Frankfurter Allgemeine Zeitung - 19.10.2019

(Nora) #1

SEITE 24·SAMSTAG, 19. OKTOBER 2019·NR. 243 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


D


ieDeutsche Umwelthilfe ist Welt-
meisterin im Aufwiegeln mit
falsch dargestellten Tatsachen. Jetzt
war es wohl mal wieder an der Zeit, ge-
gen die Autoindustrie und den Diesel
zu Felde zu ziehen. Zu ruhig ist es ge-
worden, die neuen Dieselmotoren sind
derart abgas- und verbrauchsarm, dass
es der DUH offenbar unheimlich wur-
de. Also zerrt sie eine Untersuchung
ans Tageslicht, die den nächsten ver-
meintlichen Skandal offenlegen soll.
Dabei wärmt sie auf, was sowieso be-
kannt ist: Während der Fahrt ist der
Ausstoß höher als auf dem Prüfstand
im Labor. Dass Verkehrsminister
Scheuer auch noch einen der üblichen
Vorwürfe abbekommt, geschenkt. Ja,
es ist unerfreulich, dass ältere Diesel
im Alltag einen recht hohen NOx-Aus-
stoß haben. Nur: Illegal ist das nicht.
Seit 1993 galt der NEFZ, ein auf dem
Rollenprüfstand durchgeführter Test
zur Verbrauchs- und Abgasmessung.
Erst seit September 2017 gilt für neu ty-
pengenehmigte Modelle die Pflicht zur
ergänzenden Abgasmessung während
der Fahrt. Und erst seit September
2019 gilt dieses RDE genannte Verfah-
ren für alle neu zugelassenen Personen-
wagen. Es gibt also jenseits der bekann-
ten Softwaremanipulation von VW kei-
nen Skandal mit älteren Dieseln. Der
Skandal ist allein, wie die DUH immer
und immer wieder die Menschen in die
Irre führt und die Autoindustrie zu kri-
minalisieren sucht.

W

enn neue Chefs in die Unterneh-
men kommen, zeigen sie oft erst
mal, wie schlecht die Vorgänger gear-
beitet haben. In den Geschäftszahlen
drücken sie das durch sinkende Progno-
sen und gelegentlich auch durch „Lei-
chen im Bilanzkeller“ aus, auf die sie
angeblich gerade erst gestoßen sind.
Bei Renault hat diese Motivation unter
Umständen ein Stück weit mitgewirkt,
als der Konzern gerade seine Aussich-
ten für Gewinn und Umsatz herunter-
schraubte. Gerade erst vor einer Woche
wurde Thierry Bolloréentlassen, der
nur anderthalb Jahre wirkende Gene-
raldirektor und ehemalige Gefolgs-
mann des geschassten Carlos Ghosn.
Das stieß bei etlichen Marktteilneh-
mern nur auf begrenztes Verständnis.
So soll nun gezeigt werden, dass die
Entlassung nicht nur ein Kotau vor den
Japanern war, sondern auch operative
Gründe hatte. Doch Renault plagen
auch strukturelle Sorgen jenseits von
Personalfragen. Als Massenhersteller
ohne Premiummodell treffen ihn die
Forschungskosten zur Erfüllung stren-
ger Abgasvorschriften hart. Wer sich
im Markt der Alltagsautos tummelt,
kann die Kostenüberschüsse kaum an
die Kunden weitergeben. Daher brau-
chen sich Renault und der Allianzpart-
ner Nissan zur Hebung von Synergieef-
fekten mehr denn je. Und vielleicht
braucht es auch neue Partner: Die Ge-
spräche mit Fiat-Chrysler könnten bald
wiederaufgenommen werden.

FRANKFURT,18. Oktober


D


er Streik der Lufthansa-Flugbeglei-
ter am Sonntag fällt aus, stattdes-
sen ruft die Flugbegleitergewerk-
schaft Ufo die Beschäftigten von anderen
Lufthansa-Gesellschaften zum Ausstand
auf. Vor diesem Schritt der Gewerkschaft
hatten sich am Freitagnachmittag die Er-
eignisse überschlagen. Zunächst kündigte
Ufo an, am Sonntag bis 11 Uhr nicht nur
die Marke Lufthansa, sondern auch Euro-
wings, Germanwings, Lufthansa City
Line sowie den Urlaubsflieger Sun Ex-
press Deutschland bestreiken zu wollen.
Dann konterte der Konzern und kündigte
eine außertarifliche Gehaltserhöhung für
Lufthansa-Flugbegleiter an. Es gebe
„eine einseitige Vergütungserhöhung um
2 Prozent rückwirkend zum 1. Juli 2019“,
heißt es in einem Mitarbeiterrundschrei-
ben, das der F.A.Z. vorliegt.
„Lufthansa scheint im Verlauf der letz-
ten zwei Wochen begriffen zu haben, dass
die Kabine sich weder durch mögliche dis-
ziplinarische Maßnahmen einschüchtern
noch durch juristische Spitzfindigkeiten
verwirren lässt“, teilte Ufo dazu mit. Der
Konflikt zwischen der Gewerkschaft und
dem Konzern ist damit aber nicht beige-
legt. Dass der Ausstand für die anderen
Konzernbetriebe nicht abgesagt wird, ist

ein deutliches Zeichen dafür. Zudem
spricht Ufo lediglich davon, dass eine „ers-
te Tarifforderung“ erfüllt sei.
Vor allem der Kern der Auseinanderset-
zung zwischen Ufo und Lufthansa ist
nicht ausgeräumt. Denn der Konzern be-
zweifelt, dass die Flugbegleitergewerk-
schaft aktuell eine tariffähige Gewerk-
schaft sei und dass der aktuell genannte
Vorstand vertretungsberechtigt sei. Bei
Ufo wertet man das als Versuch, dass sich
der Konzern der Spartengewerkschaft,
die zuletzt vor allem durch interne Quere-
len auffiel, zu entledigen. Verdi und die
Spartengewerkschaft IGL strecken schon
die Fühler aus, um sich anstelle von Ufo
um die Flugbegleiter zu kümmern. Der
Konzern hatte zudem angekündigt, dass
trotz des ursprünglichen Streikaufrufs
kein Lufthansa-Flug ausfallen sollte. Da-
mit sollte wohl auch nachgewiesen wer-
den, dass die zerstrittene Flugbegleiter-
vertretung nicht mal einen geregelten
Streik organisiert bekommt. Ufo will wei-
terhin das Gegenteil belegen.
Bei Eurowings geht es nun formal um
Fragen der betrieblichen Altersvorsorge,
bei Germanwings um Teilzeitregelungen
und bei Sun Express um einen erstmali-
gen Tarifvertragsschluss. Für die Kernmar-
ke Lufthansa soll in künftigen Verhandlun-

gen nun über Spesenrechnungen, Zuschlä-
ge und Regelungen für Flugbegleiter mit
saisonal schwankenden Arbeitszeiten ge-
sprochen werden, erklärte Ufo am Freitag-
abend. Auch für den einseitig von Lufthan-
sa gewährten Aufschlag dürfte aus Ufo-
Sicht noch eine tarifvertragliche Grundla-
ge zu schaffen sein. Nicht widerrufen hat
Ufo zudem die Ankündigung, dass noch
am Freitag Urabstimmungen eingeleitet
werden, in denen Flugbegleiter über unbe-
fristete Streiks entscheiden sollen.
Ob es nun aber zu Treffen am Verhand-
lungstisch kommt, ist unklar, da Lufthan-
sa diese mit Verweis auf rechtliche Un-
klarheiten verweigert. Den Zwei-Pro-
zent-Aufschlag erklärte der Konzern in
seinem Mitarbeiterschreiben so: „Diese
Erhöhung und weitere offene Tarifthe-
men hätten wir mit einem handlungsfähi-
gen Tarifpartner in den vergangenen Mo-
naten schon längst umsetzen können.“
Aufgrund „der mangelnden Vertretungs-
befugnis des Vorstands und der fehlenden
Tariffähigkeit“ sei das jedoch mit Ufo
nicht möglich gewesen.
Noch im Jahr 2016 hatte die Gewerk-
schaft dem Konzern nach intensivem
Streik einen komplexen Kompromiss mit
29 Einzeltarifverträgen abgerungen. Zu-
letzt fiel die Ufo-Führung aber durch eine

Reihe von Ungereimtheiten auf. Es gab
andere Vorstände, als im Vereinsregister
eingetragen waren, vorübergehend schien
es mehr Vorstandsmitglieder zu geben,
als die Satzung vorsieht, Funktionäre strit-
ten untereinander über medial verbreite-
te Vorwürfe und Strafanzeigen.
Ein Name ist dabei stets mit Ufo ver-
knüpft: Nicoley Baublies. Er war lange
Vorsitzender, war das Gesicht zum Groß-
konflikt 2016 und war treibende Kraft in
den Verhandlungen für die komplizierte
Einigung von damals. Die erscheint ande-
ren bei Ufo zu kompliziert, zumal einer
der 29 Einzelverträge Lufthansa im Fall
des Verfehlens von Einsparzielen die
Möglichkeit gibt, Verhandeltes für die Zu-
kunft in Frage zu stellen. Der Zwei-Pro-
zent-Aufschlag, der sogar über der
1,8-Prozent-Forderung von Ufo liegt, soll
nach Lufthansa-Angaben davon aber un-
berührt bleiben.
Für Gesprächsstoff sorgt in der Bran-
che, dass der im Mai zurückgetretene Bau-
blies nun wieder in Erscheinung tritt – als
Beauftragter des Ufo-Vorstands. In den in-
ternen Querelen der Gewerkschaft hat
eine Rolle gespielt, dass es bei Ufo ein La-
ger seiner Unterstützer und ein Lager sei-
ner Kritiker gibt. Die aktuelle Vorsitzen-
de Sylvia De la Cruz wird zu seinen Für-

sprechern gerechnet. Lufthansa hatte
jüngst Baublies gekündigt, weil er sich
aus Konzernsicht eine Nebentätigkeit für
Ufo nicht habe genehmigen lassen. Die
rechtliche Klärung ist offen.
Zum aktuellen Tarifstreit wurde er nun
in einer Ufo-Mitteilung zitiert: „Auf zyni-
sche Weise stilisiert Lufthansa den lan-
gen Konflikt nun zu einem Showdown
auf dem Rücken der Kunden und Mitar-
beiter.“ Dem Branchendienst „Airliners“
hatte er kürzlich bestätigt, wieder in die
Gewerkschaftsarbeit eingebunden zu
sein. Demnach gehe es in dem Engage-
ment um Verantwortungsgefühl gegen-
über Ufo - mindestens bis zur Neuwahl
des Vorstands. Aus Sicht von Lufthansa
kann nur solch eine Wahl rechtliche Zwei-
fel ausräumen. Nach jüngsten Angaben
ist sie erst für den 14. Februar 2020 vorge-
sehen.
Ob und wie stark Streikfolgen für Passa-
giere am Sonntag zu spüren sein werden,
ist unklar. Lufthansa hatte vorab vom Auf-
ruf zum „wilden Streik“ gesprochen, ge-
gen Teilnehmer würden „im Nachgang ar-
beitsrechtliche Maßnahmen geprüft“. Die
Gewerkschaft sah Mitarbeiter „bedroht“.
Bei den zu bestreikenden Betrieben ist zu-
dem ein Teil des Personals nicht über Ufo,
sondern schon über Verdi organisiert.

PARIS, 18. Oktober


D


er französische Autohersteller
Renaultist am Freitag an der
Börse schwer abgestraft worden.
Denn am Vorabend hatte er vor
einem niedrigeren Umsatz und Gewinn in
diesem Jahr gewarnt. Zeitweise verlor die
Aktie an der Pariser Börse am Freitag
mehr als 14 Prozent und wurde damit auf
ihren niedrigsten Stand seit rund sechs
Jahren zurückgeworfen. Auch andere Ak-
tien der Autobranche verloren an Wert.
Wie der Autohersteller berichtete, plagt
ihn zum einen die schwache Nachfrage
und zum anderen der Kostenschub zur Er-
füllung neuer Abgasvorschriften. „Wir ha-
ben gleichzeitig einen schwierigen Markt
und enorme Forschungs- und Entwick-
lungskosten, um die Regulierung zu re-
spektieren. Zuerst haben wir viel Geld für
die Elektroautos ausgegeben, jetzt tun wir
das auch bei Hybridfahrzeugen“, sagte
Clotilde Delbos, die erst vor einer Woche
zur Interims-Vorstandsvorsitzenden er-
nannt wurde, in einer Telefonkonferenz
mit Analysten. Ihren vorherigen Posten
der Finanzchefin hat sie behalten.
Renault ist nun auch operativ mit gro-
ßen Herausforderungen konfrontiert. Im
vergangenen November schlitterte der
Konzern in eine Führungskrise, nachdem
der langjährige Vorstandschef Carlos
Ghosn unter dem Vorwurf illegaler Fi-
nanzgeschäfte in Tokio festgenommen
wurde. Daraufhin geriet auch die Allianz
mit Nissan und Mitsubishi in Existenzge-
fahr. In der vergangenen Woche trennte
sich Renault zudem von seinem für das
operative Geschäft zuständigen Generaldi-
rektor Thierry Bolloré. Ein dreiköpfiges
Team hat die Leitung übernommen, bis
ein Nachfolger gefunden ist.
Überrascht waren viele Anleger am
Freitag vom Ausmaß der korrigierten Pro-
gnosen. Was den Umsatz angeht, so rech-
net Renault für das laufende Jahr mit ei-
nem Rückgang um 3 bis 4 Prozent. Zuvor

hatte der Hersteller konstante Erlöse (vor
dem Hintergrund unterstellter stabiler
Wechselkurse und des gleichen Beteili-
gungskreises) erwartet. Das Umsatzminus
entspricht ungefähr einer Milliarde Euro.
Beim Gewinn geht es ebenfalls mächtig
nach unten: Die operative Umsatzrendite
in der Renault-Gruppe werde 2019 nicht
6 Prozent betragen, wie zuvor prognosti-
ziert, sondern 5 Prozent. Dies entspricht
nach Analystenangaben einem Gewinn-
rückgang von etwa 600 Millionen Euro.
Die neue Lage belastet auch den Zufluss
flüssiger Mittel (Cash flow). Dieser Mittel-
zufluss soll im Automobilgeschäft im zwei-
ten Halbjahr zwar positiv ausfallen, doch
aufgrund des Abflusses von 700 Millionen
Euro in der ersten Jahreshälfte könnte für

das Gesamtjahr unterm Strich ein negati-
ver Cash flow herauskommen.
Doch nicht nur für dieses Jahr haben
sich die Aussichten verschlechtert: Re-
nault muss auch seinen mittelfristig ausge-
richteten Effizienzplan „Drive the Future“
herunterfahren. Er sah bisher vor, dass der
Konzern im Jahr 2022 einen Umsatz von
70 Milliarden Euro erreicht und sich die
operative Umsatzrendite auf mehr als 7
Prozent steigert. Zum Vergleich: Im ersten
Halbjahr erzielte Renault bei einem Um-
satz von 28 Milliarden Euro eine operative
Umsatzrendite von 5,9 Prozent oder 1,6
Milliarden Euro (260 Millionen Euro weni-
ger als im gleichen Vorjahreszeitraum).
Über den Sommer dieses Jahres hat sich
die Lage nicht verbessert: Der französi-

sche Konzern berichtete am Donnerstag-
abend, dass sein Umsatz auf Gruppenebe-
ne im dritten Quartal um 1,6 Prozent auf
11,3 Milliarden Euro zurückging. Die russi-
sche Tochtergesellschaft Avtovaz mit der
Marke Lada trug erheblich dazu bei. Ihr
Umsatz gab im dritten Quartal um 3,9 Pro-
zent auf 9,7 Milliarden Euro nach.
Detaillierte Quartalszahlen will Re-
nault wie geplant in einer Woche vorle-
gen; bei dem veränderten Ausblick konnte
das Unternehmen mit der Veröffentli-
chung indes nicht warten. Besonders die
Verkäufe im September waren schwach,
berichtete die Konzernchefin Delbos –
„und das, nachdem August und Juli schon
enttäuschend waren“. In Argentinien, wo
der Absatz schon im ersten Halbjahr um

50 Prozent einbrach, habe der schwache
Peso für Wechselkurs-Verluste gesorgt; in
der Türkei sei die Autonachfrage weiter
sehr schwach. Doch auch näher an der Hei-
mat häufen sich die Schwierigkeiten:
„Technische Probleme haben verhindert,
dass die Gruppe voll vom Start des neuen
Clio 5 im dritten Quartal profitieren konn-
te“, räumte Delbos ein.
Den fehlenden Einnahmen stehen
hohe Kosten für Forschung und Entwick-
lung gegenüber. Diese können weniger
schnell abgebaut werden als geplant, denn
meist handele es sich um langlaufende Pro-
gramme. Umso mehr müsse die Allianz
mit Nissan für sinkende Forschungskosten
sorgen. „Wir müssen nun dringend enger
zusammenarbeiten“, sagte sie.

Renault räumt auf


Von Christian Schubert


Der DUH-Skandal


Von Holger Appel


W


er an gute, alte deutsche Wer-
bung denkt, hat schnell eine
Hausfrau vor Augen, die für ihren
Mann gekocht hat. Der kommt nach
Hause, macht sich ein Bier auf und
setzt sich an den gedeckten Tisch. Am
Ende schaut die Frau in die Kamera
und lobt irgendeine Gewürzmischung
oder ihre Spülmaschine. Es ist bloß
gut, dass diese Zeiten der Langeweile
in der Werbung vorbei sind. Werbung
darf provozieren, Werbung darf in Fra-
ge stellen, Werbung darf sich etwas
trauen. Dabei wird es immer Werbung
geben, die über das Ziel hinausschießt
und die manche als herabwürdigend
empfinden. Unternehmen müssen
dann akzeptieren, dass sie den Bogen
überspannt haben. Der Grat des guten
Geschmacks ist schmal. Doch häufig
genug ist es auch an den Betroffenen,
gelassen zu reagieren und nicht jeden
Spot persönlich zu nehmen. Dass die
deutschen Bauern sich angesichts stän-
diger Anfeindungen leicht diffamiert
fühlen, ist nur zu gut verständlich.
Doch in Zeiten, in denen sich gesell-
schaftliche Gruppen verschiedener po-
litischer Couleur allzu schnell angegrif-
fen fühlen, ist es eine wohltuende Aus-
nahme, dass der Verband der Milch-
viehhalter die Ruhe bewahrt und auch
einen kritischen Werbespot hinnimmt.
Wem die vegane Schokolade schme-
cke, der solle sie essen. Diese Gelassen-
heit macht nicht nur die Werbung bes-
ser, sie tut auch dem Land gut.

NEW YORK, 18. Oktober


F


acebook ist in den vergangenen Wo-
chen scharf dafür kritisiert worden,
politische Anzeigen mit falschen
Behauptungen auf seinem Dienst zu erlau-
ben. Vorstandsvorsitzender Mark Zucker-
berg sieht aber offenbar keinen Anlass,
seine Position zu ändern – und ging jetzt
in einer Rede an der Georgetown Univer-
sity in Washington in die Offensive. „Wir
überprüfen politische Anzeigen nicht auf
Fakten“, sagte er. Facebook tue dies
nicht, um Politikern zu helfen, sondern
weil die Menschen selbst sehen sollten,
was Politiker sagen. In einer Demokratie
sollten private Unternehmen Politiker
nicht zensieren. „Ich glaube, die Men-
schen sollten entscheiden, was glaubwür-
dig ist, nicht Technologieunternehmen.“
Die Debatte um Falschinformationen auf
Facebook wird schon seit einiger Zeit ge-
führt. Rund um den jüngsten amerikani-
schen Präsidentschaftswahlkampf 2016
kursierten im sozialen Netzwerk viele

Falschmeldungen, etwa dass der Papst Do-
nald Trump unterstütze. Zuckerberg sag-
te hinterher zunächst, er halte es für eine
„verrückte Idee“, zu glauben, solche Mel-
dungen hätten das Wahlergebnis beein-
flusst. Er hat sich aber von dieser Aussage
mittlerweile wieder distanziert.
Nun, da der Wahlkampf für die Wahlen
im kommenden Jahr an Fahrt aufnimmt,
kocht die Debatte wieder hoch. Kürzlich
gab es eine Kontroverse um eine von
Trump geschaltete Facebook-Anzeige,
die falsche Informationen über Joe Biden
enthielt, einen der führenden Anwärter
auf die Kandidatur der Demokratischen
Partei bei den nächsten Wahlen. Es ging
darin um den Vorwurf der Korruption.
Mitarbeiter von Bidens Kampagne be-
drängten Facebook, den Werbeclip zu ent-
fernen, blitzten aber ab. Fernsehstatio-
nen wie CNN weigerten sich, ihn auszu-
strahlen, er war allerdings auch auf ande-
ren Internetplattformen wie Twitter und
Youtube zu sehen.

Die Diskussion um die Biden-Anzeige
wurde von Elizabeth Warren, einer Riva-
lin um die Kandidatur der Demokraten,
für eine Attacke auf Facebook genutzt.
Sie schaltete selbst eine Facebook-Anzei-
ge mit einer falschen Behauptung, um
dem sozialen Netzwerk den Spiegel vorzu-
halten. Auf dieser Anzeige ist ein Foto
von Zuckerbergs jüngstem Besuch bei
Trump im Weißen Haus zu sehen, dar-
über steht: „Mark Zuckerberg und Face-
book haben Donald Trump gerade ihre
Unterstützung für die Wiederwahl ausge-
sprochen.“ Sie machte wenige Sätze spä-
ter klar, dass dies nicht wahr sei. Und sie
beschuldigte Facebook, Trump auf sei-
nem Dienst nach Belieben lügen zu las-
sen und damit Geld zu verdienen.
Facebook hat auch diese Anzeige von
Warren nicht entfernt. Das Unternehmen
teilte damals mit: „Facebook glaubt, poli-
tische Rede sollte geschützt sein. Wenn
Senatorin Warren Dinge sagen will, von
denen sie weiß, dass sie falsch sind, sollte

Facebook nach unserer Überzeugung
nicht in der Position sein, das zu zensie-
ren.“ In seiner Rede in Washington argu-
mentierte Zuckerberg nun ähnlich. Er be-
schrieb Facebooks Position, Politikern
mit ihren Anzeigen große Freiheiten ein-
zuräumen, als einen Weg der Förderung
von freier Meinungsäußerung. Er sagte,
er habe darüber nachgedacht, politische
Anzeigen gar nicht mehr auf Facebook zu
erlauben, zumal sie ohnehin nur für einen
kleinen Teil des Geschäfts stünden. Aber
nach seiner Auffassung seien solche An-
zeigen gerade für Herausforderer von
Amtsinhabern und aufstrebende Politiker
ein wichtiges Mittel, um sich Aufmerk-
samkeit zu verschaffen. Sie zu verbieten
würde Amtsinhaber begünstigen. Zudem
sei es schwierig, eine Grenze zu ziehen,
weil sich bei einem Verbot von Anzeigen
von Kandidaten auch die Frage stelle, ob
auch Werbung zu allgemeinen politi-
schen Themen wie Gesundheit oder Ein-
wanderung verboten werden sollte.

Facebook wolle sich daher tendenziell
zugunsten freier Meinungsäußerung ent-
scheiden. Seine Kritikerin Warren konnte
er damit nicht überzeugen. Sie twitterte:
„Zuckerbergs Rede heute zeigt, wie wenig
er von 2016 gelernt hat und wie unvorbe-
reitet Facebook auf die Wahlen 2020 ist.“
Zuckerberg nutzte die Rede auch für eine
Warnung vor China. Bislang sei das Inter-
net überall außerhalb des asiatischen Lan-
des von amerikanischen Plattformen mit
starken Werten rund um freie Meinungs-
äußerung definiert worden. Nun aber ver-
suche China, seine Vision des Internets
mit ganz anderen Werten zu exportieren,
und es gebe keine Garantie, welche Werte
am Ende gewinnen würden. Er nannte
konkret Tiktok, die Smartphone-App mit
chinesischen Eigentümern wird für Face-
book zu einem immer größeren Wettbe-
werber. Tiktok zensiere Inhalte, die sich
um Demonstrationen drehten. Dies sei ei-
ner der Gründe, warum Facebook mit sei-
nen Diensten nicht in China vertreten sei.

Entspannt euch!


Von Gustav Theile


Zuckerberg will Politiker lügen lassen


Facebook-Chef verteidigt Umgang mit politischen Anzeigen – und attackiert China / Von Roland Lindner


Renault schockt mit düsterer Prognose


Flugbegleiter sagen Lufthansa-Streik ab


Konzern sagt Ufo außertariflichen Aufschlag zu / Aber der Grundkonflikt besteht fort / Von Timo Kotowski


Der französische


Hersteller kämpft mit


hohen Kosten und


hausgemachten


Fehlern. Der Kurs der


Aktie rutscht ab.


Von Christian Schubert


Quelle: Bloomberg/Foto: Renault/F.A.Z.-Grafik Niebel

Aktienkurs in Euro

18.10.2018 18.10.2019

Renault

Renault Zoé

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