IS-Terrormiliz in
Syrien und im Irak gekämpft haben. Die
Betroffenen können innerhalb von vier
Wochen gegen den Bescheid Einspruch
einlegen. Die Mehrheit des Parlaments
hat sich dafür ausgesprochen, die Lauf-
zeit des Gesetzes zu beschränken, so
dass im Sommer 2021 noch einmal dar-
über abgestimmt werden muss. (dpa)

EU-Parlament ehrt Uiguren
Das Europaparlament ehrt den inhaf-
tierten chinesisch-uigurischen Wirt-
schaftswissenschaftler und Regierungs-
kritiker Ilham Tohti mit dem Sacharow-
Preis. Tohti habe sich für ein besseres
Verständnis zwischen Uiguren und
Han-Chinesen eingesetzt, sagte Parla-
mentspräsident David Sassoli am Don-
nerstag in Straßburg bei der Bekanntga-
be der Auszeichnung. Das Europaparla-
ment unterstütze die Arbeit Tohtis und
fordere seine sofortige Freilassung, so
Sassoli. China müsse die Rechte von
Minderheiten respektieren. (dpa)

Proteste in Chile
In Chile halten die sozialen Proteste un-
geachtet der Zusagen von Präsident Se-
bastián Piñera an. In der Hauptstadt Sant-
iago de Chile und in weiteren Städten
gingen am Mittwoch Tausende Men-
schen auf die Straße. An einem zentra-
len Platz der Hauptstadt lieferten sich
Demonstranten Auseinandersetzungen
mit Sicherheitskräften, in der Hafenstadt
Valparaiso kam es zu Plünderungen. Au-
ßerdem begann ein zweitägiger General-
streik, zu dem Gewerkschaften und Sozi-
alverbände aufgerufen haben. (AFP)

Korrektur
In einem Teil unserer Donnerstagsausga-
be fehlte die Angabe, dass Stephan
Brandner (AfD) sich im Plenum für sei-
ne Äußerungen zum Anschlag in Halle
entschuldigt und nicht nur im Ältesten-
rat Stellung genommen hat. (F.A.Z.)

rso.STUTTGART, 24. Oktober. Die
Staatsministerin für Integration, Annet-
te Widmann-Mauz (CDU), hat den ba-
den-württembergischen Innenminister
Thomas Strobl (CDU) aufgefordert, bei
geduldeten Flüchtlingen, die einer sozi-
alversicherungspflichtigen Beschäfti-
gung nachgehen, alle möglichen Ermes-
sensspielräume zur Verhinderung einer
Abschiebung auszunutzen. „Das Migrati-
onspaket ist ein wichtiger Schritt in die
richtige Richtung“, sagte die Staatsmi-
nisterin dieser Zeitung. An der ein oder
anderen Stelle hätte sie sich aber „mehr
Mut“ gewünscht. Deshalb müssten die
rechtlichen Spielräume der Länder jetzt
genutzt werden. „Über die Ermessens-
duldung können die Länder die bisher
erbrachten Integrationsleistungen
schon jetzt honorieren und damit den
Übergang in die Beschäftigungsduldung
erheblich erleichtern.“ Vom 1. Januar
2020 an wird es in Deutschland eine Be-
schäftigungsduldung geben. Flüchtlin-
ge, die 18 Monate gearbeitet haben, die
ihren Lebensunterhalt bestreiten kön-
nen,die keine Straftaten begangen ha-
ben und die eine Duldung über zwölf Mo-
nate nachweisen können, erfüllen die
Voraussetzungen für eine Beschäfti-
gungsduldung. Es gibt aber in den Bun-
desländern eine erhebliche Zahl von
Flüchtlingen, die eine zwölfmonatige
Duldung nicht nachweisen können, ent-
weder weil ihr Asylverfahren noch nicht
abgeschlossen ist, oder weil die Entschei-
dung des Verwaltungsgerichts noch kei-
ne zwölf Monate zurückliegt.
In einem Brief an Strobl schreibt Wid-
mann-Mauz, dass bei Personen, die ihre
Identität nicht hinreichend klären konn-
ten, die die zwölfmonatige „Vordul-
dungszeit“ oder Beschäftigung in den
vergangenen 18 Monaten nicht vollstän-

dig nachweisen könnten, die Ermessens-
spielräume ausgenutzt werden sollten.
Strobl solle deshalb die Spielräume bei
der Ermessensduldung im Vorgriff einer
Beschäftigungsduldung abermals prü-
fen. Die Arbeitgeber bräuchten Planungs-
sicherheit, so die Staatsministerin.
In Baden-Württemberg hatten Unter-
nehmer vor zwei Jahren die Initiative
„Bleiberecht durch Arbeit“ gegründet.
Dieser Initiative gehören etwa hundert
Firmen an. Die Unternehmer kritisieren
bis heute, dass gut integrierte und dauer-
haft beschäftigte Flüchtlinge abgescho-
ben werden. Die Initiative kritisiert auch
den Zwang zur Identitätsklärung und die
zwölfmonatige Duldung, dadurch sei das
neue Gesetz eine „Mogelpackung“, weil
die Flüchtlinge und Unternehmen dann
doch wieder mit ungewollten Abschie-
bungen konfrontiert seien.
Ein Sprecher des baden-württember-
gischen Innenministeriums nannte die
Wünsche der Unternehmen berechtigt.
Das gelte vor allem vor dem Hinter-
grund des nach wie vor herausfordern-
den Arbeitskräftemangels. Aber bei der
Auslegung der Ermessensspielräume
sei man an das Bundesrecht gebunden.
„Diesen Spielraum“, so der Sprecher des
Ministeriums, „nutzen wir auf Wunsch
von Minister Strobl hin im Interesse der
Unternehmen und der arbeitenden Ge-
flüchteten bereits weitgehend aus. In die-
sem Sinne haben wir uns für die Anlie-
gen der Wirtschaft nach Kräften einge-
setzt.“ Außerdem habe die grün-schwar-
ze Landesregierung im Bundesrat im Fe-
bruar einen Antrag zur Beschäftigungs-
duldung gemacht, der habe vorgesehen,
die Arbeitszeiten während des Asylver-
fahrens auf die erforderliche zwölfmona-
tige Duldungsfrist anzuwenden. Doch
der Antrag habe im Bundesrat leider kei-
ne Mehrheit gefunden.

Amri fotografierte


Merkels Wohnung


FDP: Halbe


Milliarde Schaden


durch Pkw-Maut


Wichtiges in Kürze


Widmann-Mauzfordert mehr


Ermessensduldung für Flüchtlinge


Planungssicherheit für Arbeitgeber / „Spielräume nutzen“


Für die Herstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird ausschließlich Recycling-Papier verwendet.


Derbauliche Zustand


einer Schule in Lörrach


ist so schlecht, dass die


Rektorin sie


eigenmächtig schließt



  • das Sicherheitsrisiko


für die Kinder ist aus


ihrer Sicht zu groß.


Von Rüdiger Soldt

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